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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/erbschaftsteuer/fg-baden-wuerttemberg-verzicht-auf-mehrheitsstimmrecht-eines-gmbh-anteils.html
13.05.2013
Erbschaftsteuer

BFH: Keine freigebige Zuwendung bei Verzicht auf Mehrstimmrecht eines GmbH-Anteils

Verzichtet ein GmbH-Gesellschafter auf sein Mehrheitsstimmrecht, bewirkt er keine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter, da es an einer substantiellen Vermögensverschiebung fehlt. Dass bei rein wirtschaftlicher Betrachtung ein Werte-Transfer stattfindet, ist schenkungsteuerrechtlich unbeachtlich, da die wirtschaftliche Betrachtungsweise auf Verkehrsteuern nicht anwendbar ist.

Der BFH bestätigt die Auffassung des FG Baden-Württemberg, wonach der Verzichtet eines Gesellschafters einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht auch dann keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter der GmbH darstellt, wenn sich der Wert von deren Anteilen an der GmbH dadurch erhöht.
BFH, Urteil vom 30.01.2013, II R 38/11
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FG Baden-Württemberg:
Sachverhalt

Die Kläger sind Geschwister. Der Vater der Kläger (V) hielt 97 % der Anteile an einer GmbH. Seine Anteile waren mit einem Mehrheitsstimmrecht ausgestattet. Im Januar 1994 übertrug er jeweils 24 % der Anteile auf die Kläger. Für die Schenkungsteuer wurden die Anteile als Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung behandelt und entsprechend wurde der gemeine Wert um einen Abschlag von 10 % gekürzt. Am 06.12.2000 wurde der Gesellschaftsvertrag der GmbH neu gefasst. Die Neufassung enthielt keine Regelung mehr in Bezug auf ein Mehrstimmrecht des V. Im Jahr 2002 übertrug V seine restlichen Geschäftsanteile an der GmbH unentgeltlich auf die Kläger. Bei der Schenkungsteuer wurde berücksichtigt, dass die Anteile Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichen.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass durch die Neufassung des Gesellschaftsvertrages am 06.12.2000 eine schenkungsteuerbare Zuwendung des V an die Kläger bewirkt wurde. Auf die Kläger seien Stimmrechte übergegangen, die zuvor nicht vorhanden waren, so dass sich der Wert der Geschäftsanteile entsprechend erhöht habe.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Unrecht angenommen, dass der Verzicht des V auf sein Mehrheitsstimmrecht eine freigebige Zuwendung zugunsten der Kläger bewirkt.

Eine freigebige Zuwendung setzt nach der Rechtsprechung des BFH eine substantielle Vermögensverschiebung in der Weise voraus, dass das Vermögen des Zuwendenden in seiner Substanz vermindert und das Vermögen des Bedachten in seiner Substanz vermehrt wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die (bloße) Wertsteigerung eines im Vermögen bereits vorhandenen Gegenstands oder Rechts führt wegen fehlenden Zuflusses von (neuer bzw. zusätzlicher) Vermögenssubstanz schenkungsteuerrechtlich nicht zu einer objektiven Bereicherung. Das Erfordernis der substantiellen Vermögensverschiebung steht in Einklang mit der steuersystematischen Einordnung der Schenkungsteuer als Verkehrsteuer (so ausdrücklich BFH-Urteile vom 09.12.2009 und 07.11.2007).

Die Geschäftsanteile der Kläger haben zwar aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrages eine Wertsteigerung erfahren, denn der Wegfall des Mehrheitsstimmrechts des V führte dazu, dass die Geschäftsanteile der Kläger nunmehr einen größeren Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichten. Diese (mögliche) Werterhöhung beruhte im Streitfall jedoch nicht auf einer für den Tatbestand der freigebigen Zuwendung erforderlichen substantiellen Vermögensübertragung. Denn der Vermögensbestand des V hat sich durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht substantiell vermindert und der Vermögensbestand der Kläger hat sich nicht substantiell vermehrt. Sowohl V als auch die Kläger waren weiterhin mit derselben Quote an der GmbH beteiligt. Im Streitfall liegt auch keine (zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche) Übertragung von Stimmrechten vor. Die Änderung des Gesellschaftsvertrages berührte unmittelbar nur die im Geschäftsanteil des V verkörperte Mitgliedschaft des V und bewirkte eine Verringerung des Stimmgewichtes (Stimmkraft) der dem V entsprechend seinem Geschäftsanteil zustehenden Stimmen. Der Umstand, dass die Stimmrechte der Kläger aufgrund des Verzichtes des V auf sein bisheriges Mehrstimmrecht an Bedeutung gewannen und nunmehr (erstmals) die ihnen (eigentlich) zukommende Stimmkraft entfalten konnten, war nur eine reflexartige (indirekte) Folge des Verzichtes des V auf sein Mehrstimmrecht.

Die Beurteilung, dass die bloße Werterhöhung der Geschäftsanteile der Kläger den Tatbestand der freigebigen Zuwendung nicht erfüllt, steht ferner in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH zur Behandlung sog. disquotaler Einlagen (BFH-Urteil vom 09.12.2009). Der Umstand, dass bei (rein) wirtschaftlicher Betrachtung ein Werte-Transfer stattfand, kann eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Verkehrsteuer und die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalles anwendbar (BFH-Urteil vom 07.11.2007).

Betroffene Norm

§ 7 Abs. 1 ErbStG
Streitjahr 2000

Fundstellen

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.05.2011, 7 K 1475/09, EFG 2011, S. 2178 
BFH, Urteil vom 30.01.2013, II R 38/11

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.11.2007, II R 28/06, BStBl II 2008, S. 258
BFH, Urteil vom 09.12.2009, II R 28/08, BStBl II 2010, S. 566, siehe Deloitte Tax-News

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