Eine Erbengemeinschaft ist selbstständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts. Erlangt eine Erbengemeinschaft insgesamt mehr als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wird sie folglich nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerlich ebenso behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben.
Die Klägerin ist eine aus zwei Miterben bestehende ungeteilte Erbengemeinschaft. Diese hat im Zuge verschiedener gesellschaftsrechtlicher Vorgänge alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft erworben. Zunächst wurde eine in Höhe von 85 % bestehende Beteiligung wegen der Übernahme zusätzlicher Anteile im Zuge einer Kapitalerhöhung auf 97 % erhöht. Später erwarb die Klägerin auch die restlichen Anteile von 3 %. Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer wegen Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG habe zutreffend angenommen, dass die Klägerin als Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein kann.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH, Urteil vom 11.06.2013).
Die Erbengemeinschaft ist selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 13.11.1974). Dies gelte auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Es handele sich um einen Ergänzungstatbestand, der Vorgänge auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erfasst, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach dem Erwerb eines Grundstücks gleichstehen. Die Erbengemeinschaft sei als einheitlicher Rechtsträger anzusehen, wodurch nicht auf die einzelnen Erbteile der Miterben abzustellen sei, sondern vielmehr auf die Beteiligungshöhe der Erbengemeinschaft selbst.
Seien die Anteile an einer Gesellschaft allerdings bereits aufgrund eines vorausgegangen Rechtgeschäfts in einer Hand vereinigt, weil das nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erforderliche Quantum von 95 % erfüllt ist, unterliege der Erwerb der restlichen Anteile nicht zusätzlich der Besteuerung. Der Erwerb der restlichen Anteile führe dann lediglich zu einer Verstärkung der Beteiligung und erfülle nicht (nochmals) den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.
Im Streitfall sei der Tatbestand der Anteilsvereinigung daher mit Aufstockung der Beteiligung von 85 % auf 97 % erfüllt. Der nachfolgende Erwerb der restlichen 3 % erfülle nicht nochmals diesen Tatbestand.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
Streitjahr 2007
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2012, 7 K 3691/11 GE
BFH, Urteil vom 12.02.2014, II R 46/12
BFH, Urteil vom 11.06.2013, II R 52/12, BStBl II 2013, S. 752, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 13.11.1974, II R 26/74, BStBl II 1975, S. 249
www.deloitte-tax-news.de | Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.
This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice. |