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09.11.2022
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Vom Arbeitgeber gezahltes Entgelt für Kennzeichenwerbung ist Arbeitslohn

Ein von einem Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer gezahltes Entgelt für Werbung des Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers gilt als durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn, sofern dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen „Werbemietvertrag“ kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt. 

Sachverhalt

Ein Arbeitgeber schloss mit einer Vielzahl seiner Mitarbeiter als „Mietvertrag Werbefläche“ bezeichnete Verträge ab, in welchen sich diese für ein jährliches Entgelt dazu verpflichteten, vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte, mit einem Werbeschriftzug versehene Kennzeichenhalter an ihren privaten PKW anzubringen. Die Verträge waren auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet. Finanzamt und FG behandelten die Vergütungen für die Anbringung der mit Werbung versehenen Kennzeichenhalter als Arbeitslohn i.S.d. § 19 EStG und nahmen den Arbeitgeber für die nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer auf die gezahlten Vergütungen in Anspruch.

Entscheidung

Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an.

Voraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslohn

Bezüge oder Vorteile des Arbeitnehmers gelten nach der Rechtsprechung des BFH dann als Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 04.07.2018, VI R 16/17 und vom 16.02.2022, VI R 53/18). Eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.08.2020, VI R 1/17).

Kein Arbeitslohn bei Veranlassung durch Sonderrechtsbeziehung

Wird dagegen eine Zuwendung aufgrund anderer Sonderrechtsbeziehungen oder nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewährt, liegt laut BFH kein Arbeitslohn vor (vgl. BFH-Urteil vom 17.06.2009, VI R 69/06).

Bezüge oder Vorteile gelten nach der Rechtsprechung des BFH dann als durch vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Verträge veranlasst, wenn ihnen andere Erwerbsgrundlagen als die Nutzung der eigenen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugrunde liegen (vgl. BFH-Urteil vom 03.07.2019, VI R 12/16). Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Vertrages zu würdigen (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2011, VI R 80/10).

Deshalb steht aus Sicht des BFH auch der Abschluss eines neben dem Arbeitsvertrag bestehenden Rechtsverhältnisses der Behandlung eines Vorteils als Arbeitslohn nicht zwingend entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 23.06.2005, VI R 124/99), während umgekehrt allein aus der Vereinbarung eines Vorteils im Arbeitsvertrag nicht automatisch auf das Vorliegen von Arbeitslohn geschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2011, VI R 80/10).

Übertragung auf den zugrundeliegenden Streitfall

In dem zugrundeliegenden Streitfall gehören die Zahlungen demnach aus Sicht des BFH zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG, weil sie durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind und nicht auf dem Sonderrechtsverhältnis „Mietvertrag Werbefläche“ beruhen, da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukommt.

Dem „Mietvertrag Werbefläche“ komme schon aufgrund seiner Ausgestaltung kein wirtschaftlicher Gehalt zu, da er zum einen nicht die Erzielung einer Werbewirkung sicherstellt und sich die Bemessung des Entgelts zum anderen offensichtlich an der in § 22 Nr. 3 EStG geregelten Freigrenze orientiert und damit der Werbeeffekt nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Bemessung des Entgelts war. Des Weiteren seien die Verträge ausschließlich mit Mitarbeitern geschlossen und die Laufzeit der Verträge sei an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geknüpft.

Frage der überwiegend eigenbetrieblichen Veranlassung einer Zuwendung

Die Frage, ob die Gewährung der streitigen Zahlungen aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers erfolgt sei, erübrigt sich hier aus Sicht des BFH, da der Arbeitgeber diese Geldleistungen als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen seiner Arbeitskraft erhalten hat.  

Betroffene Normen

​§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG

Streitjahr ​2013 bis 2017

Praxishinweis

Der Urteilsfall verdeutlicht einmal mehr wie entscheidend die gewählte Vertragsgestaltung in der Praxis sein kann. Zwecks Vermeidung eines lohnsteuerpflichtigen Vorteils und einer Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers nach § 42d EStG hätte im vom BFH zu beurteilenden Fall die Förderung einer Werbewirkung mittels Vertragsgestaltung sichergestellt werden sollen. Darüber hinaus bietet es sich in der Praxis auch häufig an, das Institut der Lohnsteueranrufungsauskunft i. S. d. § 42e EStG zu nutzen, bevor entsprechende Maßnahmen und Verträge mit den Arbeitnehmern vereinbart werden.

Vorinstanz

​Finanzgericht Münster, Urteil vom 03.12.2019, 1 K 3320/18 L

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 21.06.2022, VI R 20/20, BStBl II 2023, S. 87

BFH, Pressemitteilung 051/22 vom 03.11.2022 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 16.02.2022, VI R 53/18, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 13.08.2020, VI R 1/17; BStBl II 2021, S. 103

BFH-Urteil vom 03.07.2019, VI R 12/16

BFH, Urteil vom 04.07.2018, VI R 16/17, BStBl II 2019, S. 373, siehe Deloitte Tax-News

BFH-Urteil vom 30.06.2011, VI R 80/10, BStBl II 2011, S. 948, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 17.06.2009, VI R 69/06, BStBl II 2010, S. 69

BFH, Urteil vom 23.06.2005, VI R 124/99, BStBl II 2005, S. 766 

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