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13.01.2012
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Keine Gesamtrechtsnachfolge von stromsteuerlichen Erlaubnissen bei Verschmelzungen

Sachverhalt

Das Hauptzollamt (HZA) hatte im Jahr 1999 einer Gesellschaft einer Erlaubnis erteilt, Strom zum ermäßigten Steuersatz nach § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) zu entnehmen. Im August 2008 wurde die GmbH durch Verschmelzungsvertrag mit der Klägerin verschmolzen, wobei die Klägerin die Funktion als aufnehmender Rechtsträger wahrnahm. Am 11.09.2008 wurde diese Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin führte den Betrieb der GmbH an derselben Betriebsstätte fort. In der Zeit vom 11.09. bis zum 31.12.2008 entnahm sie Strom zum ermäßigten Steuersatz nach § 9 Abs. 3 StromStG. Das HZA erteilte der Klägerin erst im Januar 2009 eine entsprechende Erlaubnis mit Wirkung ab dem 01.01.2009. Das HZA setzte ferner mit Nacherhebungsbescheid vom 20.02.2009 gegen die Klägerin für den von ihr im Zeitraum vom 11.09. bis zum 31.12.2008 zum ermäßigten Steuersatz entnommenen Strom Stromsteuer in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Regelsteuersatz und dem nach § 9 Abs. 3 StromStG ermäßigten Steuersatz fest.

Entscheidung

Der BFH hat die Steuerfestsetzung des HZA bestätigt. Die Klägerin hatte im Zeitraum vom 11.09. bis zum 31.12.2008 keine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes nach § 9 Abs. 4 StromStG. Sie bezog den Strom damit als Nichtberechtigte. Die Stromsteuer ist damit nach § 9 Abs. 8 Satz 1 StromStG zum Regelsteuersatz entstanden. Das HZA war somit zur Nacherhebung der Stromsteuer in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem ermäßigten Steuersatz nach § 9 Abs. 3 StromStG und dem Regelsteuersatz nach § 3 StromStG berechtigt.

Die Klägerin konnte sich auch nicht auf die der GmbH im Jahr 1999 erteilten Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom berufen, denn diese – so der BFH – ist nicht durch Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 UmwG) der GmbH mit der Klägerin als dem übernehmenden Rechtsträger übergegangen. Die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister im September 2008 führte nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG zum Erlöschen der übertragenden GmbH und gleichzeitig zum Erlöschen der Erlaubnis.

Die stromsteuerliche Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom ist damit keine öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, die nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG vom übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Auch die Regelungen des § 45 AO und des § 4 Abs. 3 EnWG finden für das Stromsteuerrecht keine Anwendung. Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass die Erlaubniserteilung sowohl vom Kriterium der steuerlichen Zuverlässigkeit als auch von der Zugehörigkeit des Unternehmens zum Produzierenden Gewerbe abhängig ist. Die Erfüllung dieser Kriterien beim aufnehmenden Rechtsträger auch nach der Verschmelzung kann nicht einfach unterstellt werden. Insbesondere kann sich bei einer Verschmelzung der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens verschieben, so dass eine Zuordnung des übernehmenden Rechtsträgers zu einem begünstigten Wirtschaftszweig der Klassifikation der Wirtschaftszweige nicht mehr möglich ist.

Nicht selten wird in der Praxis das Erlöschen von Erlaubnissen sowie das Erfordernis einer Neubeantragung für den aufnehmenden Rechtsträger nicht gesehen oder für unbeachtlich gehalten. Wie die Entscheidung zeigt, kann es zu Steuernachforderungen des Hauptzollamtes kommen, wenn Erlaubnisse im Nachgang einer Verschmelzung nicht oder erst verspätet neu beantragt werden. Diese Entscheidung dürfte daher für die Praxis der Unternehmensumwandlungen weitreichende Konsequenzen auch über das Stromsteuerrecht hinaus haben. Obschon durch das Haushaltbegleitgesetz das Erlaubnisverfahren für die steuerbegünstigte Entnahme von Strom nach § 9 Absatz 3 i.V.m. § 9 Absatz 4 StromStG weggefallen ist und durch eine nachgelagerte Steuerentlastung ersetzt wurde, dürfte dieses Urteil auch auf andere Erlaubnisse des Stromsteuergesetzes (z.B. Erlaubnis als Versorger nach § 4 StromStG und Erlaubnis zur Entnahme von Strom zur Stromerzeugung nach § 9 Absatz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Absatz 4 StromStG übertragbar sein. Aber auch im EnergieStG und anderen Steuergesetzen, in denen es auf die persönliche Berechtigung, wie beispielsweise die steuerliche Zuverlässigkeit und/oder auf die Zuordnung zum Unternehmen des produzierenden Gewerbes ankommt, ist der Übergang von Erlaubnissen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger nicht einfach zu unterstellen.

Das vorliegende Urteil des BFH wird in der Praxis der Unternehmensumstrukturierungen zu beachten sein. Dabei dürfte der Anwendungsbereich der obigen Grundsätze nicht notwendig auf Verschmelzungen beschränkt sein. Der Fortbestand von Erlaubnissen sowie das Erfordernis eventueller Neubeantragungen sollten vielmehr grundsätzlich bei allen nicht identitätswahrenden Umwandlungen geprüft werden.

Betroffene Normen

§ 9 Abs. 8 Satz 1 StromStG
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 UmwG
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22.11.2011, VII R 22/11

Ansprechpartner

Tino Wunderlich | Berlin
Olaf Kaping | Berlin

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