Mit Schreiben vom 25.05.2023 haben die obersten Finanzbehörden der Länder ihren Erlass zur Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG überarbeitet. Die Änderungen beruhen insbesondere auf der Einarbeitung der jüngsten BFH-Rechtsprechung zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens sowie auf redaktionellen Anpassungen an die neue Rechtslage durch die Grunderwerbsteuerreform. Das Vorgängerschreiben vom 22.09.2020 wird ersetzt.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 (BGBl. I, S. 986, siehe Deloitte Tax-News) wurde neben der Änderung des § 1 Abs. 2a GrEStG sowie der Neueinfügung eines Absatzes 2b in § 1 GrEStG der Anwendungsbereich der Steuervergünstigung in § 6a GrEStG um den neuen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG mit Wirkung zum 01.07.2021 erweitert. Mit Schreiben vom 25.05.2023 haben die obersten Finanzbehörden der Länder daraufhin ihren Erlass zur Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG im Hinblick auf die neue Rechtslage überarbeitet. Neben redaktionellen Anpassungen wurden insbesondere die Beispiele im Erlass an die ab 01.07.2021 geltende Rechtslage angepasst.
Neben der Anpassung an die neue Rechtslage hat die Finanzverwaltung mit dem überarbeiteten Anwendungserlass auch auf die jüngste BFH-Rechtsprechung zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens reagiert. Mit Urteil vom 28.09.2022 (II R 13/20, siehe Deloitte Tax-News) kam der BFH zu dem Ergebnis, dass sich die Bestimmung des "herrschenden Unternehmens" und der "abhängigen Gesellschaft" i.S. des § 6a GrEStG nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang richtet, für den die Steuer nach § 6a S. 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist nach Ansicht des BFH dabei, ob bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Der BFH trat damit der einschränkenden Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. auch Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.09.2020, Tz. 3.1; Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 25.03.2021, Tz. 1.2) entgegen, nach der sich das herrschende Unternehmen i.S. des § 6a GrEStG als der oberste Rechtsträger definiert, der die Voraussetzungen des § 6a S. 4 GrEStG erfüllt und wirtschaftlich tätig ist. Im aktualisierten Schreiben vom 25.05.2023 schließt sich die Finanzverwaltung nun der jüngsten Rechtsprechung des BFH an.
Im Folgenden werden die grundlegenden Aussagen der Verwaltungsanweisung zusammengefasst und die Änderung gegenüber dem Vorgängerschreiben vom 22.09.2020 kursiv dargestellt.
Allgemeines
Die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG ist nicht grundstücksbezogen. § 6a GrEStG stellt nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19). Änderungen in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke in den Vor- und Nachbehaltensfristen sind somit unbeachtlich.
Begünstigungsfähige Erwerbsvorgänge
Begünstigt sind Umwandlungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 3 UmwG. Die Steuervergünstigung in § 6a GrEStG erfasst dabei u.a. die Fälle,
Es erfolgt keine Differenzierung, in welche Richtung, ob horizontal auf eine Schwestergesellschaft (Umwandlung in der Seitenlinie – sidestream-Merger) oder ob vertikal auf die Muttergesellschaft (Umwandlung von unten nach oben – upstream-Merger), eine Gesellschaft verschmolzen wird (BFH-Urteil vom 21.08.2020, II R 15/19). Auch die Umwandlung der Muttergesellschaft auf eine Tochtergesellschaft (Umwandlung von oben nach unten – downstream-Merger) wird begünstigt.
Darüber hinaus sind Umwandlungen i.S. des § 1 Abs. 2 UmwG begünstigt, wenn sie durch ein anderes Bundesgesetz oder ein Landesgesetz ausdrücklich vorgesehen sind. Die formwechselnde Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG) ist nicht begünstigt. In Fällen der Ausgliederung bzw. Aufnahme eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft ist die Steuervergünstigung in § 6a GrEStG nicht einschlägig.
Herrschendes Unternehmen
An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19). Hierfür ist erforderlich, dass mindestens eine am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft am Markt wirtschaftlich tätig ist. Das gilt auch für nicht selbst wirtschaftlich tätige Gesellschaften (z.B. Vorratsgesellschaften und reine Holdinggesellschaften).
Es ist nicht erforderlich, dass der an der Umwandlung als herrschendes Unternehmen beteiligte Rechtsträger ein Unternehmer i.S. des § 2 UStG ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19). Unerheblich ist auch, ob das herrschende Unternehmen die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen hält. Der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG sein (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19). Er ist über seine Beteiligung an der Gesellschaft wirtschaftlich tätig, sofern diese Gesellschaft selbst wirtschaftlich tätig ist.
Welches Unternehmen "herrschendes Unternehmen" und welche Gesellschaft "abhängige Gesellschaft" ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a S. 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Soweit das Gesetz von einem herrschenden Unternehmen spricht, ist zunächst – soweit vorhanden – das am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligte Unternehmen gemeint. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Ebenso wenig ist maßgebend, ob bei abhängigen Gesellschaften weitere Gesellschaften vom herrschenden Unternehmen abhängen, wenn diese Unternehmen oder Gesellschaften selbst nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind (vgl. BFH-Urteil vom 28.09.2022, II R 13/20).
Sind mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften am Umwandlungsvorgang beteiligt, ist ausgehend von dem Umwandlungsvorgang der in der Beteiligungskette am nächsten stehende (unterste) Rechtsträger, der die Voraussetzungen nach § 6a S. 3 und 4 GrEStG erfüllt, das herrschende Unternehmen. Auch hier ist unerheblich, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.
Das im Zeitpunkt der Verwirklichung des Rechtsvorgangs herrschende Unternehmen hat, soweit umwandlungsrechtlich möglich, die Mindestbeteiligungsquote innerhalb der Vor- und Nachbehaltensfristen (vgl. Tz. 3.2.2) ununterbrochen einzuhalten. Bei Gesamtrechtsnachfolge einer natürlichen Person hat der Gesamtrechtsnachfolger die Fristen einzuhalten. Sind mehrere Erben (auch Stiftungen) Rechtsnachfolger, haben diese die Fristen einzuhalten, soweit für die ungeteilte Erbengemeinschaft eine Rechtsnachfolge anzunehmen ist.
Im Fall eines (Voraus-)Vermächtnisses bzw. der vorweggenommenen Erbfolge handelt es sich um keine (Gesamt-)Rechtsnachfolge, sondern um einen schuldrechtlichen Anspruch. Ein Einhalten der Fristen im Sinne des § 6a GrEStG ist hier nicht möglich.
Fristen (§ 6a S. 4 GrEStG)
Die in § 6a S. 4 GrEStG genannten fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch rechtlich eingehalten werden können (vgl. BFH-Urteile vom 21.08.2019, II R 15/19, II R 16/19, II R 20/19, II R 21/19 sowie vom 22.08.2019, II R 17/19, II R 18/19).
Vorbehaltensfrist
Die Einhaltung der Vorbehaltensfrist ist in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft in den nachfolgenden Fällen rechtlich nicht möglich und daher entbehrlich:
Bei der Verschmelzung, Abspaltung und Ausgliederung zur Aufnahme einer von dem herrschenden Unternehmen abhängigen Gesellschaft auf eine andere abhängige Gesellschaft muss das herrschende Unternehmen fünf Jahre vor der Verschmelzung zu mind. 95 % am Kapital oder Gesellschaftsvermögen an beiden abhängigen Gesellschaften ununterbrochen beteiligt gewesen sein (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19).
Bei der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen muss das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor der Verschmelzung zu mind. 95 % am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der verschmolzenen abhängigen Gesellschaft ununterbrochen beteiligt gewesen sein (vgl. BFH-Urteile vom 21.08.2019, II R 15/19 und vom 22.08.2019, II R 17/19, II R 18/19).
Nachbehaltensfrist
Die Einhaltung der Nachbehaltensfrist ist in Bezug auf die übertragenden Rechtsträger in den nachfolgenden Fällen rechtlich nicht möglich und daher unbeachtlich:
In den Fällen, in denen zwei von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften an der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung beteiligt sind, muss die Nachbehaltensfrist in Bezug auf beide abhängige Gesellschaften gewahrt bleiben, d.h. das durch den Umwandlungsvorgang begründete Abhängigkeitsverhältnis zu mind. 95 % muss nach dem Vorgang mind. fünf Jahre bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19).
Anwendung
Dieser Erlass tritt an die Stelle der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.09.2020 und ist in allen offenen Fällen anzuwenden.
§ 6a GrEStG
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 25.05.2023
BFH, Urteil vom 28.09.2022, II R 13/20, BFH/NV 2023, S. 225, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteile vom 21.08.2019, II R 15/19, II R 16/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19 und vom 22.08.2019, II R 17/19, II R 18/19, siehe Deloitte Tax-News
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 22.09.2020, siehe Deloitte Tax-News
OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 25.03.2021, S 4518-2014/0006-St 255
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