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10.01.2019
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs

Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so sind die Voraussetzungen für die Nichtfestsetzung von Grunderwerbsteuer, dann nicht gegeben, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat. Dies ist der Fall, wenn er durch seine Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag bestimmen kann, wer die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwerben darf. Der Anteilserwerb muss nicht zwingend grunderwerbsteuerbar sein.

Sachverhalt

Die A-GmbH war Mieterin eines Grundstücks, auf dem sie ein Gebäude errichtete. In 2013 erwarb eine niederländische Kapitalgesellschaft, die in einen Konzern eingebunden war, das Gebäude von der A-GmbH. Das Finanzamt setzte hierfür Grunderwerbsteuer fest. Noch im selben Jahr machte die NL-Kapitalgesellschaft von ihrem vertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch. Gleichzeitig veräußerten die Gesellschafter der A-GmbH ihre Anteile an zwei (zu 94% und 6%) im selben Konzern mit der NL-Kapitalgesellschaft verbundene Gesellschaften. Die gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG beantragte Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids lehnte das Finanzamt ab. Demgegenüber vertrat das FG die Ansicht, dass der Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben sei, da der Kaufvertrag über das Gebäude rückgängig gemacht worden sei und die ursprüngliche Erwerberin ihre Rechtsposition nicht im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu den Weiterveräußerungsfällen "verwertet" habe. Weder sei es zu einer Weiterveräußerung des Gebäudes gekommen noch sei der Verkauf der Anteile an der A-GmbH einer Weiterveräußerung des Gebäudes gleichzustellen.

Entscheidung

Das sieht der BFH anders und sieht die Voraussetzungen für eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als erfüllt an.

„Rückgängig gemacht“ i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei Weiterveräußerung des Grundstücks

Zur Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgang hat der BFH bislang mit Urteil vom 05.09.2013 (II R 9/12) die folgenden Grundsätze aufgestellt: Ein Erwerbsvorgang ist rückgängig gemacht, wenn sich die Vertragsparteien derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen lassen, dass die Möglichkeit, über das Grundstück zu verfügen, nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Bei gleichzeitiger Weiterveräußerung des Grundstücks ist entscheidend, ob dem ursprünglichen Erwerber die Möglichkeit der Verwertung seiner Rechtsposition aus dem rückgängig gemachten Erwerbsvorgang verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen war. Dies ist dann zu bejahen, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer einzigen Urkunde zusammengefasst sind. Da der Veräußerer aus seiner Übereignungsverpflichtung erst mit der Unterzeichnung des Vertrags und damit erst in dem Augenblick entlassen wird, in dem er bereits wieder hinsichtlich der Übereignung des Grundstücks an den Zweiterwerber gebunden ist, hat der ursprüngliche Erwerber die rechtliche Möglichkeit, eine von ihm ausgewählte dritte Person zum neuen Erwerber zu bestimmen. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber die ihm verbliebene Rechtsposition auch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.

Dieselben Grundsätze gelten auch bei Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft

Werden in derselben Urkunde die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags sowie die Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft auf den Ersterwerber oder an einen oder mehrere von ihm bestimmte Dritte vereinbart, liegt die schädliche Verwertung seiner Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag im eigenen wirtschaftlichen Interesse vor, wenn er sich oder einem oder mehreren Dritten einen maßgeblichen Einfluss auf die grundbesitzende Gesellschaft verschafft. In diesem Fall behält er – wirtschaftlich gesehen – den durch den ursprünglichen Kaufvertrag begründeten Zugriff auf das Grundstück. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Anteilserwerb nicht zu einem (weiteren) grunderwerbsteuerbaren Vorgang führt.

Im entschiedenen Fall hatte die ursprüngliche Erwerberin ihre Rechtsposition aus dem aufgelösten Kaufvertrag dahingehend verwertet, dass sie mit ihrer Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag den Erwerb von 100% der Anteile an der grundbesitzenden A-GmbH durch die mit ihr im Konzern verbundenen Gesellschaften sicherstellte. Ihr Interesse ging nicht allein dahin, sich vom Vertrag vollständig zu lösen. Sie wollte das Gebäude auf fremden Boden wirtschaftlich für ihre Muttergesellschaft sichern.

Betroffene Norm

§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG

Streitjahr: 2013

Anmerkungen

Der BFH überträgt seine Grundsätze, die er bereits zur Beurteilung der Rückgängigmachung von Grundstückskaufverträgen bei gleichzeitiger Weiterveräußerung des Grundstücks aufgestellt hat, auf den Fall, dass anstelle des Grundstücks die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft übertragen werden.

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 01.02.2013, 3 K 130/15, EFG 2016, S. 743

Fundstelle

BFH, Urteil vom 19.09.2018, II R 10/16, lt. BMF-Schreiben vom 10.04.2019 zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 05.09.2013, II R 9/12, BStBl II 2014, S. 588

 

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