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23.11.2022
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Betrieb von Geldspielautomaten weiterhin umsatzsteuerpflichtig

Begründet die nach Einführung der §§ 36 ff. RennwLottG bestehende Rechtslage eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zulasten der Anbieter des ortsgebundenen Glückspiels?

Hintergrund

Die Besteuerung von Umsätzen aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit ist seit Jahrzehnten immer wieder Gegenstand streitiger Verfahren (u.a. BFH, Urt. v.11.12.2019, XI R 13/18, BStBl. II 2020, 296, m.w.N.). Während der EuGH die Unionsrechtskonformität der Steuerbarkeit von Glückspielumsätzen bestätigt hat (EuGH, Urt. v. 05.05.1994, C-38/93, Glawe; EuGH, Urt. v. 11.06.1998, C-283/95, Fischer; EuGH, Urt. v. 12.05.2005, C-452/03, RAL), bleibt die Reichweite der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 UStG nach der Neufassung zum 6. Mai 2006 durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl. I 2006, 1095) umstritten.

Umsätze aus Automatenspielen mit Gewinnmöglichkeit sind steuerbar. Der Aufsteller bzw. Veranstalter räumt dem Spieler gegen den Spieleinsatz eine Gewinnchance ein und erbringt damit eine sonstige Leistung gegen Entgelt (Abschn. 1.1 Abs. 25 UStAE). Für die Beurteilung der Steuerbarkeit wird nicht zwischen realen oder virtuellen Spielformen differenziert. Es ist unbeachtlich, ob der Spieler Spielautomaten bedient oder am virtuellen Glückspiel teilnimmt. Seit dem 1. Juli 2021 werden das virtuelle und das ortsgebundene Automatenspiel allerdings unterschiedlich besteuert. Das terrestrische Automatenspiel ist weiterhin umsatzsteuerpflichtig. Hingegen unterliegt das virtuelle Automatenspiel der virtuellen Automatensteuer nach §§ 36 ff. RennwLottG (Deloitte Tax News). Folglich fallen virtuelle Automatenspiele in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG. Ob die mit Wirkung zum 1. Juli 2021 durch Einführung der §§ 36 ff. RennwLottG geschaffene Rechtslage gleichheits- und neutralitätswidrig ist, war bislang höchstrichterlich nicht entschieden.

Sachverhalt

Eine Spielhallenbetreiberin wandte sich im Eilverfahren gegen eine Umsatzsteuervorauszahlung, da sie der Ansicht war, dass ihre Glücksspielumsätze nach Art. 135 MwStSystRL steuerfrei seien. Sie rügte die Verletzung des Gleichheits- und Neutralitätsgrundsatzes. Bei virtuellen Automatenspielen und terrestrischen Glückspielangeboten handele es sich um gleichartige Glücksspielformen. Eine unmittelbare Berufung auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sei zulässig. Das FG Münster teilte die Rechtsauffassung der Antragstellerin und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung von der Vollziehung aus. Das Finanzamt legte Beschwerde ein.

Entscheidung des BFH

An der Umsatzsteuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit bestehen auch nach Einführung der virtuellen Automatensteuer keine ernstlichen Zweifel. 

Betroffene Normen

​§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG; §§ 36 ff. RennwLottG

Anmerkung

Nach der Legaldefinition gem. § 36 Satz 1 RennwLottG sind virtuelle Automatenspiele im Internet angebotene Nachbildungen terrestrischer Automatenspiele. Eine Nachbildung ist aber nicht zwingend gleichartig.

Prüfungsmaßstab ist nach dem BFH, ob das Ziel der möglichst realitätsnahen, virtuellen Simulation des terrestrischen Spielerlebnisses derart verwirklicht worden ist, dass eine Gleichartigkeit anzunehmen ist. Unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung, wonach Unterschiede im rechtlichen Rahmen aus der Sicht des Verbrauchers zu einer Unterscheidbarkeit führen können (EuGH, EuGH, Urt. v. 27.02.2014, C-454/12 und C-455/12, Pro Med Logistik und Pongratz, Rz. 59), geht der BFH davon aus, dass es für die Gleichartigkeit auf die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Glückspielangebote ankommt. Für die Beurteilung sind nach dem BFH überdies die geltenden Vorschriften für Einsatz, Gewinn und Verlust, die Ausschüttungsquoten, der Spielerkreis, die Verfügbarkeit, die Interaktionsmöglichkeiten, das Spielerlebnis, das Spielsuchtrisiko sowie die Art und Weise der Auszahlung des Gewinns maßgeblich. Entgegen der Sichtweise des FG verneint der BFH nach summarischer Prüfung unter Zugrundlegung dieser Differenzierungsmerkmale die Gleichartigkeit des terrestrischen und virtuellen Automatenspiels.

Selbst bei unterstellter Vergleichbarkeit ist die Ungleichbehandlung nach dem BFH gerechtfertigt. Die Differenzierungskriterien sind danach sachgerecht. Im Unterschied zu ortsgebundenen Umsätzen werden auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen zwingend am Ort des Leistungsempfängers besteuert. Ist der Leistungserbringer nicht im Inland ansässig sind, gilt für elektronisch erbrachte Leistungen zudem das Besteuerungsverfahren nach §§ 18i oder 18j UStG.

Der BFH hat die Rechtslage lediglich vorläufig im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beurteilt. Der Ausgang des Hauptsachverfahrens bleibt abzuwarten.

Vorinstanz

​FG Münster, Beschluss vom 27.12.2021, 5 V 2705/21 U

Fundstelle

​BFH, Beschluss vom 26.09.2022, XI B 9/22 (AdV)

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