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07.01.2013
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Kein Arbeitslohn bei Übertragung von Vorsorgekapital eines Grenzgängers zwischen schweizerischen Versorgungseinrichtungen

Wird Vorsorgekapital, das zugunsten eines Grenzgängers bei einer Versorgungseinrichtung durch als Arbeitslohn zu qualifizierende Arbeitgeberbeiträge gebildet wurde, von einer Versorgungseinrichtung auf eine andere Versorgungseinrichtung übertragen, ist diese Übertragung nicht erneut als Arbeitslohn anzusehen. Bei einer derartigen Übertragung kann es hinsichtlich möglicher übriger Einkunftstatbestände am Zufluss fehlen.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Übertragung des zugunsten eines Grenzgängers bestehenden Vorsorgekapitals von einer Versorgungseinrichtung auf eine andere Versorgungseinrichtung der Einkommensteuer unterliegt.

Der im Inland wohnhafte Kläger ist seit Jahren als Grenzgänger in der Schweiz abhängig beschäftigt. Zugunsten seiner beruflichen Altersvorsorge erbrachte seine Arbeitgeberin an eine dem schweizerischen Recht unterliegende Versorgungseinrichtung Beiträge zur Ergänzung der beruflichen Mindestvorsorge. Dadurch erlangte der Kläger einen eigenen Versorgungsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung.

Mit Ablauf des Streitjahres 2001 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers beendet. Nach schweizerischem Recht entstand deshalb zu seinen Gunsten ein Anspruch auf Zahlung des für ihn bei der bisherigen Versorgungseinrichtung bestehenden Vorsorgekapitals. Da der Kläger in eine neue, ebenfalls dem schweizerischen Recht unterliegende Versorgungseinrichtung wechselte, war die bisherige Versorgungseinrichtung gesetzlich zur Übertragung des Vorsorgekapitals auf die neue Versorgungseinrichtung verpflichtet. Dabei mussten beide dieser Anlageformen ausschließlich und unwiderruflich der Vorsorge dienen. Die neue Versorgungseinrichtung war ihrerseits gesetzlich verpflichtet, die Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes zu garantieren.

Noch im Streitjahr 2001 kam die bisherige Versorgungseinrichtung ihrer gesetzlichen Verpflichtung durch Übertragung des Vorsorgekapitals auf die neue Versorgungseinrichtung nach. Insoweit hatte der Kläger weder einen nach schweizerischem Recht grundsätzlich vorgesehenen Anspruch auf eine Barauszahlung des Vorsorgekapitals noch einen solchen auf eine Verwendung zum Erwerb von Wohneigentum. Überdies war dem Kläger nach schweizerischem Recht weder eine Abtretung noch eine Verpfändung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Vorsorgekapital möglich. Das Finanzamt behandelte die Übertragung des Vorsorgekapitals als steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Entscheidung

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Übertragung des Vorsorgekapitals nicht der Einkommensteuer unterliegt.

Nach den einschlägigen Regelungen des DBA Schweiz können die Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit in Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat besteuert werden.
Die Erbringung von Versicherungsleistungen kann selbst nicht erneut zu Arbeitslohn führen, wenn - wie hier - dem Arbeitnehmer durch Arbeitgeberbeiträge zu seiner Zukunftssicherung ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung zusteht und diese Beiträge deshalb bereits Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind (BFH-Urteile vom 06.10.2010 und vom 15.11.2007).

Darüber hinaus fehlt es hinsichtlich möglicher übriger Einkunftstatbestände - z.B. bezüglich etwa erwirtschafteter Zinsen der bisherigen Versorgungseinrichtung, die zusammen mit dem Kapital auf das Freizügigkeitskonto übertragen wurden - schon an einem Zufluss i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Für den Zufluss ist die wirtschaftliche Verfügungsmacht maßgebend. Er ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben (BFH-Urteil vom 29.07.2010). Fehlt es dem Steuerpflichtigen an der Wahlmöglichkeit, eine Auszahlung verlangen zu können, hat er mangels wesentlicher Befugnisse eines Rechtsinhabers keine wirtschaftliche Verfügungsmacht (BFH-Urteil vom 14.05.1982). Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die dem FG obliegt (vgl. etwa BFH-Urteil vom 30.06.2011). Das FG hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass dem Kläger nach schweizerischem Recht weder ein Anspruch auf eine Barauszahlung noch ein solcher auf eine Verwendung der Austrittsleistung zum Erwerb von Wohneigentum zustand. Die angefochtene Entscheidung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Frage, wie diese Einkünfte ggf. abkommensrechtlich zu behandeln wären, kommt es danach nicht mehr an.

Betroffene Norm
Art. 3 Abs. 2, Art. 15a DBA-Schweiz; § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG¸ § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Streitjahr 2001

Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2009, 3 K 154/07; DStRE 2011, S. 613 

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 13.11.2012, VI R 20/10, BStBl II 2013, S. 405 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 06.10.2010, VI R 15/08, BFH/NV 2011, S. 39
BFH, Urteil vom 15.11.2007, VI R 30/04, BFH/NV 2008, S. 550
BFH, Urteil vom 29.07.2010, VI R 30/07, BStBl II 2011, S. 68
BFH, Urteil vom 14.05.1982, VI R 124/77, BStBl II 1982, S. 469
BFH, Urteil vom 30.06.2011, VI R 37/09, BStBl II 2011, S. 923, Deloitte Tax-News

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