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13.12.2013
Erbschaftsteuer

BFH: Vorläufiger Rechtsschutz wegen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ab 2009 geltenden Erbschaftsteuergesetzes

Die Vollziehung eines Erbschaftsteuerbescheides ist wegen des beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahrens auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen oder aufzuheben, wenn ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht. Eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids scheidet nicht deshalb aus, weil zu erwarten ist, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz (GG) aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird (entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH).

Sachverhalt

Aufgrund eines Vermächtnisses ihres geschiedenen Mannes erhält die Antragstellerin seit 2011 auf Lebenszeit eine monatliche Rente. Gegen den vom Finanzamt erlassenen Erbschaftsteuerbescheid legte die Klägerin Einspruch im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 27.09.2012 zur Frage, ob das Erbschaftsteuergesetz in der ab Jahr 2009 geltenden Fassung verfassungswidrig ist, ein. Den Antrag der Klägerin, die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids auszusetzen, lehnte das Finanzamt ab. Auch die beim FG beantragt Aufhebung der Vollziehung wurde abgelehnt.
 

Entscheidung

Die Vorentscheidung und die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftssteuerbescheids seien aufzuheben.

Das Gericht der Hauptsache hat die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO).

Im Streitfall bestünden ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG, da beim BVerfG ein Normenkontrollverfahren zu der Frage anhängig sei, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG verfassungswidrig sei.

Auch sei das Interesse der Klägerin gegenüber dem öffentlichen Interesse vorrangig. In den Fällen, in denen der BFH die vom Steuerpflichtigem als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt habe, werde dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen der Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt. Ein berechtigtes Interesse an der Aussetzung liege jedenfalls dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Erbschaftsteuer nicht, bzw. nicht ohne weitere Dispositionen aus dem Erwerb begleichen könne. Es sei ihm nicht zuzumuten, die Erbschaftsteuer vorläufig zu entrichten. Gehörten dagegen zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb auch verfügbare Zahlungsmittel, die zur Zahlung eingesetzt werden können, fehle regelmäßig ein vorrangiges Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Im Streitfall war die Klägerin nicht in der Lage, die Erbschaftsteuer aus ihrer monatlichen Rente zu entrichten.

Der BFH halte nicht mehr an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids ausscheide, wenn zu erwarten sei, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben werde. Es sei nicht gerechtfertigt, aufgrund einer Prognose über die Entscheidung des BVerfG vorläufigen Rechtsschutz generell auszuschließen.
 

Betroffene Norm
§ 69 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO
Streitjahr 2011

Fundstelle
BFH, Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13

Weitere Beiträge
BFH, Beschluss vom 27.09.2012, II R 9/11, BStBl II 2012, S. 899, BVerfG-anhängig: 1 BvL 21/12, siehe Deloitte Tax-News

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