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30.10.2015
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

FG Münster: Kein Anteilskaufpreis als niedrigerer Grundbesitzwert in Anwachsungsfällen

Wird im Falle des Verkaufs von Anteilen an einer rein grundbesitzhaltenden Personengesellschaft (Anwachsung) Grunderwerbsteuer ausgelöst, kann der gemeine Wert des Grundbesitzes nicht aus den vereinbarten Anteilskaufpreisen oder den Abfindungszahlungen abgeleitet werden. Die Bewertung eines unbebauten Grundstücks mit einem niedrigeren gemeinen Wert nach § 138 Abs. 4 BewG als dem um 20 % ermäßigten Bodenrichtwert kann nur durch ein Gutachten erfolgen.

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter einer GbR, welche Eigentümerin von Grundbesitz war. Im Streitjahr 2012 traten die beiden restlichen Gesellschafter sämtliche Geschäftsanteile an den Kläger ab. Die Abtretung erfolgte gegen Zahlung eines Abfindungsbetrags und der Kläger verpflichtete sich zur Freistellung der GbR von allen Verbindlichkeiten gegenüber einer Bank. Das Finanzamt sah in der Übertragung der Gesellschaftsanteile einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, für den als Bemessungsgrundlage ein Grundbesitzwert im Wege der gesonderten Feststellung zu ermitteln sei. In der vom Kläger zu diesem Zweck eingereichten Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts gab er den Bodenrichtwert an, beantragte jedoch den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts, welcher sich aus den gezahlten Abfindungen und der Schuldübernahme zusammensetzte. Das Finanzamt legte den Bodenrichtwert abzüglich des Abschlags von 20 Prozent nach § 145 Abs. 3 S. 1 BewG zugrunde. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt habe zu Recht eine Bewertung nach § 145 Abs. 3 BewG vorgenommen, wonach sich der Wert eines unbebauten Grundstücks regelmäßig nach seiner Fläche und dem um 20 Prozent ermäßigten Bodenrichtwert bestimmt.

Gem. § 138 Abs. 4 BewG ist ein niedrigerer Grundbesitzwert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit im Besteuerungszeitpunkt niedriger als der nach §§ 143, 145 bis 149 BewG ermittelte Wert ist. Der Nachweis könne durch die Vorlage eines Gutachtens des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder durch einen stichtagsnah erzielten Kaufpreis für das Grundstück geführt werden (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 11.09.2013).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers seien die erfolgten Abfindungszahlungen und übernommenen Verbindlichkeiten nicht als Kaufpreis im Sinne des § 138 Abs. 4 BewG für den streitgegenständlichen Grundbesitz anzusehen. Denn die Auflösungsvereinbarung erfolgte zur Beendigung der GbR mit der Folge, dass die Anteile am Gesellschaftsvermögen im Wege der Anwachsung gem. § 738 BGB auf den Kläger übergegangen seien. Es handele sich insoweit nicht um einen Grundstückskauf, der dem Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes dienen könnte. Dies gelte auch dann, wenn der Grundbesitz wie hier das alleinige Vermögen der Gesellschaft bilde. Denn der GbR-Anteil umfasse nicht allein das Sachvermögen, sondern auch die darüber hinaus gehenden Gesellschafterrechte und sei deshalb im Vergleich zu dem Grundbesitz ein anderer Erwerbsgegenstand.

Der gezahlte Kaufpreis für den GbR-Anteil sei deshalb grundsätzlich nicht geeignet, einen Verkehrswert für das Grundstück abzubilden. Ein niedrigerer Verkehrswert könne nur durch ein Gutachten zur Bewertung des Grundstücks erfolgen.

Das FG Münster hat im Streitfall die Revision zum BFH nicht zugelassen. Da jedoch das Urteil des FG Münster vom 12.02.2015, das zu der gleichen Problematik ergangen ist (siehe unter Anmerkung), bereits vor dem BFH anhängig ist, wird es eine höchstrichterliche Klärung der Streitfrage geben.

Betroffene Norm

§ 138 Abs. 4 BewG
Streitjahr 2012

Anmerkungen

FG Münster, Urteile vom 12.02.2015 und 10.09.2015
Das FG Münster hat in zwei weiteren Urteilen entschieden, dass in Anwachsungsfällen der gemeine Wert des Grundbesitzes für Grunderwerbsteuerzwecke nicht aus den vereinbarten Kaufpreisen oder den Abfindungszahlungen abgeleitet werden kann (vgl. FG Münster, Urteile vom 12.02.2015, 3 K 336/14 F, Vorinstanz zu II R 47/15 und 10.09.2015, 3 K 3308/13 F, Revision nicht zugelassen).

BFH-Urteil vom 25.04.2018, II R 47/15
Der BFH hat die Auffassung des FG Münster bestätigt und entschieden, dass die Ableitung des gemeinen Werts aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil für den Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts regelmäßig nicht ausreicht. Siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

FG Münster, Urteil vom 12.08.2015, 3 K 1531/14 F, Revision nicht zugelassen

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 25.04.2018, II R 47/15, siehe Deloitte Tax-News 
BFH, Urteil vom 11.09.2013, II R 62/11
FG Münster, Urteil vom 12.02.2015, 3 K 336/14 F, BFH-anhängig: II R 47/15
FG Münster, Urteil vom 10.09.2015, 3 K 3308/13 F, Revision nicht zugelassen

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