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27.07.2016
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

Grundsteuerreform: Stand des Gesetzgebungsverfahrens und erster Entwurf zur Neuregelung der Immobilienbewertung

Aktuell: Die Länder Hessen und Niedersachsen haben am 23.09.2016 die Gesetzesanträge zur Änderung des Grundgesetzes (BR-Drs. 514/16) sowie zur Änderung des Bewertungsgesetzes (BR-Drs. 515/16) im Bundesrat eingebracht. Die Gesetzesanträge wurden zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen.

Hintergrund

Im Auftrag der Finanzministerkonferenz (FMK) haben die Länder Hessen und Niedersachsen am 22.07.2016 eine Bundesratsinitiative zur Reform der Grundsteuer einschließlich eines Gesetzentwurfs zur Ermittlung und Feststellung der neuen Grundbesitzwerte vorgestellt.

Nach vielen Jahren der Diskussion und unter dem Eindruck einer bevorstehenden Rechtsprechung des BVerfG zur mutmaßlichen Verfassungswidrigkeit der geltenden Einheitsbewertung als Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer (siehe Deloitte Tax-News) hat die FMK eine Bundesratsinitiative zur Reform der Grundsteuer beschlossen.

Diese Reform verfolgt die Zielsetzung, die Grundsteuer als mit rd. 13 Mrd. € Jahresaufkommen „einzige quantitativ gewichtige Haushaltsposition (der Kommunen), über die autonom ein Haushaltsausgleich ohne weitere Neuverschuldung erreicht werden kann“, unbedingt zu erhalten und vor dem Hintergrund der anstehenden Entscheidung des BVerfG verfassungsgemäß auszugestalten.

Dabei verfolgt die FMK offenbar das Ziel, einem drohenden zeitweisen Ausfall der Grundsteuer zuvorzukommen, wenn das BVerfG einen zeitlich nur begrenzten Zeitraum bis zum Inkrafttreten eines neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts festlegen sollte; deswegen wurde vorsorglich ein Zeitplan für die Umsetzung der Reform entworfen, der aus Sicht der Finanzverwaltung noch umsetzbar erscheint und der dem BVerfG deutlich signalisiert, dass nun der jahrelangen Diskussion endlich Taten und gesetzgeberische Maßnahmen folgen.

Außerdem enthält der Entwurf eine Abkehr vom Verkehrswert als dem der Festsetzung der Grundsteuer zugrunde zu legenden Wert. Während die alte Einheitsbewertung noch auf den Verkehrswert abzielte und auch das BVerfG als Grundlage für eine steuerbezogene Immobilienbewertung grundsätzlich den Verkehrswert fordert, wird in dem nun vorliegenden Konzept ein sog. „ Kostenwert“ eingeführt, der im Vergleich mit dem Verkehrswert einer Immobilie wesentlich leichter und objektiviert und auch – zumindest nach den Vorstellungen der Autoren des Entwurfs – weitgehend automatisiert ermittelt und festgestellt werden kann. Würde das BVerfG in seiner Entscheidung die Ermittlung von am Verkehrswert orientierten Grundsteuerwerten fordern, wäre wohl die Durchsetzung einer alternativen Bewertungskonzeption verfassungsrechtlich risikobehaftet. Auch der Bundesfinanzhof hat ein eigenständiges Bewertungsverfahren für die Grundsteuer für vertretbar gehalten.

Geplanter Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens

Der vorliegende „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes“ befasst sich in einem ersten Schritt und in einem neuen „Siebenten Abschnitt“ des BewG „nur“ mit den verfahrensrechtlichen Grundlagen (im Kern: gesonderte Feststellungen) und mit dem materiellen Bewertungsrecht für „inländischen Grundbesitz“ („Betriebe der Land- und Forstwirtschaft“ und „Grundstücke“).

Außerdem wird in einem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 105)“ dem Bund im Hinblick auf aufgekommene Zweifel die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Grundsteuer und den Ländern die Kompetenz zur Bestimmung eigener, jeweils landesweit geltender Steuermesszahlen bei der Grundsteuer zugewiesen.

Nach Verabschiedung des neuen Bewertungsrechts sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auf den „Hauptfeststellungsstichtag“ 1.1.2022 die neuen „Grundsteuerwerte“ festzustellen. Nach Kenntnis der sich hieraus ergebenden Werte soll dann in einem weiteren Schritt das Grundsteuergesetz in der Weise modifiziert und fortentwickelt werden, dass durch neu geregelte Grundsteuermesszahlen und von den Kommunen festzusetzende Hebesätze die Zielsetzung einer weitgehend aufkommensneutralen Grundsteuerreform erreicht wird (wobei die Verfasser des Entwurfs bereits einräumen, dass die letzte Entscheidung über die Höhe der neuen Grundsteuer von den Kommunen durch Festsetzung der Hebesätze getroffen werden wird).

Es wird damit gerechnet, dass dieser zweite Gesetzgebungszeitraum wiederum 4-5 Jahre dauern wird, sodass die ersten Grundsteuerfestsetzungen auf Basis des neuen Rechts erst in etwa 10 Jahren zu erwarten sind. Dies bedeutet – wie dargelegt – jedoch nicht, dass die Unternehmen sich nicht zeitnah mit der Reform befassen müssten, denn das materielle Bewertungsrecht soll zeitnah verabschiedet werden, um Unternehmen und Verwaltung eine Umstellung auf das neue Bewertungsverfahren zu ermöglichen.

Für die Jahre ab 2022 bis zum Inkrafttreten der neuen Grundsteuerfestsetzungen etwa 5 Jahre später wird es – unvermeidbar – ein Nebeneinander der alten Einheitswerte und der auf den Stichtag 1.1.2022 festzustellenden - aber zumindest noch nicht für die Grundsteuer maßgeblichen – neuen Grundsteuerwerte geben.

Vorliegender Entwurf zum neuen Bewertungsrecht – Verfahrens- und materielles Bewertungsrecht

Bzgl. des Verfahrensrechts hält der vorliegende Entwurf weitgehend an dem bestehenden Konzept zur Feststellung der Einheitswerte fest. Vom Grundsatz her sollen die neuen Grundsteuerwerte alle 6 Jahre insgesamt neu festgestellt werden (Hauptfeststellung), wobei die erste auf den 1.1.2022 und die darauf folgende – insoweit als Besonderheit – erst auf den 1.1.2030 vorgesehen ist.

Außer diesen Hauptfeststellungen enthält der Entwurf das bekannte Konzept der Fortschreibungen (Wert-, Art-, Zurechnungs- oder Fehlerfortschreibung), der Nachfeststellung oder auch der Aufhebung der Grundsteuerwerte. Dabei sind den Fortschreibungen und Nachfeststellungen jeweils die Wertverhältnisse im vorangegangenen Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen.

Wesentlich Veränderungen ggü. dem geltenden Recht ergeben sich im Bereich der Erklärungen zur Feststellung von Grundsteuerwerten. Für die erste Hauptfeststellung per 1.1.2022 besteht für alle Eigentümer inländischer Immobilien eine Pflicht zur Abgabe einer Feststellungserklärung. Nachfolgende Hauptfeststellungen sollen nach den gegenwärtigen Vorstellungen der Autoren der Reform „automationsgestützt erfolgen“, sodass keine weiteren allgemeinen Erklärungen zu den Hauptfeststellungen erforderlich seien. Der Entwurf geht davon aus, dass „programmtechnische Verbindungen“ zwischen den Daten der Finanzverwaltung und den Daten anderer Behörden (insbesondere Katasterämter, Grundbuchämter) geschaffen werden können. Ferner müssen Erklärungen bei Aufforderung durch die Finanzbehörde abgegeben werden, etwa bei neu entstandenen wirtschaftlichen Einheiten.

Völlig neu ist indessen die Verpflichtung der Steuerpflichtigen, „bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die die Höhe des Grundsteuerwertes, die Vermögensart oder die Art der Grundstücksgruppe beeinflussen oder zu einer erstmaligen Feststellung führen können“, auf den Beginn des folgenden Kalenderjahres eine Erklärung abzugeben. Derartige Sachverhalte können sich im Zuge von An-, Um- oder Ausbauten, nach grundlegenden Modernisierungen oder Nutzungsänderungen ergeben (§ 214 Abs. 2 BewG-E). Eine wesentliche Beanstandung des geltenden Rechts bezog sich auf eben diesen Umstand, dass die in diesem Bereich an sich vorgesehen Meldungen von Baubehörden etc. an die Finanzbehörden nicht zuverlässig erfolgten, sodass der aktuelle Gebäudezustand und die aktuellen Gebäudenutzungen im festgestellten Einheitswert vielfach keine Berücksichtigung fanden.

Wie erwähnt verabschiedet sich der Entwurf explizit von dem Bewertungsziel „Verkehrswert“ und führt stattdessen – ermutigt durch eine Aussage im Vorlagebeschluss des BFH vom 22.10.2014 („Anders als bei der Erbschaftssteuer, bei der zur gleichmäßigen Erfassung der unterschiedlichen Vermögensarten eine durchgehend am gemeinen Wert orientierte Bewertung zwingend erforderlich ist, ist (...) bei der Grundsteuer dieses Bewertungsziel nicht von vornherein vorgegeben“) den neuen „Kostenwert“ (z.B. § 230 BewG-E) als Grundsteuerwert ein.

Bezogen auf die Grundstücksgruppen „unbebaute Grundstücke“, „bebaute Grundstücke“ mit der Differenzierung „Wohngrundstücke“ und „Nicht-Wohngrundstücke“ enthält der Entwurf folgende Grundregeln zur Bewertung:

  • Unbebaute Grundstücke: Bewertung nach der Fläche und den Bodenrichtwerten (§ 196 BauGB)
  • Bebaute Grundstücke: Bewertung mit der Summe aus Bodenwert und Gebäudewert, wobei die Gebäudewerte wie folgt zu ermitteln sind:

            Brutto-Grundfläche x Pauschalherstellungskosten
          - Alterswertminderung                                               
            Gebäudewert


„Die Brutto-Grundfläche (BGF) ist die Summe der bezogen auf die jeweilige Gebäudeart marktüblich nutzbaren Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks“.

Die Pauschalherstellungskosten ergeben sich aus einer neuen Anlage 36 zum BewG, in der in vereinfachender Anlehnung an die bestehende Anlage 24 zum BewG (Sachwertverfahren bei der Erbschaftsteuer) für verschiedene Gebäudearten „Pauschalherstellungskosten in € pro m2 BGF“, und zwar differenziert nach den Baujahr-Gruppen „vor 1995“, „1995 bis 2004“ und „ab 2005“, festgelegt sind. Diese Pauschalherstellungskosten sollen zum jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkt nach Maßgabe von Baupreisindex aktualisiert werden. Die Alterswertminderung ermittelt sich nach Maßgabe bereits existierender Gesamtnutzungsdauer-Tabellen (Anlage 22 zum BewG), wobei der nach Abzug der Alterswertminderung verbleibende Gebäudewert mit mindestens 30% des Gebäudepauschalherstellungswerts anzusetzen ist.

Besondere Vorschriften gibt es für Erbbaurechte und Gebäude auf fremdem Grund und Boden, bei denen der Gesamtwert von Gebäude und Grund und Boden dem Erbbauberechtigten bzw. dem wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäudes zuzurechnen ist.

Fundstelle

Bundesratsinitiative: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes 
Bundesratsinitiative: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 105)

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