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12.03.2015
Erbschaftsteuer

BFH: Gleiche ErbSt-Sätze für Steuerklassen II und III verfassungsgemäß

Der BFH hat die Entscheidung des FG Düsseldorf bestätigt, wonach die Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III im Jahr 2009 verfassungsrechtlich hinzunehmen ist. Dies gelte deshalb, weil das BVerfG mit Urteil vom 17.12.2014 entschieden habe, dass §§ 13a und 13b ErbStG jeweils i.V.m. § 19 ErbStG seit dem Inkrafttreten des ErbStRG zum 01.01.2009 auch in den seither geltenden Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar seien, das bisherige Recht aber bis zu einer Neuregelung, die der Gesetzgeber spätestens bis zum 30.06.2016 zu treffen habe, weiter anwendbar sei.
BFH, Urteil vom 20.01.2015, II R 9/11
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Finanzgericht Düsseldorf vom 12.01.2011:

Es verstößt weder gegen das allgemeine Gleichheitsgebot noch gegen den besonderen Schutz von Ehe und Familie, dass Erwerber der Steuerklasse II und III im Jahr 2009 den gleichen ErbSt-Sätzen unterliegen. Die durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wieder eingeführte Unterscheidung der Steuersätze erstreckt sich auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31.12.2009 entsteht. Die Anknüpfung an den Stichtag der Steuerentstehung ist als solche nicht willkürlich und entspricht dem Grundprinzip des Erbschaftsteuerrechts.

Sachverhalt

Der Kläger ist der Neffe des im Januar 2009 verstorbenen Erblassers. Das Finanzamt legte bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer den Steuersatz für Steuerklasse II zugrunde, der identisch war mit dem Steuersatz für Steuerklasse III (§ 19 Abs.1 ErbStG idF des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG) vom 24.12.2008). Der Kläger machte geltend, § 19 Abs. 1 des ErbStG idF ErbStRG sei verfassungswidrig, die Gleichstellung der Erwerber der Steuerklasse II mit Erwerbern der Steuerklasse III verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Nahe Familienangehörige des Erblassers, die der Steuerklasse II zuzuordnen seien, dürften nicht mit denselben Steuersätzen wie fremde Dritte mit Erbschaftsteuer belastet werden. Er sei zudem in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil der Gesetzgeber durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (vom 22.12.2009) die frühere Unterscheidung der Steuersätze zwischen Erwerbern der Steuerklasse II und III wieder hergestellt habe, ohne die neue Rechtslage auf Erwerbe zu erstrecken, für welche die Steuer im Jahr 2009 entstanden sei. Dies habe zur Folge, dass Steuerpflichtige je nach dem Zeitpunkt ihres Erwerbs unterschiedlich behandelt würden.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist der Steuerklasse II zuzuordnen (§ 15 Abs. 1 ErbStG) mit der Folge, dass auf den sich nach Abzug eines Freibetrags von 20.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) ergebenden steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 6 ErbStG) ein Steuersatz von 30 % zu erheben ist (§ 19 Abs. 1 ErbStG). Der Senat hat nicht die für eine Vorlage an das BVerfG erforderliche Überzeugung zu gewinnen vermocht, dass § 19 Abs. 1 ErbStG - soweit er den Kläger betrifft - verfassungswidrig ist.

Als Neffe des Erblassers ist der Kläger kein naher Verwandter und kann sich nicht auf den im Grundgesetz geregelten besonderen Schutz von Ehe und Familie berufen (Art. 6 Abs. 1 GG). Der Begriff der Familie umfasst die Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern, sodass der erbschaftsteuerliche Zugriff (nur) bei Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I derart zu mäßigen sei, dass jedem dieser Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn überkommene Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugutekomme (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995).

Es liegt hier auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Der Gesetzgeber des ErbStRG konnte davon ausgehen, dass bei Erwerbern der Steuerklassen II und III in der Regel keine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft und Hausgemeinschaft mit dem Erblasser oder Schenker besteht. Es liegt überwiegend allenfalls eine Begegnungsgemeinschaft vor, die einem geringeren verfassungsrechtlichen Schutz unterliegt. Der Kläger lebte mit dem Erblasser nicht in einer Lebens- und Hausgemeinschaft. Ob bei Bestehen einer Lebens- und Hausgemeinschaft zwischen dem Erblasser und dem Erwerber die vom Gesetzgeber getroffene typisierende Entscheidung die Grenzen des nach Art. 3 Abs. 1 GG noch Zulässigen überschreitet, kann im Streitfall dahinstehen.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Gesetzgeber des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes die wieder eingeführte Unterscheidung der Steuersätze zwischen Erwerbern der Steuerklasse II und III nicht auch auf Erwerbe erstreckt hat, für welche die Steuer noch im Jahr 2009 entstanden ist (§ 37 Abs. 1 ErbStG in der Fassung des Art. 6 Nr. 4 Buchst. a des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes). Die Anknüpfung an den Stichtag der Steuerentstehung ist als solche nicht willkürlich. Sie entspricht dem Grundprinzip des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts (§§ 9, 11, 12 Abs. 2, 3, 5 und 6 ErbStG). Der Senat hat die Revision zugelassen.

Betroffene Norm

§ 19 Abs.1 ErbStG idF des ErbStRG vom 24.12.2008, Art 3 Abs. 1 GG, Art 6 Abs. 1 GG
Streitjahr 2009

Anmerkung

BVerfG vom 17.12.2014
Das BVerfG hat durch Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, über die Vorlage dahingehend entschieden, dass §§ 13a und 13b ErbStG jeweils i.V.m. § 19 ErbStG seit dem Inkrafttreten des ErbStRG zum 01.01.2009 auch in den seither geltenden Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, das bisherige Recht aber bis zu einer Neuregelung, die der Gesetzgeber spätestens bis zum 30.06.2016 zu treffen hat, weiter anwendbar ist.

BVerfG-Vorlage: BFH-Beschluss vom 27.09.2012
Der BFH hat dem Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.09.2012, II R 9/11 die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 ErbStG in der im Jahr 2009 geltenden Fassung i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig ist.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20.01.2015, II R 9/11
Finanzgericht Düsseldorf
, Urteil vom 12.01.2011, 4 K 2574/10 Erb
Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, DStR 2015, S. 31, siehe Deloitte Tax-News
 

Weitere Fundstellen

Deloitte, ausführliche Informationen zum Erbschaftsteuerreformgesetz
BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, S. 165

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