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18.11.2011
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Kein Abzug des Eigenverbrauchs für die Bestimmung der Nennleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein Blockheizkraftwerk (BHKW) in Form einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK-Anlage). Der in der KWK-Anlage erzeugte Strom wird in das Stromnetz der Klägerin eingespeist und in räumlichem Zusammenhang zu der KWK-Anlage an Letztverbraucher geliefert. In der vom Hersteller der Anlage ausgestellten „Errichterbestätigung“ über die Parameter der Anlage betrug die Brutto-Stromerzeugung der Anlage 2.020 kW. Unter Abzug von Transformatorenverlusten i.H.v. 15 kW sowie eines Eigenbedarfs für Zu- und Abluftventilator sowie Schmieröl und Kühlwasserpumpen von 53 kW ergab sich eine Nennleistung des BHKW i.H.v. 1.952 KW (1,952 MW). Zudem hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle der Klägerin mit Zulassungsbescheid vom 22.06.2005 bestätigt, dass es sich um eine sog. „kleine KWK-Anlage mit einer Leistung von 1,975 Megawatt handelte“.

Zwischen den Parteien war nunmehr streitig, ob es sich bei der von der Klägerin betriebenen Anlage um eine Anlage mit einer Nennleistung von unter 2 MW i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG handelt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die von der Klägerin betriebene Anlage als eine Anlage mit einer Nennleistung von über 2 MW eingestuft. Für die Klägerin bestehe daher für das Streitjahr kein Anspruch auf eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist Strom von der Steuer befreit, wenn er in Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu 2 MW erzeugt und in räumlichem Zusammenhang zu dieser Anlage entnommen und vom demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, geleistet wird. Der Gesetzgeber begünstigt daher nur verhältnismäßige kleine Anlagen, die die definierte Leistungsgrenze von 2 MW nicht überschreiten.

Die Definition der Nennleistung war streitig. Die Klägerin war der Auffassung, bei der Definition des Begriffs der Nennleistung seien die Bestimmungen des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und die hierzu veröffentlichten Kommentierungen heranzuziehen. Die Nennleistung einer Anlage könne sich grundsätzlich aus den Herstellungsunterlagen ergeben und sich sowohl auf die Brutto- als auch auf die Nettoleistung beziehen.

Diesem Argument der Klägerin hat der BFH eine klare Absage erteilt. Obschon dem Stromsteuergesetz und auch der Stromsteuer-Durchführungsverordnung weder eine eigenständige Definition der „Nennleistung“ noch eine Verweisung auf Rechtsvorschriften außerhalb des Stromsteuerrechts zu entnehmen ist, lassen sich aus dem KWKG keine verbindlichen Vorgaben für die Auslegung des Begriffs der Nennleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG entnehmen. Die ergebe sich bereits schon deshalb, da die Stromsteuerbefreiung für Kleinanlagen im Zeitpunkt der Verabschiedung des KWKG bereits bestanden habe. Daher könne eine Bezugnahme des Stromsteuergesetzes auf die Bestimmung des KWKG dem Willen des Gesetzgebers nicht entnommen werden. Auch aus der gesetzlichen Bestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG lasse sich nicht entnehmen, dass die Erklärung des Herstellers der Stromerzeugungsanlage (sog. Errichterbestätigung) eine Bindungswirkung entfalte.

Vielmehr obliege es dem Anlagenbetreiber, das Unterschreiten der Nenngröße als Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung der vom Anlagenbetreiber begehrten Steuerbegünstigung durch geeignete Unterlagen über die Höhe der Nennleistung nachzuweisen. Angaben über die Nennleistung ergeben sich regelmäßig aus den Anlagendatenblättern oder auf Typenschildern. Derartige Angabe können nur dann anerkannt werden, wenn sie die tatsächlich abgebbare Dauerleistung erfasst. Diese beinhaltet auch die von der Anlage abgegebenen jedoch für den Eigenbedarf des Betreibers verwendeten Strommengen. Eine Herstellerbescheinigung mit einem von dieser Bedeutung abweichenden Begriff der Nennleistung, z.B. unter Abzug des Eigenbedarfs, ist für den Begriff der der Nennleistung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG unverbindlich. Der BFH hat daher im vorliegenden Fall der Herstellererklärung, die den Eigenbedarf der Anlage heraus gerechnet hat, keine Bedeutung beigemessen.

Auch der Zulassungsbescheid des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle könne keine stromsteuerliche Bindungswirkung entfalten, da dieser lediglich die Angabe der Leistung aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen (Herstellerbescheinigung) ungeprüft übernommen habe.

Nach den Tatsachenfeststellungen des Finanzgerichts hat die von der Klägerin betriebene Anlage dem öffentlichen Stromnetz wenigstens eine Leistung von 2,005 MW (Brutto-Stromerzeugung der Anlage 2.020 kW abzüglich der Transformatorenverluste in Höhe von 15 kW). Diese Strommenge hat die Klägerin auch dauerhaft in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Damit handelte es sich um die höchste abgebbare Leistung der Anlage.

Offen ist allerdings weiterhin, ob Transformatorenverluste grundsätzlich in Abzug gebracht werden können. Dies hat der BFH ausdrücklich offen gelassen, da die Grenze von 2 MW auch mit Abzug der Transformatorenverluste bereits überschritten war. Das Finanzgericht hatte einen derartigen Abzug zugelassen.

Dies eröffnet – wenn auch geringe - Spielräume gegenüber dem Hauptzollamt. Diese Spielräume könnten vor dem Hintergrund der Neuregelungen in § 99 Abs. 2 EnergieStV und § 12b StromStV entscheidungsrelevant werden.

Diese Vorschriften regeln, dass sog. „virtuelle Kraftwerke“ als eine Anlage gelten, wenn die einzelnen Stromerzeugungseinheiten zentral gesteuert werden, der Betreiber zugleich der Eigentümer der Stromerzeugungseinheiten ist, er die ausschließliche Entscheidungsgewalt über die Einheiten besitzt und der erzeugte Strom zumindest teilweise in das Versorgungsnetz eingespeist werden soll. Im Ergebnis werden daher die Nennleistungen von Stromerzeugungseinheiten in ortsfesten Anlagen an unterschiedlichen Standorten (§ 99 Absatz 2 EnergieStV und § 12b StromStV) für die Bestimmung der elektrischen Nennleistung von 2 MW zusammengerechnet.

Der Gesetzgeber wirkt einer damit einer Tendenz entgegen, in dem sog. virtuelle Kraftwerke, die aus mehreren kleineren Stromerzeugungseinheiten und Modulen bestehen, technisch derart miteinander verbunden werden, um so eine effektive Auslastung der Stromerzeugungseinheiten und Module zu erreichen. Durch diese zentrale Steuerung der im Verbund betriebenen Stromerzeugungseinheiten wird nach Auffassung der Finanzverwaltung der Strom bei der gebotenen funktionalen Betrachtungsweise nicht mehr durch sog. förderungswürdige Kleinanlagen erzeugt. Dennoch müsse in jedem einzelnen Fall beurteilt werden, ob es sich um eine oder mehrere Anlagen zur Erzeugung von Strom handele. Jeder Einzelfall ist nach dem Gesamtbild der technischen Gegebenheiten auf Grundlage sachlicher Kriterien zu beurteilen.

Die Finanzverwaltung erarbeitet dazu nähere Regelungen. Bis diese entsprechenden Regelungen erarbeitet sind, wird die Finanzverwaltung derartige Anlagen wie folgt behandeln:

Eine zentrale Steuerung der im Verbund betriebenen Stromerzeugungseinheiten kann beispielsweise über eine Leitstelle mittels DSL oder Mobilfunk erfolgen. Unbeachtlich soll es sein, wenn im Störungsfall zusätzlich zu einer zentralen Steuerung die anderen Stromerzeugungseinheiten unabhängig betrieben werden können.

Eine Ausnahme bilden lediglich

  • Anlagen, bei denen die Stromerzeugungseinheiten in der Hauptsache aus Gründen der Aufrechterhaltung der Netzstabilität gesteuert werden und 
  • Stromerzeugungseinheiten nach § 11 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Es bleibt daher abzuwarten, welche weiteren Kriterien die Finanzverwaltung für derartige „virtuelle Kraftwerke“ aufstellen wird. Um zukünftig die steuerlichen Begünstigungen des Energiesteuergesetzes und des Stromsteuergesetzes in Anspruch nehmen zu können, ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht der erweiterte Anlagenbegriff der § 99 Absatz 2 EnergieStV und § 12b StromStV greift und welchen Einfluss die vorgenannte Entscheidung des BFH für die jeweiligen Anlagen hat.

Um das Risiko möglicher Stromsteuernachzahlungen bei Versagung der Steuerfreiheit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG oder Rückzahlungen von Energiesteuer nach § 53 EnergieStG einzugrenzen, halten wir es vor dem Hintergrund des vorgenannten BFH-Urteils und der Neuregelungen im Energie- und Stromsteuerrecht für empfehlenswert, eine Neubewertung der Einordnung der bestehenden Anlagen vorzunehmen.

Betroffene Norm

§ 9 Absatz 1 Nr. 3 StromStG
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.09.2009, 2 K 1517/06

Fundstelle

BFH, Urteil vom 07.06.2011, VII R 55/09

Ansprechpartner

Tino Wunderlich | Berlin
Tina Dubiel | Berlin

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