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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/arbeitnehmerbesteuerung-sozialversicherung/niedersaechsisches-fg-verfassungsmaessigkeit-der-1p-regelung.html
16.01.2014
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

Niedersächsisches FG: Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung

Mit Allgemeinverfügung vom 13.12.2013 (BStBl. I 2013, S. 1606) haben die obersten Finanzbehörden der Länder Einsprüche, die sich auf eine Verfassungswidrigkeit der sog. „1%-Regelung“ gestützt haben, zurückgewiesen. Gegen die Allgemeinverfügung vom 13.12.2013 könne Klage erhoben werden. Die Klage sei bei dem Finanzgericht zu erheben, in dessen Bezirk sich das Finanzamt befindet, das den von dieser Allgemeinverfügung betroffenen Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist zur Klageerhebung beträgt 1 Jahr und beginnt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblatts, in dem diese Allgemeinverfügung veröffentlicht wurde (31.12.2013).

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Der BFH hat das Urteil des Niedersächsischen FG bestätigt: Die 1%-Regelung mit Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da der Steuerpflichtige die Wahl hat, den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil auch nach der so genannten Fahrtenbuchmethode zu ermitteln und zu bewerten.
BFH, Urteil vom 13.12.2012, VI R 51//11, Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
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Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die typisierende Bewertung der privaten Nutzung eines Firmenwagens unter Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises (1%-Regelung) zu überprüfen und an die veränderten Marktverhältnisse anzupassen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es sich bei der Pauschalbewertung um eine widerlegbare Typisierung wegen der Möglichkeit des Führens eines Fahrtenbuchs handelt.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Pauschalbewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Firmenwagens insoweit noch verfassungsgemäß ist, als die Nutzungsentnahme nach dem inländischen Bruttolistenpreis bei der Erstzulassung bemessen wird.

Dem Kläger wurde im Streitjahr 2009 von seinem Arbeitgeber ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um ein Gebrauchtfahrzeug (Erstzulassung 27.08.2004, Kilometer-Stand 58.000), das der Arbeitgeber geleast hat. Der PKW hatte zu Beginn des Leasing-Zeitraums einen Gebrauchtwagenwert von brutto 31.990 Euro. Der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs betrug im Zeitpunkt der Erstzulassung 81.400 Euro. Ein Fahrtenbuch führte der Kläger nicht. Bei der Berechnung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung des Kfz und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist der Arbeitgeber vom Bruttolisten-Neupreis ausgegangen. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 legte der Kläger Einspruch ein und beantragte, bei der Berechnung des geldwerten Vorteils den Gebrauchtwagenwert zugrunde zu legen. Aufgrund der entgegen stehenden gesetzlichen Regelungen hatte der Einspruch insoweit jedoch keinen Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht den geldwerten Vorteil für die private Nutzung des betrieblichen Firmenwagens auf der Basis des inländischen Bruttolistenneupreises von 81.400 Euro berechnet (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG).

Für die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, ist für jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG). Unter dem inländischen Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung ist die an diesem Stichtag maßgebliche Preisempfehlung des Herstellers zu verstehen, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gilt (R 8.1 Abs. 9 Nr.1 S. 6 LStR 2011). Mit der Anknüpfung an die Preisempfehlung des Automobilherstellers hat der Gesetzgeber eine stark vereinfachende, typisierende und damit für alle gleichen Fahrzeuge einheitliche Grundlage für die Bewertung der Nutzungsvorteile geschaffen. Bei Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist nicht die sog. 1%-Regelung, sondern sind die aus dem Fahrtenbuch entnommenen Werte maßgeblich (Escape-Klausel, § 8 Abs. 2 S. 4 EStG). Wird kein Fahrtenbuch geführt, ist die 1%-Regelung grundsätzlich zwingend; eine abweichende Schätzung ist nicht zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 03.01.2007).

In den Anwendungsbereich der vorgenannten Vorschriften fallen nach allgemeiner Ansicht nicht nur vom Arbeitgeber angeschaffte, sondern auch - wie im Streitfall - geleaste oder gemietete Fahrzeuge (BMF-Schreiben vom 18.11.2009), selbst wenn das Fahrzeug bei Anschaffung oder - wie im Streitfall - Beginn des Leasingverhältnisses gebraucht oder bei Beginn der Nutzungsüberlassung bereits abgeschrieben ist.

Das FG hat nicht die für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erforderliche Überzeugung zu gewinnen vermocht, dass die gesetzliche Bewertungsregel verfassungswidrig ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH und der FG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die 1%-Regelung unter Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage. Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip (objektives Nettoprinzip) bzw. eine Übermaßbesteuerung, die sich insbesondere durch den faktischen Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs bei Anwendung der 1%-Regelung auf gebrauchte oder abgeschriebene Fahrzeuge geradezu aufdrängen, wurden dabei regelmäßig wegen der Möglichkeit des Führens eines Fahrtenbuches mit belegmäßigem Einzelnachweis (z.B. zuletzt: BFH-Urteil vom 09.03.2010) und im Hinblick auf die von der Finanzverwaltung im Billigkeitswege gewährte Deckelungsregelung (BMF-Schreiben vom 18.11.2009) überwunden.

Die Rechtsprechung weist darauf hin, dass der Gesetzgeber sich bei der Typisierung im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums gehalten hat, da es sich um eine widerlegbare Typisierung handelt (BFH-Urteil vom 24.02.2000). Der Gesetzgeber verlange mit dem Nachweis durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch auch nichts Unmögliches oder Unzumutbares vom Steuerpflichtigen. Davon abgesehen ist es im vorliegenden Streitfall nicht geboten, die Frage der Zumutbarkeit des Führens eines Fahrtenbuches zu überprüfen, da der Kläger unstreitig kein Fahrtenbuch geführt hat.

Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Gesetzgeber auch nicht gegen das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen, indem er unverändert seit 1996 an dem Bruttoneuwagenlistenpreis als Bemessungsgrundlage festgehalten hat. Ein Gleichheitsverstoß wegen Verletzung der Anpassungsverpflichtung liegt nach Überzeugung des Senats nicht vor. Zu Recht weisen die Kläger darauf hin, dass das Recht zur gesetzlichen Typisierung unter dem Vorbehalt der realitätsgerechten Erfassung der Wirklichkeit steht. Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem der Gesetzgeber zur Überprüfung einer Typisierung gezwungen ist, gibt es - soweit ersichtlich - keine starren Grenzen. Gravierende Abweichungen von der Lebenswirklichkeit sind im Streitfall nicht festzustellen. Selbst wenn zugegeben werden kann, dass nach Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung der Bruttoneuwagenlistenpreis für ein Neufahrzeug nicht dem Wert entspricht, der am Markt für das Fahrzeug tatsächlich bezahlt wird (so auch BFH-Urteil vom 17.06.2009) und Rabatte - abhängig vom Hersteller, Modell und Sonderfaktoren wie Verkäuflichkeit und Auslauf- oder Sondermodell - zwischen 10% und teilweise über 30 % üblich sind, führt dies nach Auffassung des Senats noch nicht zu einer Anpassungsverpflichtung für den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber ist vielmehr nicht verpflichtet, jeder Veränderung der Marktpreise Rechnung zu tragen. Dabei spiegeln sich grundsätzlich steigende Preise auch in entsprechend angepassten Bruttolistenpreisen wieder, sodass insoweit eine regelmäßige Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse - Preissteigerungen - erfolgt.

Im Ergebnis hält sich der Gesetzgeber daher auch im Streitjahr 2009 durch ein Festhalten am Bruttoneuwagenlistenpreis noch im Rahmen seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Soweit ersichtlich liegt noch keine Entscheidung des BFH zu der Frage des Anpassungszwangs des Gesetzgebers im Rahmen der 1%-Regelung vor. Der BFH könnte im Rahmen eines Revisionsverfahrens klarstellen, inwieweit seine Entscheidung zur Bewertung eines durch die günstige Überlassung eines Neuwagens an einen Arbeitnehmer gewährten Vorteils (BFH-Urteil vom 17.06.2009) Auswirkungen auf die Verpflichtung zur Anpassung der Bemessungsgrundlage "Bruttolistenpreis" hat.

Betroffene Norm

§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG
Streitjahr 2009

Fundstellen

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14.09.2011, 9 K 394/10; BFH VI R 51/11

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 03.01.2007, XI B 128/06, BFH/NV 2007, S. 706
BMF, Schreiben vom 18.11.2009, IV C 6-S 2177/07/10004, 2009/0725394, BStBl I 2009, S. 1326, Tz. 1
BFH, Urteil vom 09.03.2010, VIII R 24/08, BStBl II 2010, S. 903, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 24.02.2000, III R 59/98, BStBl II 2000, S. 273
BFH, Urteil vom 17.06.2009, VI R 18/07, BStBl II 2010, S. 67, siehe Deloitte Tax-News

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