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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/arbeitnehmerbesteuerung-sozialversicherung/bfh-lohnzufluss-bei-teilnahme-an-einem-firmenfitness-programm.html
13.01.2021
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Lohnzufluss bei Teilnahme an einem Firmenfitness-Programm

Die Freigrenze für Sachbezüge des § 8 Abs. 2 S. 9 bzw. S. 11 EStG ist auch anwendbar, wenn der Arbeitgeber die betrieblich veranlassten Sachzuwendungen an seine Arbeitnehmer pauschal gemäß § 37b EStG versteuert. Sachbezüge aufgrund der Teilnahme an einem Firmenfitness-Programm sind laufender Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber sein vertragliches Versprechen, den teilnehmenden Arbeitnehmern die Nutzung bestimmter Fitnesseinrichtungen zu ermöglichen, fortlaufend durch Einräumung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit erfüllt. Daher fließt der geldwerte Vorteil den Arbeitnehmern nicht einmalig mit der Aushändigung der Trainingsberechtigung bzw. des Mitgliedsausweises zu, sondern monatlich. Das gilt unabhängig von der eigenen Vertragsbindung des Arbeitgebers gegenüber dem Fitnessclub. 

Sachverhalt

Der Arbeitgeber ermöglichte seinen Arbeitnehmern im Rahmen eines Firmenfitness-Programms, in verschiedenen Fitnessstudios zu trainieren. Hierzu erwarb er jeweils einjährige Trainingslizenzen, für die monatlich jeweils 42,25 Euro zzgl. Umsatzsteuer zu zahlen waren. Alle teilnehmenden Beschäftigten leisteten einen Eigenanteil von 16 Euro bzw. 20 Euro pro Monat. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass die 44 Euro-Freigrenze für Sachbezüge aufgrund der von den Beschäftigten zu leistenden Eigenanteile nicht überschritten wurde und ließ die Sachbezüge bei der Lohnbesteuerung außer Ansatz. Das Finanzamt vertrat hingegen die Auffassung, dass den teilnehmenden Arbeitnehmern der aus der Nutzungsmöglichkeit resultierende geldwerte Vorteil aufgrund der einjährigen Vertragsbindung des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Überlassung der Teilnahmeberechtigung für den Zeitraum eines Jahres zugeflossen sei. Es unterwarf die Aufwendungen für die Jahreslizenzen abzüglich der Eigenanteile der Arbeitnehmer dem Pauschsteuersatz von 30%. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt.

Entscheidung

Der BFH kommt übereinstimmend mit der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass der geldwerte Vorteil aus der Teilnahme an dem Firmenfitness-Programm nicht zu versteuern ist.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 8 Abs. 2 S. 9 bzw. S. 11 EStG bleiben Sachbezüge, die nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG zu bewerten sind, außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 Euro im Kalendermonat nicht übersteigen.

Anwendbarkeit der Freigrenze für Sachbezüge auch bei Pauschalierung der Einkommensteuer

Die Freigrenze des § 8 Abs. 2 S. 9 bzw. S. 11 EStG ist nach Ansicht des BFH auch anwendbar, wenn der Arbeitgeber die betrieblich veranlassten Sachzuwendungen an seine Arbeitnehmer pauschal gemäß § 37b Abs. 2 EStG versteuert.

Zwar gilt § 8 Abs. 2 S. 9 bzw. S. 11 EStG nach dem Wortlaut nur für Sachzuwendungen, die nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG zu bewerten sind. Dies trifft aus Sicht des BFH auf nach § 37b Abs. 2 EStG pauschal versteuerte, betrieblich veranlasste Sachzuwendungen an Arbeitnehmer aber nicht zu, denn § 37b Abs. 1 S. 2 EStG enthält für die Bewertung der Zuwendungen nach § 37b Abs. 2 EStG eine eigenständige Bemessungsgrundlage. Diese verdrängt in ihrem Anwendungsbereich nach der Rechtsprechung des BFH die Bewertung nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 13.05.2020, VI R 13/18). Der Gesetzgeber hat allerdings durch § 37b Abs. 2 S. 2 EStG in den im Streitzeitraum geltenden Fassungen für bestimmte Sondertatbestände, für die in § 8 Abs. 2 S. 2 bis 8 bzw. 10 EStG und § 8 Abs. 3 EStG besondere gesetzliche Bewertungsregeln bestehen, die Pauschalierung nach § 37b EStG ausdrücklich ausgeschlossen. Die 44 Euro-Freigrenze gemäß § 8 Abs. 2 S. 9 bzw. S. 11 EStG wird in § 37b Abs. 2 S. 2 EStG jedoch nicht erwähnt. Daraus schließt der BFH in Übereinstimmung mit der Verwaltungsauffassung, dass die Freigrenze auch bei Pauschalierung der Einkommensteuer bei Sachzuwendungen Anwendung finden soll (vgl. BMF-Schreiben vom 19.05.2015, Rz. 17).

Bewertung der streitgegenständlichen Sachzuwendungen

Im Rahmen der Prüfung, ob Sachzuwendungen die 44 Euro-Freigrenze überschreiten oder nicht, ist nach Ansicht des BFH die Bewertung der fraglichen Zuwendungen nach § 8 Abs. 2 S. 1 EStG vorzunehmen. Eine Bewertung nach § 37b Abs. 1 S. 2 EStG komme insoweit nicht in Betracht, da die Anwendung dieser Bemessungsgrundlage voraussetzt, dass die fragliche Sachzuwendung gemäß § 37b EStG pauschal versteuert wird. Dies ist bei Zuwendungen, die die 44 Euro-Freigrenze nicht überschreiten, aber gerade nicht der Fall. Gegenstand der Bewertung stellen im Streitfall die vom Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern verbilligt eingeräumten Nutzungsrechte der Fitnesseinrichtungen dar, so der BFH.

Monatlicher Lohnzufluss bei Teilnahme am Firmenfitness-Programm

Bei den vom Arbeitgeber seinen Beschäftigten verbilligt zugewandten Trainingsberechtigungen handelt es sich aus Sicht des BFH um laufenden Arbeitslohn i.S. von § 38a Abs. 1 S. 2 EStG, der den Arbeitnehmern regelmäßig und nicht einmalig im Kalenderjahr mit der Aushändigung der Trainingsberechtigung bzw. des Mitgliedsausweises zufloss. Für den Zufluss von Arbeitslohn kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht auf das Innehaben von Ansprüchen (gegen den Arbeitgeber), sondern auf die Erfüllung dieser Ansprüche an. Zuflusszeitpunkt ist der Tag, an dem der Arbeitnehmer durch die Erfüllung seines Anspruchs die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23.08.2017, VI R 4/16), also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1993, VI R 45/93). Auch § 38a Abs. 1 S. 2 EStG setzt dabei den tatsächlichen Zufluss i.S. von § 11 Abs. 1 EStG voraus (vgl. BFH-Urteil vom 29.05.2008, VI R 57/05).

Durch die bloße Aushändigung der schriftlichen Trainingsberechtigung bzw. des Mitgliedsausweises habe der Arbeitgeber sein Leistungsversprechen gegenüber ihren Arbeitnehmern unter den im Streitfall gegebenen Umständen noch nicht erfüllt, da diese Papiere keinen verbrieften Anspruch auf Nutzung der Anlagen beinhalteten. Der Arbeitgeber habe das vertragliche Versprechen, seinen an dem Firmenfitness-Programm teilnehmenden Arbeitnehmer die Nutzung der Anlagen verbilligt zu ermöglichen, unabhängig von ihrer eigenen Vertragsbindung vielmehr fortlaufend durch Einräumung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit erfüllt. Der Zufluss kann dabei nach Auffassung des BFH nicht mit dem Entstehen des Nutzungsrechts, sondern erst mit der laufenden Nutzungsmöglichkeit angenommen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 19.08.2004, VI R 33/97).

Ermittlung des geldwerten Vorteils

Für die Bewertung der Sachbezüge ist aus Sicht des BFH der monatlich zugeflossene geldwerte Vorteil maßgeblich. Dieser ist gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 EStG mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen. Üblicher Endpreis ist der Preis, der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren oder Dienstleistungen tatsächlich gezahlt wird (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 06.06.2018, VI R 32/16). Wird eine Ware oder Dienstleistung an Endverbraucher in der Regel nicht vertrieben, kann der Sachbezug nach Ansicht des BFH grundsätzlich auch anhand der Kosten bemessen werden, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat.

Nach diesen Grundsätzen seien die den Arbeitnehmern im Streitfall zugewandten Sachbezüge anhand der Kosten zu bewerten, die der Arbeitgeber hierfür aufgewandt hat. Denn eine identische oder gleichartige Dienstleistung, wie sie der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern mit den Trainingsberechtigungen verbilligt zugewandt hat, wurde fremden Endverbrauchern am Markt überhaupt nicht angeboten. Unter Berücksichtigung der von den Arbeitnehmern geleisteten Eigenanteile ist daher nach Auffassung des BFH die 44 Euro-Freigrenze eingehalten worden, so dass der geldwerte Vorteil aus der Teilnahme an dem Firmenfitness-Programm nicht zu versteuern ist.

Betroffene Normen

​§ 8 Abs. 2 S. 9 bzw. S. 11 EStG, § 37b EStG​​

Streitjahr ​​2011 bis 2014​

Anmerkung

BMF-Schreiben vom 11.02.2021

Die Finanzverwaltung wendet dieses Urteil an und ändert das BMF-Schreiben vom 16.05.2013 entsprechend durch Einfügung einer neuen Rdnr. 4a: „Wird die konkrete Ware oder Dienstleistung nicht zu vergleichbaren Bedingungen an Endverbraucher am Markt angeboten, kann der Sachbezug in Höhe der entsprechenden Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer und sämtlicher Nebenkosten angesetzt werden. R 8.1 Abs. 2 S. 3 LStR ist nicht anzuwenden.“

Vorinstanz

​Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13.03.2018, 14 K 204/16, EFG 2018, S. 942​

Fundstellen

BMF, Schreiben vom 11.02.2021 

BFH, Urteil vom 07.07.2020, VI R 14/18, BStBl. I 2021, S. 311

Weitere Fundstellen

​BFH, Urteil vom 13.05.2020, VI R 13/18, BFH/NV 2020, S. 1326, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 06.06.2018, VI R 32/16, BStBl II 2018, S. 764, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 23.08.2017, VI R 4/16, BStBl II 2018, S. 208

BFH, Urteil vom 29.05.2008, VI R 57/05, BStBl II 2009, S. 147

BFH, Urteil vom 19.08.2004, VI R 33/97, BStBl II 2004, S. 1076

BFH, Urteil vom 25.11.1993, VI R 45/93, BStBl II 1994, S. 254

BMF, Schreiben vom 19.05.2015, IV C 6-S 2297-b/14/10001, BStBl I 2015, S. 468, siehe Deloitte Tax-News

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