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27.02.2025
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Keine grunderwerbsteuerliche Konzernklausel bei Einbringung in eine kurz zuvor erworbene Vorrats-GmbH

Der der Grunderwerbsteuer unterliegende Wechsel im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kommanditgesellschaft aufgrund einer Einbringung der Anteile der Kommanditisten an dieser Gesellschaft in eine Vorrats-GmbH kann von der Grunderwerbsteuer befreit sein. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass der Einbringende im Zeitpunkt der Einbringung mehr als fünf Jahre zu mehr als 95 % an der Vorrats-GmbH beteiligt war. Auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist kann in diesem Fall im Unterschied zur Ausgliederung zur Neugründung nicht verzichtet werden.

BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 46/22
 

Sachverhalt

An einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG waren sieben natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt. Sie erwarben im Jahr 2013 jeweils als Alleingesellschafter eine eigene Vorrats-GmbH. In 2014 brachten sie ihren jeweiligen Kommanditanteil an der GmbH & Co. KG in die ihnen gehörige Vorrats-GmbH mit Wirkung zum 01.01.2014 zu Buchwerten ein und traten zeitgleich ihren Kommanditanteil an die jeweilige GmbH ab.

Das Finanzamt ging wegen der vollständigen Änderung im Gesellschafterbestand der GmbH & Co. KG von einem Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 2a GrEStG aus und setzte dementsprechend Grunderwerbsteuer fest. Das sah auch das FG so. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 6a GrEStG seien nicht erfüllt, da die gesetzlich vorgesehene fünfjährige Vorbehaltensfrist nicht eingehalten worden sei, weil alle GmbHs erst in 2013 erworben worden seien.

Entscheidung

Der BFH bestätigt die Entscheidung des FG, dass für die Einbringung aller Anteile an der GmbH & Co. KG in die sieben Vorrats-GmbHs die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG nicht greift, weil die nach § 6a S. 4 GrEStG einzuhaltende fünfjährige Vorbehaltensfrist nicht gewahrt wurde.

Gesetzliche Grundlagen

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren (aktuell: 10 Jahren) der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % (aktuell: 90 %) der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.

Nach § 6a S. 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, bei Einbringungen sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben.

Nach § 6a Satz 3 GrEStG gilt die Steuerbegünstigung nach § 6a S. 1 GrEStG nur, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Im Sinne von § 6a S. 3 GrEStG abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang (Nachbehaltensfrist) unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a S. 4 GrEStG).

Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG wurde erfüllt

Mit der Einbringung aller Kommanditanteile und der zeitgleichen Abtretung wurden die Vorrats-GmbHs neue Gesellschafter der GmbH & Co. KG. Der Gesellschafterbestand der GmbH & Co. KG hat sich folglich dahingehend geändert, dass 100 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergegangen sind.

Nicht entscheidungserheblich für den Gesellschafterwechsel bei der GmbH & Co. KG ist, dass Alleingesellschafter der Vorrats-GmbHs jeweils die Kommanditisten der GmbH & Co. KG waren. Für die Beurteilung, ob mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind, kommt es nur auf die Ebene der nach der Übertragung als neue Gesellschafter beteiligten Vorrats-GmbHs an.

Hinweis: Für die Beurteilung, ob gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Kommanditgesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen sind, kommt es nur auf die Ebene der nach der Übertragung als neue Gesellschafter beteiligten Vorrats-GmbHs an. Unerheblich ist hier daher, dass Alleingesellschafter der Vorrats-GmbHs jeweils die Kommanditisten der GmbH & Co. KG waren.

Ergebnis: Keine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG

Der Gesellschafterwechsel ist nicht nach § 6a GrEStG von der Steuer befreit. Die Voraussetzungen des § 6a S. 1 Alt. 2 GrEStG sind zwar erfüllt. Jedoch wurde die fünfjährige Vorbehaltensfrist im Sinne des § 6a S. 4 GrEStG nicht eingehalten. § 6a S. 4 GrEStG ist nach Ansicht des BFH nicht dahingehend auszulegen, dass die Vorbehaltensfrist im Fall der Einbringung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden Kommanditgesellschaft auf Vorrats-GmbHs nicht eingehalten werden muss.

Begründung

  • Vorrats-GmbHs sind keine abhängigen Gesellschaften
    Bei den Vorrats-GmbHs handelt es sich nicht um von den Alleingesellschaftern abhängige Gesellschaften im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG. Denn die fünfjährige Vorbehaltensfrist im Sinne des § 6a S. 4 GrEStG wurde nicht eingehalten, da die Kommanditisten in 2014 an den erst in 2013 erworbenen Vorrats-GmbHs noch nicht fünf Jahre beteiligt waren. Auf die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist kann nicht verzichtet werden, so der BFH.
  • Kommanditisten können herrschende Unternehmen sein
    Im Streitfall könnten die sieben Kommanditisten als Alleingesellschafter ihrer jeweiligen Vorrats-GmbH zwar grundsätzlich herrschende Unternehmen im Sinne des § 6a S. 3 GrEStG darstellen. Denn auch eine natürliche Person, die – wie die Kommanditisten über ihre Kommanditbeteiligung – wirtschaftlich tätig ist, kann herrschendes Unternehmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19 (II R 50/13)). Unerheblich ist auch, ob das herrschende Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen hält (vgl. BFH-Beschluss vom 30.05.2017, II R 62/14; gleicher Ansicht ist die Finanzverwaltung in den Ländererlassen zur Anwendung des § 6a GrEStG vom 25.05.2023, BStBl. I 2023, 995, Tz. 3.1).
  • Keine Beteiligung an Vorrats-GmbHs innerhalb von fünf Jahren vor Einbringung
    Jedoch scheitert die Anwendung des § 6a GrEStG auf den Streitfall daran, dass die Kommanditisten am Gesellschaftskapital der Vorrats-GmbHs unstreitig nicht innerhalb von fünf Jahren vor der in 2014 durchgeführten Einbringung beteiligt waren, da sie jeweils die Vorrats-GmbH erst in 2013 erworben hatten.
  • Kein Verzicht auf Einhaltung der Vorbehaltensfrist
    Auf die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist kann nach Ansicht des BFH im Streitfall – anders als bei einer Ausgliederung zur Neugründung – nicht verzichtet werden.
  • Andere Beurteilung bei Ausgliederung zur Neugründung
    Zwar hat der BFH mit Urteilen vom 21.08.2019, II R 16/19 (II R 36/14) und vom 25.09.2024, II R 2/22 entschieden, dass bei einer Ausgliederung zur Neugründung die in § 6a S. 4 GrEStG genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei einer Ausgliederung zur Neugründung kann die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Ausgliederung entsteht (BFH-Urteil vom 25.09.2024, II R 2/22; BFH-Beschluss vom 03.05.2023, II B 27/22; gleicher Ansicht ist die Finanzverwaltung in den Ländererlassen zur Anwendung des § 6a GrEStG vom 25.05.2023).
  • Vorrats-GmbHs haben bereits vor Einbringung bestanden
    Im Unterschied zur Ausgliederung zur Neugründung, wäre es im Streitfall möglich gewesen, die Vorrats-GmbHs schon früher zu erwerben, um die fünfjährige Vorbehaltensfrist vor der Einbringung einzuhalten.
  • Wirtschaftliche Neugründung ist irrelevant
    Für die grunderwerbsteuerrechtliche Anwendung des § 6a S. 4 GrEStG kommt es nicht auf die wirtschaftliche Neugründung an (hier: zivilrechtlich stellt das Ausstatten einer Vorrats-GmbH mit einem Unternehmen und die erstmalige Aufnahme des Geschäftsbetriebs seitens der ehemaligen Vorrats-Gesellschaft wirtschaftlich eine Neugründung dar). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Vorrats-GmbHs bereits vor der wirtschaftlichen Neugründung zivilrechtlich existent waren, am Rechtsverkehr teilnehmen und ihre Anteile erworben werden konnten.
  • Keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG
    In der unterschiedlichen Behandlung der Ausgliederung zur Neugründung und der Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf Vorrats-GmbHs hinsichtlich der Einhaltung der Vorbehaltensfrist liegt nach Ansicht des BFH auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.

Betroffene Norm

§ 6a GrEStG 

Streitjahr 2014

Anmerkung

Einordnung in die Rechtsprechung

Der BFH hat für Umwandlungsfälle bereits entschieden, dass bei der Aufspaltung zur Neugründung, der Abspaltung zur Neugründung und der Ausgliederung zur Neugründung die Einhaltung der Vorbehaltensfrist in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft rechtlich nicht möglich und daher entbehrlich ist (BFH-Urteile vom 21.08.2019, II R 19/19 (II R 63/14) und II R 21/19 (II R 56/15). Das sieht der BFH nun für eine kurz zuvor gegründete Vorrats-GmbH anders. Hier ist es grundsätzlich möglich, die Vorrats-GmbHs schon früher zu erwerben, um die fünfjährige Vorbehaltensfrist vor der Einbringung einzuhalten.

Vorinstanz

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.10.2022, 5 K 914/21, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 46/22

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, S. 329, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19 (II R 36/14), BStBl. II 2020, S. 333, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19 (II R 63/14), BStBl. II 2020, S. 337, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19 (II R 56/15), BStBl. II 2020, S. 344, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Beschluss vom 30.05.2017, II R 62/14, BStBl. II 2017, S. 916, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 25.09.2024, II R 2/22

BFH, Beschluss vom 03.05.2023, II B 27/22, BFH/NV 2024, S. 920, siehe Deloitte Tax-News 

Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG vom 25.05.2023, BStBl. I 2023, S. 995, siehe Deloitte Tax-News 

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