Der Erlass zur gewerbesteuerlichen Behandlung von unmittelbaren und mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft (Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG) wurde aktualisiert. Der aktuelle Erlass ersetzt das Vorgängerschreiben vom 12.11.2018.
Ein weiterer Ländererlass befasst sich mit Anwendungsfragen zu der im Rahmen der Reform des Grunderwerbsteuersteuergesetzes eingeführten Neuregelung für Anteilseignerwechsel an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Zu Praxishinweisen zu beiden Erlassen siehe auch den Beitrag vom 12.07.2022 in den Deloitte Tax-News.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 (siehe Deloitte Tax-News) wurde § 1 Abs. 2a GrEStG insoweit geändert, als die Beteiligungsgrenze auf 90 % gesenkt und der Zeitraum auf zehn Jahre erweitert wurde.
Außerdem wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 (siehe Deloitte Tax-News) ein neuer Ergänzungstatbestand (§ 1 Abs. 2b GrEStG) in das Grunderwerbsteuergesetz eingefügt, aufgrund dessen der Anteilseignerwechsel in Höhe von mindestens 90 % im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft innerhalb von zehn Jahren besteuert wird. Die Vorschrift fingiert die Übereignung eines zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehörenden Grundstücks auf eine fiktiv „neue“ Kapitalgesellschaft. Zivilrechtlich liegt kein Rechtsträgerwechsel vor.
Die Änderungen sind für alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht werden.
Erlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG
In dem aktualisierten Erlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG wurde insbesondere die Herabsetzung der relevanten Beteiligungsquote von 95 % auf 90 % sowie der von fünf auf zehn Jahre verlängerte Betrachtungszeitraum berücksichtigt. Der Erlass vom 10.05.2022 tritt an die Stelle des Erlasses vom 12.11.2018 (siehe Deloitte Tax-News) und ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Rechtsvorgänge, die vor dem 01.07.2021 verwirklicht werden, gilt der geänderte Erlass mit der Maßgabe, dass die Beteiligungsgrenze von 95 % und ein Fünfjahreszeitraum anzuwenden ist.
Erlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG
Der neue Erlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG ist bezüglich Struktur und einiger Auslegungsfragen an den Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG angelehnt. Er ist für alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht werden. Folgende wesentliche Fragestellungen und Auslegungen werden in dem Erlass behandelt:
Kapitalgesellschaft
Von der Regelung erfasst werden auch ausländische Kapitalgesellschaften, deren rechtliche Struktur den inländischen Kapitalgesellschaften entspricht.
Vom Tatbestand erfasste Grundstücke
Zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören die Grundstücke, die ihr grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind – auf das zivilrechtliche Eigentum oder die bewertungsrechtliche Zurechnung kommt es nicht an.
Anteil am Kapital der Kapitalgesellschaft
Die Vorschrift des § 1 Abs. 2b GrEStG setzt unter anderem voraus, dass mindestens 90 % der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft übergehen. Anteile der Gesellschaft sind bei Kapitalgesellschaften die Beteiligungen am Gesellschaftskapital (Geschäftsanteile bei einer GmbH, Aktien bei einer AG). Auf die mit den einzelnen Anteilen verbundene Rechtsmacht kommt es nicht an.
Relevanter Gesellschafterwechsel
Ein relevanter Gesellschafterwechsel liegt vor, wenn es sich um einen Gesellschafterwechsel handelt, der durch einen Neugesellschafter ausgelöst wird, und sich dadurch das Verhältnis der Altgesellschafter zu den Neugesellschaftern zu Lasten der Altgesellschafter verändert.
Zu berücksichtigen sind unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel.
Ermittlung des Vomhundertsatzes
Für die Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG sind nur solche Anteilsübergänge zu berücksichtigen, die nach dem 30.06.2021 erfolgen. Zur Ermittlung des Vomhundertsatzes ist auf das Verhältnis der Beteiligung der Neugesellschafter zu der fortbestehenden Beteiligung von Altgesellschaftern nach dem Gesellschafterwechsel abzustellen. Maßgebend ist hierfür der Anteil des einzelnen Gesellschafters am Gesellschaftskapital nach dem Gesellschafterwechsel. Für die Höhe des Anteils kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Wirkung der schuldrechtlichen (gesellschaftsrechtlichen) Vereinbarungen an. Die Wirkung tritt frühestens mit dem Vertragsabschluss ein. Der Zeitpunkt der Leistung der Einlagen ist unerheblich.
Stockt ein Neugesellschafter seine Beteiligung durch den Erwerb weiterer Anteile am Gesellschaftskapital nach dem erstmaligen Erwerb des Gesellschaftsanteils auf, werden sowohl der erstmalige Erwerb als auch die Hinzuerwerbe bei der Berechnung der Quote berücksichtigt (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2017, II R 35/15).
Zehnjahreszeitraum
Sukzessive Übertragungen unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligungen am Kapital der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf Neugesellschafter innerhalb von zehn Jahren sind zusammenzurechnen. Der Zehnjahreszeitraum ist für jedes Grundstück im Vermögen der Kapitalgesellschaft selbständig zu beurteilen.
Verhältnis zu § 1 Abs. 2a GrEStG
§ 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG sind gleichrangig, es besteht also kein Vorrang.
Verhältnis zu § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG
§ 1 Abs. 2b GrEStG geht der Anwendung des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG grundsätzlich vor. Fallen jedoch die Zeitpunkte zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (Signing), das zu einer Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG führen kann, und dem Überg¬ang der An¬teile (Clo-sing), das grundsätzlich eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG auslöst, auseinander, können zwei Festsetzungen erfolgen. Die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG soll aufgehoben werden, wenn das Signing erfolgt und Grundstücksidentität vorliegt. Zudem soll eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG grundsätzlich nur geboten sein, wenn „bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu erwarten ist“.
Verhältnis zu weiteren Vorschriften des GrEStG
Der Erlass geht weiterhin auf das Verhältnis des §1 Abs. 2b GrEStG zu den Vorschriften des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG und des § 16 GrEStG ein.
Die Steuervergünstigungen nach §§ 5, 6 und 7 GrEStG sind auf Kapitalgesellschaften nicht anzuwenden.
Bemessungsgrundlage
Bemessungsgrundlage ist grundsätzlich der Grundbesitzwert im Sinne des § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG. Ausnahme: Beruht die Änderung des Gesellschafterbestandes auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks, ist als Bemessungsgrundlage auf den Grundbesitzwert zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes abzustellen. Der Plan muss nur die Bebauung eines Grundstücks, nicht auch die Änderung des Gesellschafterbestandes der Kapitalgesellschaft zum Gegenstand haben (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.2020, II R 12/18, BStBl. II 2021, S. 632).
Steuerschuldner und Bekanntgabe des Steuerbescheids
Steuerschuldner ist die grundbesitzende Kapitalgesellschaft (§ 13 Nr. 7 GrEStG), also nicht eine ggf. darüber geschaltete Kapitalgesellschaft.
Anzeigepflicht
Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 3b GrEStG sind von der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft alle Rechtsvorgänge anzuzeigen, die zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG geführt haben. Bei sukzessiver Änderung des Gesellschafterbestandes der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft sind bei der Anzeige die vorausgegangenen Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben, anzugeben.
§ 1 Abs. 2a GrEStG, § 1 Abs. 2b GrEStG
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 10.05.2022 (zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG)
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 10.05.2022 (zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG)
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 12.11.2018 (zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG), siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 17.05.2017, II R 35/15, BStBl. II 2017, S. 966, siehe https://www.deloitte-tax-news.de/steuern/grundsteuer-grunderwerbsteuer/bfh-aufstockung-einer-beteiligung-als-steuerbarer-und-anzeigepflichtiger-erwerb.html
BFH, Urteil vom 16.09.2020, II R 12/18, BStBl. II 2021, S. 632, siehe Deloitte Tax-News
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