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05.04.2017
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Grundsatzurteil zur Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft in der Insolvenz bei Eigenverwaltung

 Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft. Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft. Auch die Anordnung der Eigenverwaltung in diesen Verfahren ändert daran nichts.

Sachverhalt

 Die Klägerin, eine GmbH, war Organträgerin von sechs Organgesellschaften. Sie stellte für sich und ihre Tochtergesellschaften Insolvenzantrag und beantragte die Eigenverwaltung. Das zuständige Amtsgericht bestellte einen vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Klägerin berechtigt ist, unter Aufsicht des vorläufigen Sachverwalters, ihr Vermögen weiter zu verwalten und darüber zu verfügen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin und der Tochtergesellschaften ordnete das Insolvenzgericht Eigenverwaltung an und bestellte denselben Sachwalter. In der Annahme, die Organschaft bestehe fort, fasste das Finanzamt für die Klägerin und deren Tochtergesellschaften die gesondert abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen zusammen und erließ einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid gegenüber der Klägerin. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

 Der BFH hat entschieden, dass die umsatzsteuerliche Organschaft auch bei Eigenverwaltung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Vermögensmassen des Organträgers und der Organgesellschaft endet.

Wird über das Vermögen des Organträgers das Insolvenzverfahren eröffnet, so endet die umsatzsteuerliche Organschaft aufgrund der zu beachtenden insolvenzrechtlichen Besonderheiten. Anders als das Umsatzsteuerrecht im Falle einer Organschaft, fasst das Insolvenzrecht die Verfahren mehrerer Personen nicht zusammen. Sowohl hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen insolvenzrechtlich selbständig. Die Insolvenz eines herrschenden Unternehmens erstreckt sich daher nur auf dessen Vermögen, nicht dagegen auf das Vermögen seiner Tochtergesellschaften. Aus der insolvenzrechtlichen Trennung folgt, dass nur die eigene Umsatztätigkeit und der entsprechende Anspruch des Organträgers zu Masseverbindlichkeiten führen. Der Umsatzsteueranspruch aus der Umsatztätigkeit der Organgesellschaft richtet sich allein gegen diese. Die Anordnung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren des Organträgers ist insoweit ohne Bedeutung. Denn sie ändert nichts an der auch umsatzsteuerrechtlich zu beachtenden insolvenzrechtlichen Verfahrenstrennung.

Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft, da zu diesem Zeitpunkt die finanzielle Eingliederung in den Organträger entfällt. Der Organträger kann nicht mehr als Steuereinnehmer der Organgesellschaft tätig werden, da nunmehr der Insolvenzverwalter und nicht mehr der Organträger Zugriff auf das Vermögen der Organgesellschaft hat. Daran ändert auch die Anordnung der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff InsO nichts. Vielmehr entzieht § 276a InsO der für die Organschaft erforderlichen finanziellen Eingliederung die Grundlage. Denn die Überwachungsorgane haben bei der Eigenverwaltung keine weiter gehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung als im Falle der Fremdverwaltung durch den Insolvenzverwalter. Die Anwendung von § 276a Satz 1 InsO ist darüber hinaus unabhängig von der Personenidentität des Sachwalters.

Anmerkung

 Mit seiner Entscheidung legt der BFH die Grundsätze zur Behandlung bzw. zur Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft in der Insolvenz nach der Insolvenzordnung dar (vgl. Insolvenzrechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft u.a. BFH vom 19.02.2014, V B 14/14; BFH vom 08.08.2013, V R 18/13; BFH vom 24.08.2016 V R 36/15; zur Problematik der Zuordnung der Umsatzsteuer zu Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit vgl. insbesondere BFH vom 06.10.2005, VII B 309/04; BFH vom 05.10.2004, VII R 74/04; BFH vom 01.04.2008, X B 201/07; im Gegensatz dazu BFH vom 29.01.2009, V R 64/07 und vom 13.11.1986, V R 59/79). Diese Grundsätze gelten unverändert auch bei der gerichtlichen Anordnung von Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO. Offen geblieben ist hingegen, ob die aufgeführten Grundsätze auch im Rahmen eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens gelten, da der BFH hierzu keine Stellung beziehen musste.

In seiner Entscheidung wendet sich der BFH ausdrücklich gegen die noch im Urteil vom 28.01.1999, VR 32/98 dargelegte Ansicht zur damals geltenden Konkursordnung, indem er ausführt, dass gerade nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass eine Organschaft trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Organträger und Organgesellschaft fortbestehen kann. Durch das jetzt veröffentlichte Urteil muss auch die Finanzverwaltung ihre Ansicht korrigieren (vgl. OFD Hannover vom 06.08.2007, S 7105-49-StO-172 sowie OFD Frankfurt am Main vom 11.03.2013, S7105 A – 21 – St 110). Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Organträgers eröffnet wird und in denen, im Fall der Insolvenz des Organträgers und der Organgesellschaft, für beide gerichtlich derselbe Insolvenzverwalter bestellt wird.

Betroffene Norm

 § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; Art. 11 MwStSystRL; §§ 270 ff. InsO

Vorinstanz

 FG Hessen, Urteil vom 15.02.2016, 6 K 2013/12

Fundstelle

 BFH, Urteil vom 15.12.2016, V R 14/16

Weiterführende Literatur

 Krise und Insolvenz, Crezelius, NZI 2016,440;
Die Auswirkungen der Insolvenz auf den Fortbestand von Organschaft und Konzern, Beck, MwStR 2014, 359;
Insolvenz und Umsatzsteuer, Wäger, DStR 2011, 1925

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