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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/erbschaftsteuer/erbschaftsteuerreform-finanzausschuss-bundestag-legt-beschlussempfehlung-vor.html
23.06.2016
Erbschaftsteuer

Erbschaftsteuerreform: Koalition einigt sich

Aktuell:

  • 08.07.2016 - Der Bundesrat ruft den Vermittlungsausschuss an mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung der Regelungen.
  • 24.06.2016 - Der Bundestag hat das Gesetz in der vom Finanzausschuss empfohlenen Fassung angenommen.

Nachdem die Koalition am 20.06.2016 eine Einigung über die Erbschaftsteuerreform erzielt hat, hat der Finanzausschuss des Bundestages am 22.06.2016 seine Beschlussempfehlung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgelegt.

Hintergrund

Nach der am 17.12.2014 veröffentlichten Entscheidung des BVerfG sind die derzeit geltenden Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen grundsätzlich verfassungskonform, müssen jedoch in Teilen nachgebessert werden (siehe Deloitte Tax-News). Das Bundeskabinett hatte am 08.07.2015 den Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ verabschiedet (siehe Deloitte Tax-News). Zu diesem Gesetzentwurf hatte der Bundesrat mit seinem Beschluss vom 25.09.2015 Stellung genommen (siehe Deloitte Tax-News).

Mit der am 22.06.2016 vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestages verabschiedeten Beschlussempfehlung für das Plenum des Bundestages geht das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren in die entscheidende Phase. Die abschließende Befassung des Bundesrates ist für den 08.07.2016 vorgesehen.

Beschlussempfehlung Finanzausschuss

Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages dargestellt. Dabei wird insbesondere auf die empfohlenen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf eingegangen.

1. Verschonungsmöglichkeiten

1.1. Regel- bzw. Optionsverschonung

Das Nebeneinander der Regel- und Optionsverschonung bleibt. Beide Begünstigungen sind nach wie vor an die Lohnsummenprüfung (-> 3.) und die fünf- bzw. siebenjährige Behaltensfrist geknüpft. Der Verwaltungsvermögenstest (-> 2.) ist für den Erhalt dieser Begünstigungen nicht (mehr) direkt relevant, sondern wirkt sich nur auf den Betrag des begünstigten Vermögens aus. Die Optionsverschonung kann damit ohne „Vorbedingungen“ beantragt werden, wobei der Antrag nach wie vor unwiderruflich ist.

  • Bis zum Wert des begünstigten Vermögens von 26 Mio. € bleiben die Regel- und Optionsverschonung unverändert anwendbar (Verschonungsabschlag 85% / 100%)
  • Beim Wert des begünstigten Vermögens zwischen 26 Mio. € und 90 Mio. € schmilzt der Verschonungsabschlag mit je 1%-Punkt für jede vollen 750 T€ ab („Abschmelzungsmodell“). Der verminderte Verschonungsabschlag ist für den Gesamterwerb anwendbar (und nicht nur für den Betrag, der über 26 Mio. € hinausgeht). Die Anwendung des Abschmelzungsmodells setzt einen unwiderruflichen Antrag voraus und schließt die Bedarfsprüfung (-> 1.2.) aus.
  • Ab 90 Mio. € sind weder die Regelverschonung noch die Optionsverschonung anwendbar. Der im Regierungsentwurf vom 08.07.2015 vorgesehene Sockelbetrag der Verschonung ist ersatzlos entfallen.
  • Für die Prüfung der Wertgrenzen sind alle (Vor-)Erwerbe begünstigten Vermögens der letzten zehn Jahre einzubeziehen (auch Erwerbe vor dem 01.07.2016!).
  • Der Verschonungsabschlag, der sich nach der Summe aller relevanten Erwerbe bemisst, ist nicht nur für den Nacherwerb, sondern auch für die Vorerwerbe anwendbar. Dadurch kann die Verschonung der Vorerwerbe ganz oder teilweise nachträglich wegfallen (Ausnahme: Erwerbe vor dem 01.07.2016, bei denen die ursprünglich gewährte Begünstigung nicht rückwirkend wegfällt).

1.2. Bedarfsprüfung / Erlassmodell

  • Beim Wert des begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. € erfolgt auf Antrag ein Steuererlass auf das begünstigte Vermögen. Der Steuererlass schließt die Anwendung des Abschmelzungsmodells (-> 1.1.) aus.
  • Die Ausgestaltung des Steuererlasses und der damit verbundenen Bedarfsprüfung ist weitgehend mit dem Regierungsentwurf vom 08.07.2015 identisch.

1.3. Wertabschlag bei Anteilen an Familiengesellschaften

  • Bei bestimmten Familiengesellschaften, deren Gesellschaftsvertrag gewisse Entnahme-, Abfindungs- und Verfügungsbeschränkungen enthält, erfolgt ein Wertabschlag von bis zu 30% vom Wert des begünstigten Vermögens.
  • Der Wertabschlag setzt voraus, dass die entsprechenden Regelungen des Gesellschaftsvertrags mindestens zwei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt vorgelegen haben und mindestens 20 Jahre danach Bestand haben. Anderenfalls fällt der Abschlag rückwirkend und in voller Höhe (und nicht etwa zeitanteilig) weg. 
  • Der Wertabschlag ist weder an die Lohnsummenregelung noch an eine Behaltensfrist geknüpft. 
  • Der Wertabschlag ist vorweg und unabhängig davon anwendbar, ob und inwieweit anschließend weitere Begünstigungen (-> 1.1. oder 1.2.) greifen.

1.4. Steuerstundung bei Erwerben von Todes wegen

  • Für Erwerbe begünstigten Vermögens von Todes wegen soll die Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahre zinslos gestundet werden.
  • Die Stundung steht unter dem Vorbehalt der Lohnsummenprüfung und der Behaltensfrist.
  • Die Stundung betrifft die Erbschaftsteuer, die nach Anwendung des Abschmelzungsmodells (-> 1.1.) oder des Erlassmodells (-> 1.2.) noch übrig bleibt.

2. Verwaltungsvermögenstest

  • Der Verwaltungsvermögenstest bleibt, wird aber umfassend überarbeitet. Der im Regierungsentwurf vom 08.07.2015 enthaltene „Hauptzweckansatz“, der den Verwaltungsvermögenstest ablösen sollte, wird nicht mehr verfolgt.
  • Der Katalog des Verwaltungsvermögens wird grundsätzlich aus dem geltenden Recht über-nommen und nur punktuell ergänzt.
  • Bei mehrstufigen Konzernen wird die bisherige Stufenbetrachtung aufgegeben; der Verwaltungsvermögenstest erfolgt vielmehr auf der Grundlage einer (konsolidierten) „Verbundvermögensaufstellung“. In der Verbundvermögensaufstellung bleiben konzerninterne Schulden und Forderungen außer Ansatz.
  • Das Verwaltungsvermögen wird künftig nicht mehr brutto angesetzt, sondern mit Schulden verrechnet („Nettowert des Verwaltungsvermögens“). Hier bestehen jedoch viele Ausnahmen, z.B. beim jungen Verwaltungsvermögen, bei wirtschaftlich nicht belastenden Schulden sowie bei nicht betrieblich veranlassten Schulden, wenn deren Bestand den durchschnittlichen Bestand der letzten drei Jahre überschreitet.
  • Die 10%- und 50%-Grenzen und werden neu gestaltet und erlangen eine neue Bedeutung:
     - Beträgt der Nettowert des Verwaltungsvermögens nicht mehr als 10% des Unternehmenswertes abzgl. Nettowert des Verwaltungsvermögens, gilt das gesamte begünstigungsfähige Vermögen als begünstigt.
    - Beträgt der Bruttowert des Verwaltungsvermögens mindestens 90% des Unternehmenswertes, gilt das gesamte begünstigungsfähige Vermögen als nicht begünstigt.
    - Ansonsten gilt das begünstigungsfähige Vermögen als begünstigt, soweit es den Nettowert des Verwaltungsvermögens übersteigt; das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ wird aufgegeben.
    - Junges Verwaltungsvermögen / junge Finanzmittel gelten stets als nicht begünstigt.
  • Für Finanzmittel wird der Freibetrag von 20% auf 15% des Unternehmenswertes reduziert.
  • Bei Erwerben von Todes wegen ist eine Reinvestitionsklausel vorgesehen: Wird Verwaltungsvermögen innerhalb der Zweijahresfrist nach Vorgaben Erblassers in begünstigtes Vermögen reinvestiert, entfällt rückwirkend die Zurechnung zum Verwaltungsvermögen.

3. Lohnsummenprüfung

  • Lohnsummenprüfung erst ab mehr als fünf (derzeit: ab mehr als 20) Beschäftigte.
  • Beschäftigte im Mutterschutz, Auszubildende, Langzeitkranke, Elterngeldbezieher und Saisonarbeiter zählen nicht mit.
  • Im Übrigen Ausgestaltung wie im Regierungsentwurf vom 08.07.2015

4. Bewertung

  • Im vereinfachten Ertragswertverfahren wird der Kapitalisierungsfaktor auf maximal 12,5 begrenzt.
  • Diese Änderung soll rückwirkend bereits zum 1.1.2016 in Kraft treten und damit alle in der ersten Jahreshälfte 2016 erfolgten Übertragungen betreffen (Risiko einer nachträglichen Erhöhung der VV-Quote!).

5. In-Kraft-Treten

  • Mit Ausnahme der Änderungen im Bewertungsgesetz ( 4.), sollen alle neuen Regelungen mit (Rück-)Wirkung zum 1.7.2016 in Kraft treten.

Fundstelle

BT-Drs. 18/8911: Beschlussempfehlung FA Bundestag zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (einschl. Synopse)

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