Die Verpflichtung des Unternehmers, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß. Die Belange der Steuerpflichtigen werden durch die Härtefallregelung in ausreichendem Maße berücksichtigt. Das hohe Alter und mangelnde Computererfahrung lediglich einzelner Geschäftsführer begründet keine persönliche Unzumutbarkeit.
Die Klägerin und Revisionsklägerin, eine GmbH & Co. KG, beantragte beim Finanzamt, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab 2005 weiterhin in Papierform abzugeben. Sie sei aus technischer Sicht (fehlender Internetzugang) und aus persönlichen Gründen (Alter) nicht in der Lage, der Vorschrift zu entsprechen. Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin sind die Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D. Den Antrag lehnte das Finanzamt ab. Einspruchs- und Klageverfahren blieben ohne Erfolg.
Die Klägerin ist vom Finanzamt neu zu bescheiden, da es sein Ermessen im ersten Durchgang fehlerhaft ausgeübt hatte.
Die Verpflichtung, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln, war zum 01.01.2005 eingeführt worden (§ 18 Abs. 1 S. 1 UStG a.F.). Das Finanzamt konnte auf Antrag zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. § 18 Abs. 1 UStG wurde mit Wirkung vom 01.01.2009 durch das Steuerbürokratieabbaugesetz neu gefasst. Zeitgleich wurde § 150 Abs. 8 AO eingeführt, der bestimmt, dass die Finanzbehörde auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.
Bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts kommt es grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage an (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21.07.1992 und 02.06.2005). Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch zu Recht unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ab dem 01.01.2009) geltenden Regelungen des § 18 Abs. 1 UStG und des § 150 Abs. 8 AO beurteilt.
Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung dient verfassungsrechtlich legitimen Zielen. Sie bietet der Finanzverwaltung den großen Vorteil, die vom Steuerpflichtigen bzw. von dessen Berater bereits erfassten elektronischen Daten unmittelbar weiterverarbeiten zu können. Neben der Verwaltungsvereinfachung und der administrativen Kostenersparnis verbessert die elektronische Übermittlung die Überprüfungsmöglichkeiten von Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch die Finanzverwaltung und beschleunigt die Auswertung. Durch die sog. Härtefallregelung hat der Gesetzgeber die Frage der Zumutbarkeit berücksichtigt (§ 18 Abs. 1 S. 2 UStG). Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und wahrt insbesondere die Verhältnismäßigkeit.
Ein Anspruch der Klägerin, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, ergibt sich auch nicht aus § 150 Abs. 8 AO. Die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch DFÜ (Datenfernübertragung) ist der Klägerin wirtschaftlich und persönlich zumutbar (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO). Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit ist gegeben, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine DFÜ nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre (vgl. § 150 Abs. 8 S. 2 Alternative 1 AO). Davon kann im Streitfall schon angesichts der von der Klägerin erwirtschafteten Gewinne nicht ausgegangen werden. Allein das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung der Voranmeldungen erforderlichen Technik begründet keinen Anspruch auf Befreiung von der Abgabe von Voranmeldungen in elektronischer Form. Persönliche Unzumutbarkeit ist zwar gegeben, wenn der Steuerpflichtige über keinerlei Medienkompetenz verfügt und z.B. aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden kann. Die Klägerin wird durch die Komplementär-GmbH und diese durch ihre vier Geschäftsführer A, B, C und D vertreten. Zu Recht weist das FG darauf hin, dass Alter und mangelnde Computererfahrung lediglich einzelner von mehreren Geschäftsführern grundsätzlich nicht geeignet sind, einen Anspruch auf Befreiung zu begründen. Jeder der vier Geschäftsführer hat auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die der GmbH auferlegt sind (vgl. BFH-Urteile vom 26.04.1984 und 23.06.1998).
Da eine wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit nicht vorliegt, verbleibt es bei dem Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts über diesen Antrag. Das Finanzamt hat den Antrag der Klägerin erst auf der Grundlage der mittlerweile außer Kraft getretenen Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. und des im Dezember 2004 von der Klägerin dargestellten mittlerweile jedenfalls teilweise überholten Sachverhalts beurteilen können.
§ 18 Abs. 1 UStG, § 150 Abs. 8 AO
Streitjahre 2005 bis 2008
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 20.10.2009, 5 K 149/05, EFG 2010, S. 277
BFH, Urteil vom 14.03.2012, XI R 33/09, BStBl II 2012, S. 477
BFH, Urteil vom 21.07.1992, VII R 28/91, BFH/NV 1993, S. 440
BFH, Urteil vom 02.06.2005, III R 66/04, BStBl II 2006, S. 184
BFH, Urteil vom 26.04.1984, V R 128/79, BStBl II 1984, S. 776
BFH, Urteil vom 23.06.1998, VII R 4/98, BStBl II 1998, S. 761
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