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15.07.2016
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Anforderungen an zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen

Die beiden Umsatzsteuersenate des Bundesfinanzhofs haben mit zwei am selben Tag getroffenen Vorabentscheidungsersuchen den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung der Anforderungen gebeten, die im Umsatzsteuerrecht an eine ordnungsgemäße Rechnung zu stellen sind, damit der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Sachverhalt

Im Fall des V. Senats erwarb der Kläger, ein KFZ-Händler, von Z, der seinerseits Fahrzeuge im Online-handel vertrieb, PKWs. In den Rechnungen des Z war eine Anschrift angegeben, an der Z zwar Räumlichkeiten angemietet hatte, die aber nicht geeignet waren, um dort geschäftliche Aktivitäten zu entfalten. Soweit der XI. Senat in seinem Verfahren den EuGH anruft, ging es ebenfalls um einen KFZ-Händler, der von D Fahrzeuge erwarb. Unter der von D in ihren Rechnungen angegebenen Anschrift befand sich zwar ihr statuarischer Sitz; es handelte sich hierbei jedoch um einen "Briefkastensitz", unter der D lediglich postalisch erreichbar war und wo keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben.

Hintergrund

Beide Senate sehen es als klärungsbedürftig an, ob eine zum Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung die „vollständige Anschrift“ bereits dann enthält, wenn der leistende Unternehmer in der von ihm über die Leistung ausgestellten Rechnung eine Anschrift angibt, unter der er zwar postalisch zu erreichen ist, oder ob der Vorsteuerabzug die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet.

Die Vorlagen sind erforderlich geworden, weil das Urteil des EuGH vom 22.10.2015 (C-277/14) möglicherweise den Schluss zulässt, dass es für den Vorsteuerabzug nicht auf das Vorliegen aller formellen Rechnungsvoraussetzungen ankommt oder zumindest die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen keine Anschrift voraussetzt, unter der wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet wurden. Der V. Senat hat Zweifel, ob seine bisherige ständige Rechtsprechung, nach der die formellen Rechnungsvoraussetzungen die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet, mit dieser Rechtsprechung des EuGH in Einklang steht. Nach Ansicht des XI. Senats des BFH ist nach der Entscheidung des EuGH im Hinblick auf das Vorsteuerabzugsrecht des Leistungsempfängers möglicherweise nicht entscheidend, ob unter der in der Rechnung angegebenen Adresse i.S. von Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG eine wirtschaftliche Tätigkeit des Leistenden ausgeübt wird.

Fehlen formelle Rechnungsvoraussetzungen, kann nach der Rechtsprechung des BFH der Vorsteuerabzug unter bestimmten Voraussetzungen in einem gesonderten Billigkeitsverfahren aus Vertrauensschutzgesichtspunkten gewährt werden. Beide Senate haben den EuGH in ihren Vorabentscheidungsersuchen insoweit um Klärung der Voraussetzungen für effektiven Vertrauensschutz gebeten.

Vorlagefragen des 5. Senats

Der 5. Senat hat dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Setzt Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraus, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet?

2. Für den Fall, dass Frage 1. zu verneinen ist:

a) Reicht für die Angabe der Anschrift nach Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL eine Briefkastenadresse?

b) Welche Anschrift ist von einem Steuerpflichtigen, der ein Unternehmen (z.B. des Internethandels) betreibt, das über kein Geschäftslokal verfügt, in der Rechnung anzugeben?

3. Ist für den Fall, dass die formellen Rechnungsanforderungen des Art. 226 MwStSystRL nicht erfüllt sind, der Vorsteuerabzug bereits immer dann zu gewähren, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt oder der Steuerpflichtige die Einbeziehung in einen Betrug weder kannte noch kennen konnte oder setzt der Vertrauensschutzgrundsatz in diesem Fall voraus, dass der Steuerpflichtige alles getan hat, was von ihm zumutbarer Weise verlangt werden kann, um die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überprüfen?

Vorlagefragen des 11. Senats

Der 11. Senat hat dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Enthält eine zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a MwStSystRL erforderliche Rechnung die „vollständige Anschrift“ i.S. von Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL, wenn der leistende Unternehmer in der von ihm über die Leistung ausgestellten Rechnung eine Anschrift angibt, unter der er zwar postalisch zu erreichen ist, wo er jedoch keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt?
  2. Steht Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a MwStSystRL unter Beachtung des Effektivitätsgebots einer nationalen Praxis entgegen, die einen guten Glauben des Leistungsempfängers an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nur außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens berücksichtigt? Ist Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a MwStSystRL insoweit berufbar?

Fundstellen

BFH, Beschluss v. 06.04.2016 – V R 25/15

BFH, Beschluss v. 06.04.2016 – XI R 20/14

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