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06.05.2011
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Umsatzsteuerpflicht von Haftungsvergütungen geschlossener Fonds

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 2004 als Komplementärin an einer Reihe von geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG beteiligt, ohne eine Kapitaleinlage geleistet zu haben. Sie übte die Geschäftsführung für die Kommanditgesellschaften aus und trug jeweils allein die uneingeschränkte persönliche Haftung für deren Verbindlichkeiten. Nach den Gesellschaftsverträgen der Kommanditgesellschaften erhielt die Klägerin für die sie treffende persönliche Haftung jeweils gesondert vereinbarte Festvergütungen. Zudem erhielt sie einen Festbetrag für die Geschäftsführung. Für die Haftungsvergütungen nahm die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG in Anspruch. Den Fonds kam es auf die Steuerfreiheit der Haftungsleistung an, da sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei den Haftungsvergütungen um Entgelte für steuerpflichtige Leistungen handelt und diese entsprechend umsatzsteuerpflichtig sind. Dagegen reichte die Klägerin beim FG Berlin-Brandenburg Klage ein. Zugunsten der Klägerin wurde entschieden, dass die Übernahme des Haftungsrisikos steuerfrei i.S. des Umsatzsteuergesetzes sei.

Entscheidung

Das Urteil des FG Berlin-Brandenburg ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat für die Kommanditgesellschaften gegen gewinnunabhängige Festvergütungen steuerbare Leistungen erbracht.

Entgeltliche Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind steuerbar, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, sodass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 05.12.2007). Das der Leistung zugrundeliegende Rechtsverhältnis kann sich auch aus gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen ergeben (BFH-Urteil vom 05.12.2007).

Nach den Gesellschaftsverträgen der Kommanditgesellschaften beschränkten sich die entgeltlichen Leistungen der Klägerin nicht auf das Halten von Geschäftsanteilen, sondern auf weitergehende Leistungen, wie z.B. Geschäftsführung. Nach dem Regelstatut des HGB ist ein zur Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigter persönlich haftender Gesellschafter zwingend haftbar für deren Verbindlichkeiten. Wegen dieser rechtlichen Abhängigkeit und der Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses ist die Haftung mit der Geschäftsführung und Vertretung als ein einheitlicher Vorgang anzusehen. Die demnach einheitliche Leistung der Klägerin ist nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei. Diese Vorschrift betrifft vielmehr die Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten, wie z.B. Garantien (BFH-Urteil vom 10.02.2010). Hierbei muss der Leistung Finanzcharakter zukommen. Dies trifft auf die Übernahme von Sachleistungsverpflichtungen nicht zu.

Das Urteil des BFH betrifft nicht nur Immobilienfonds, sondern alle als Personen- oder Personenhandelsgesellschaften konzipierten Fonds, die ihren geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschaftern gewinnunabhängige Haftungsvergütungen zahlen und die aufgrund ihrer z.B. vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Keine Auswirkungen hat das Urteil auf Fonds, die entweder - z.B. als Leasingfonds - originär umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen oder - z.B. bei der Vermietung von Geschäftsimmobilien - aufgrund einer sog. Option zur Umsatzsteuerpflicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

Anmerkung

Ausgangspunkt der sich seit Jahren rankenden Diskussionen um die umsatzsteuerliche Behandlung der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen eines Gesellschafters gegen Entgelt war das BFH-Urteil vom 06.06.2002 (V R 43/01). Mit diesem Urteil hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 17. 07.1980, V R 5/72) geändert, nach der die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten generell keine steuerbare Leistung eines Gesellschafters an die Gesellschaft darstellt (sog.  Organwalterrechtsprechung“). Der BFH stellte in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Geschäftsführungstätigkeit eines Gesellschafters jedenfalls dann umsatzsteuerbar ist, wenn die Leistung (auf Basis eines gegenseitigen Vertrags) gegen Sonderentgelt erbracht wird (und nicht gegen Beteiligung am Gewinn und Verlust).

Kernaspekte der daraus resultierenden umsatzsteuerlichen Diskussionen in der Folgezeit waren:

  • Die Unternehmereigenschaft (insb. Selbständigkeit) des Gesellschafters (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 14.04.2010, XI R 14/09 zur Unternehmereigenschaft eines Komplementärs und aktuell die Änderung des Abschn. 2.2. Abs. 2 UStAE durch BMF-Schreiben vom 31.05.2011). 
  • Die Abgrenzung zwischen Leistungsaustausch und nichtsteuerbarem Gesellschafterbeitrag (vgl. hierzu die unterschiedlichen Fallkonstellationen in Abschn. 1.6. Abs. 3 – Abs. 7 des UStAE). 
  • Die umsatzsteuerliche Behandlung der Haftungsübernahme.

Zu letzterer Thematik (Haftungsvergütung) hatte sich die Finanzverwaltung auch in zwei BMF-Schreiben (BMF in den Schreiben vom 23.12.2003 bzw. vom 31.05.2007) geäußert, die in der Literatur von Anfang an kontrovers diskutiert wurden. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung (vgl. Abschn. 1.6 Abs. 6 UStAE), dass die Haftungsvergütung, sofern der Gesellschafter nicht auch zugleich entgeltliche Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt, kein Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung darstellt, da die Haftung eine unabdingbare Rechtsfolge aus der Gesellschafterstellung ist. Sofern der Gesellschafter jedoch ein Geschäftsführergehalt (Sonderentgelt) und zusätzlich eine pauschale Haftungsvergütung erhält, ist die Haftungsvergütung nach Meinung der Finanzverwaltung zusätzliches Entgelt für die (umsatzsteuerpflichtige) Geschäftsführungsleistung.

Demgegenüber sahen die Finanzgerichte (FG Niedersachsen, Urteil vom 25.02.2010 – 16-K-347/09, rkr. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.05.2010 – 7-K-7183/06-B, das jetzt vom BFH entschieden wurde) die persönliche Haftung und die Geschäftsführung umsatzsteuerlich als zwei getrennte Vorgänge an. Umstritten war im Rahmen der Haftung lediglich, ob die Haftungsübernahme wegen der Unabdingbarkeit ein nicht steuerbarer Vorgang ist, eine im Grundsatz steuerpflichtige Leistung darstellt (wobei mit Blick auf die niedrigen Haftungspauschalen i. d. R. die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG greift), oder als eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerbefreite Leistung zu sehen ist.

Der BFH hat nun dem Streitpunkt „Haftungsvergütung“ mit seinem Urteil ein vorläufiges Ende gesetzt.

Das Urteil hat in „formeller“ Hinsicht (wegen der ordnungsgemäßen Rechnungsstellung) grundsätzlich Auswirkungen auf alle Personengesellschaften, die ihren geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschaftern gewinnunabhängige Haftungsvergütungen zahlen. In „materieller“ Hinsicht hat das Urteil jedoch in erster Linie Auswirkungen auf nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Personengesellschaften (z.B. Private Equity Fonds) bzw. Immobilienfonds und für deren Gesellschafter bzw. Initiatoren.

Will man die mangels Vorsteuerabzug aus der Besteuerung der Haftungsvergütung entstehenden zusätzlichen Kosten auf Ebene der Gesellschaft verhindern, verbleibt die Möglichkeit, statt einer Festvergütung eine gewinnabhängige Vergütung zu vereinbaren. Denn die Haftungsvergütung kann nur („steuerpflichtiges“) Entgelt für eine Leistung sein, wenn auf der Vorstufe ein Leistungsaustauschverhältnis bejaht wurde. Daran fehlt es jedoch, wenn eine Tätigkeit durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten wird.

Betroffene Norm

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG
Streitjahr 2004

Vorinstanz

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.05.2010, 7 K 7183/06 B, EFG 2010, S. 1534

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.03.2011, V R 24/10, BStBl II 2011 S. 950 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 10.02.2010, XI R 49/07, BStBl II 2010, S. 1109
BFH, Urteil vom 05.12.2007, V R 60/05, BStBl II 2009, S. 486

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