Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft gegründet nach luxemburgischem Recht, hält als alleinige Kommanditistin 100% des Gesellschaftsvermögen der G-KG. Die Komplementärin der G-KG ist eine GmbH, welche keine Anteile am Gesellschaftsvermögen hält. Im Streitjahr erwarb die Klägerin 94% und die G-KG 6% der Anteile einer in Deutschland Grundbesitz gehörenden GL, ebenfalls eine Kapitalgesellschaft nach luxemburgischem Recht, durch privatschriftliche Anteilskaufverträge zu erwerben. Dieser Vorgang wurde dem Finanzamt angezeigt, welches bei dem Erwerb durch die Klägerin den Tatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt sah und gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer festsetzte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Der BFH folgt der Auffassung des FG und kommt zu dem Ergebnis, dass der Erwerbsvorgang als Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang darstellt.
Gesetzliche Grundlagen
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer – soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt – ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95% (aktuelle Fassung: 90 %) der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden.
Die Klägerin hat den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt, da dieser durch die Anteilskaufverträge 94 % der Anteile an der GL unmittelbar und die restlichen 6 % der Anteile mittelbar über ihre 100 %-ige Beteiligung an der G-KG zuzurechnen waren. Hierdurch wurden erstmals alle Anteile der grundbesitzenden GL in der Hand der Klägerin vereinigt.
Keine Berufung auf Vertrauensschutz möglich
Laut der Auffassung des BFH habe das FG zutreffend erkannt, dass sich die Klägerin in Bezug auf die Steuerfestsetzung nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen kann. Die rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils vom 27.09.2017 (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15) auf einen Anteilserwerb im Jahr 2012 verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes, da kein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen in die frühere Rechtslage bestehen konnte.
Demnach konnte die Klägerin, als sie den Vertrag über den unmittelbaren und mittelbaren Erwerb der Anteile an der GL abschloss, nicht auf die nach ihrer Ansicht zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage vertrauen, dass bei der Beurteilung, ob eine grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung, auf die gesamthänderische und nicht auf die kapitalmäßige Beteiligung an der zwischengeschalteten E-KG abgestellt wird.
Grunderwerbsteuerliche Anzeigepflicht auch bei bereits erfolgtem Rechtsvorgang nach Rechtsprechung
Die grunderwerbsteurrechtliche Anzeigepflicht besteht laut dem BFH unabhängig davon, ob und inwieweit die Beteiligten erkannt haben, dass der Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt bzw. wussten, dass insoweit eine Anzeigepflicht besteht. Die Anlaufhemmung einer Festsetzungs- oder Feststellungsfrist tritt deshalb unabhängig von subjektiven Merkmalen schon bei objektiver Anzeigepflichtverletzung ein (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15, Rz 39). Eine solche objektive Anzeigepflicht könne sich demnach auch ergeben, wenn durch die Rechtsprechung ein bereits erfolgter Erwerbsvorgang als steuerbar angesehen wird, bei dem der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Durchführung subjektiv davon ausging, dass er nicht steuerbar und deshalb auch keine Anzeige abzugeben sei. So käme es im Streitfall nicht darauf an, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Anteilskaufverträge und der sich anschließenden gesetzlichen Frist von zwei Wochen wusste, dass sie eine Anzeige zu erstatten hatte, die die Anzeigepflichten objektiver Natur seien.
Grunderwerbsteuer ist nicht aus Billigkeitsgründen zu erlassen
Das FG sei zurecht davon ausgegangen, dass das Ermessen des Finanzamts nicht auf Null reduziert war und keine andere Entscheidung als eine Billigkeitsfestsetzung auf 0 € hätte getroffen werden können. Wie das FG zutreffend ausgeführt hätte, entsprach die Grunderwerbsteuerfestsetzung der Gesetzeslage in § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Rechtsvorgangs im Jahr 2012. Dies hat der BFH im Urteil vom 27.09.2017 (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15) ausdrücklich erkannt. Nicht ausschlaggebend sei, ob das FG Münster in seinem Urteil vom 22.02.2011 (vgl. FG Münster-Urteil vom 22.02.2011, 8 K 3034/08 GrE) eine andere Auffassung vertrat.
Mit dem besprochenen Urteil bestätigt der BFH seine frühere Rechtsprechung. Zu einer mittelbaren Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschafft bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft hatte der BFH bereits entschieden, dass für eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend ist (BFH-Urteil vom 27.5.2020, II R 45/17, siehe Deloitte Tax-News. In der Folge sollte die Zwischenschaltung zu Zwecke der Verhinderung der grunderwerbsteuerpflichtigen Anteilsvereinigung („RETT-Blocker“) an Bedeutung verlieren.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F.
Streitjahr 2012
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 27.01.2022, 5 K 640/20, EFG 2022, S. 856
BFH, Urteil vom 28.02.2024, II R 7/22
BFH, Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15, BStBl. II 2018, S. 667
BFH, Urteil vom 2705.2020, II R 45/17, BStBl. II 2021, S. 315
FG Münster, Urteil vom 22.02.2011, 8 K 3034/08 GrE, EFG 2011, S. 1274
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