Streitig ist, ob der geldwerte Vorteil aus vom Arbeitgeber verbilligt bezogenen amerikanischen Aktien beim Arbeitnehmer zugeflossen ist, solange diese Aktien weder handelbar, lieferbar noch beleihbar sind.
Die A Inc., USA, Muttergesellschaft der Arbeitgeberin des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), gewährte dem Kläger 1997 Optionen auf den Erwerb von Aktien der A Inc. Der Kläger erwarb in Ausübung der Optionen in den Streitjahren 2000 und 2001 Aktien sog. „restricted shares“, die - nach den Feststellungen des FG - innerhalb von zwei Jahren weder handelbar noch lieferbar waren und sich auch nicht zur Beleihung eigneten. Nach einer Haltefrist von einem Jahr konnten sie nur unter bestimmten Bedingungen verkauft werden. Nach einer Sperrfrist von einem weiteren Jahr war ein freier Verkauf möglich. Die Arbeitgeberin hatte den Aktienerwerb angesichts der Verfügungsbeschränkungen lohnsteuerlich nicht erfasst. Das Finanzamt vertrat hingegen die Auffassung, beim Kläger sei ein geldwerter Vorteil aus der Ausübung der Aktienoption als Arbeitslohn bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen. Das FG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen.
Die im Streitfall vom FG tatsächlich getroffenen Feststellungen tragen nicht dessen Würdigung und Entscheidung, dass der Kläger bereits die für den Zufluss des Vorteils entscheidungserhebliche wirtschaftliche Verfügungsmacht über die "restricted shares" erlangt hatte.
Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch vom Arbeitgeber für die Beschäftigung verbilligt überlassene Aktien (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG). Dies setzt allerdings voraus, dass der Vorteil in Form von Aktien auch zugeflossen ist (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG). Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt allein das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Der Vorteil ist mit der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht darüber zugeflossen.
Bei einem Aktienerwerb ist das der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien erfüllt wird (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 11.02.2010 und vom 30.09.2008). Einem solchen Zufluss im vorgenannten Sinne steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Sperr- bzw. Haltefrist die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann. Der Erwerber der Aktien ist rechtlich und wirtschaftlich bereits dann Inhaber der Aktie, wenn sie auf ihn übertragen oder auf seinen Namen im Depot einer Bank hinterlegt wird. Denn eine obligatorische Veräußerungssperre hindert den Erwerber von Aktien nicht, sie zu veräußern. Die Veräußerung ist rechtlich möglich, wenngleich sie auch Sanktionen auslösen kann. Aufgrund des im Aktienrecht geltenden Grundsatzes der freien Übertragbarkeit der Aktie (§ 68 AktG) ist jede Einschränkung, die über eine schuldrechtliche Wirkung hinausgeht, grundsätzlich unwirksam (BFH, Urteil vom 30.09.2008). Aktien sind hingegen nicht zugeflossen, solange dem Arbeitnehmer eine Verfügung darüber rechtlich unmöglich ist.
Ob ein Steuerpflichtiger im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt und ausgeübt hat, ist eine grundsätzlich dem FG obliegende Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.2010). Im Streitfall fehlen insbesondere Feststellungen dazu, ob der Kläger entsprechend der vom deutschen Recht getroffenen Unterscheidung gleichsam lediglich schuldrechtlich verpflichtet ist, die Aktien nicht weiter zu veräußern, oder ob es ihm auch schlechterdings rechtlich unmöglich ist, über die Aktien zu verfügen. Allein der Umstand, dass innerhalb der zweijährigen Behaltefrist die Nutzungen vom Kläger gezogen werden dürfen, begründet noch keine rechtlich gesicherte Inhaberschaft. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird nach Maßgabe der vorstehenden Rechtsgrundsätze die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Dabei wird insbesondere festzustellen sein, nach welchen Rechtsgrundsätzen die streitigen Aktien übertragen werden sowie welche Rechtsstellung der Kläger in Bezug auf die Aktien mit der Optionsausübung erlangt hatte, um würdigen zu können, ob der Kläger ab dem Zeitpunkt der Optionsausübung die Verfügungsmacht über die streitigen Aktien innehatte.
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Streitjahre 2000 und 2001
Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 14.01.2009, III 922/03, EFG 2010, S. 38
BFH, Urteil vom 30.06.2011, VI R 37/09, BStBl II 2011 S. 923
BFH, Urteil vom 11.02.2010, VI R 47/08, BFH/NV 2010, S. 1094, Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 30.09.2008, VI R 67/05, BStBl II 2009, S. 282
BFH, Urteil vom 30.11.2010, VIII R 40/08, BFH/NV 2011, S. 592
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