In Fällen konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung (§ 38 Abs. 1 S. 2 EStG) ersetzt das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns (zivilrechtlich) im Regelfall beruht. Unbeschadet dessen muss die entsandte Person nach allgemeinen Grundsätzen als Arbeitnehmer des wirtschaftlichen Arbeitgebers anzusehen sein.
Die in der Schweiz ansässige AG war die alleinige Gesellschafterin der Klägerin. Die AG und die Klägerin hatten eine "Dienstleistungsvereinbarung" (DV) geschlossen, wonach die AG der Klägerin einen Geschäftsführer (B) zur Verfügung stellte, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Dafür zahlte die Klägerin (in Deutschland ansässiges aufnehmendes Unternehmen) Monatspauschalen an die AG. B war gleichzeitig Verwaltungsrat der AG und CEO der Unternehmensgruppe.
Das Finanzamt ist der Meinung, dass die Zahlungen, die die Klägerin an die AG gemäß der DV für die Tätigkeit des Geschäftsführers B geleistet hat, dem deutschen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen sind. Die Klägerin sei nach § 38 Abs. 1 S. 2 EStG wirtschaftliche Arbeitgeberin des B, der in Deutschland gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG beschränkt steuerpflichtig sei. Die Einkünfte seien nach Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz im Inland zu versteuern. Das sah auch das FG so.
Der BFH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Feststellungen des FG keine abschließende Beantwortung der Frage zulassen, ob das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen (Klägerin) den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt.
Gesetzliche Grundlage
Nach § 38 Abs. 1 S. 2 EStG ist in den Fällen der internationalen Arbeitnehmerentsendung das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, inländischer Arbeitgeber, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen; Voraussetzung hierfür ist nicht, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt. Der wirtschaftliche Arbeitgeber ist ebenso wie der zivilrechtliche Arbeitgeber lohnsteuerrechtlicher Arbeitgeber und damit gemäß § 38 Abs. 3 EStG zur Einbehaltung und nach § 41a EStG zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer verpflichtet.
Wirtschaftlicher Arbeitgeber
Das inländische aufnehmende Unternehmen wird nach der Rechtsprechung nicht allein schon dadurch zum wirtschaftlichen Arbeitgeber, dass es dem entsendenden Unternehmen den Arbeitslohn erstattet, der auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit entfällt. Voraussetzung für die wirtschaftliche Arbeitgeberstellung ist vielmehr außerdem, dass der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt und dass der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist (BFH-Urteil vom 23.02.2005, I R 46/03; BMF-Schreiben vom 03.05.2018, IV B 2-S 1300/08/10027).
Das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns ersetzt nach Auffassung des BFH die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff sonst erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer (zivilrechtlich) im Regelfall beruht. Dies ändere aber nichts daran, dass die betreffende Person (nach allgemeinen Grundsätzen) auch als Arbeitnehmer des (wirtschaftlichen) Arbeitgebers anzusehen sein muss.
Bei konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung beachtliche Grundsätze
Für den Streitfall kann der BFH der Auffassung des FG, dass die Klägerin mit den gezahlten Monatspauschalen den Arbeitslohn des B wirtschaftlich anteilig getragen habe, nicht ohne weitere Feststellungen folgen. Folglich hat er die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückverwiesen. Dabei hat der BFH dem FG einige Hinweise und zu beachtende Grundsätze mit auf den Weg gegeben:
§ 38 Abs. 1 S. 2 EStG
Streitzeitraum: Juli 2012 bis Oktober 2015
Die Revision war zugelassen worden, weil die im Streitfall entscheidenden Rechtsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang noch nicht geklärt sind. Da der BFH die Sache nun zurückverwiesen hat, lässt eine höchstrichterliche Klärung noch weiter auf sich warten. Der BFH gibt aber einige Hinweise und stellt Grundsätze auf, die im Falle einer konzerninternen internationalen Arbeitnehmerentsendung beachtlich sind.
Thüringer Finanzgericht, 13.12.2018, 3 K 795/16
BFH, Urteil vom 04.11.2021, VI R 22/19, lBStBl. II 2022, S. 562
BFH, Urteil vom 23.02.2005, I R 46/03, BStBl. II 2005, S. 547
BMF, Schreiben vom 03.05.2018, IV B 2-S 1300/08/10027, BStBl. I 2018, S. 643, siehe Deloitte Tax-News und Deloitte Tax-News
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