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27.05.2011
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Unberechtigter USt-Ausweis - Gefährdung des Steueraufkommens

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, hatte der T-GmbH in den Monaten April, Mai und Juni 2005 insgesamt drei Rechnungen erteilt, in denen die Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 74.121,60 Euro gesondert ausgewiesen war. Die in den Rechnungen bezeichneten Lieferungen wurden nicht ausgeführt, die Rechnungen wiesen keinen Lieferzeitpunkt und keine fortlaufende Rechnungsnummer auf. Die Rechnungsempfängerin verwendete die Rechnungen zum Vorsteuerabzug. Strittig ist, ob die Klägerin die ausgewiesene Umsatzsteuer aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises schuldet (§ 14c Abs. 2 UStG).

Entscheidung

Bei den von der Klägerin begebenen Rechnungen handelt es sich - entgegen der Auffassung des FG - um Rechnungen i.S. des § 14c Abs. 2 UStG. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Rechnungen nicht alle in § 14 Abs. 4 UStG geforderten Merkmale enthielten, wie fortlaufende Rechnungsnummer (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG) und Lieferzeitpunkt (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG).

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Zweck der Regelung ist es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern.

§ 14c Abs. 2 UStG stellt auf den Steuerausweis in einer "Rechnung" ab, ohne den Rechnungsbegriff selbst oder mittels einer Verweisung zu definieren. Die Vorgängervorschrift § 14 Abs. 3 UStG a.F. verwies zur Konkretisierung des Merkmals "Rechnung" auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 4 UStG a.F. Soweit der Senat zur alten Rechtslage entschieden hat, dass § 14 Abs. 3 UStG a.F. nur eingreift, wenn die Urkunde nach ihrem Inhalt zum Vorsteuerabzug geeignet ist (BFH-Urteil vom 27.01.1994) und alle insoweit erforderlichen Angaben enthält (zuletzt BFH-Urteile vom 30.01.2003 und 18.01.2001), hält der Senat hieran für § 14c Abs. 2 UStG nicht fest (Änderung der Rechtsprechung).

Gegen die Auffassung, nur eine Rechnung, die alle Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalte, erfülle die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 UStG, spricht der Vergleich zwischen den Vorschriften zum unberechtigten Steuerausweis (§ 14c UStG) und zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 UStG), insbesondere die Gegenüberstellung der mit diesen Vorschriften verfolgten Zwecke. Für den Vorsteuerabzug wird der Besitz einer qualifizierten Rechnung gefordert, die über die Merkmale der Rechnungsdefinition in § 14 Abs. 1 UStG hinaus die in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG aufgezählten Angaben enthält. Im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 UStG verweist § 14c UStG nicht auf §§ 14, 14a UStG. § 14c UStG dient einem anderen Zweck und zwar den Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen (BR-Drs. 630/03 vom 05.09.2003, zu Art. 4 zu Nr. 17, vgl. auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 30.07.2010). § 14c UStG ist als Gefährdungstatbestand in das Gesetz aufgenommen worden.

Gegenstand der Regelung ist die Gefährdung des Steueraufkommens durch Abrechnungsdokumente, die die elementaren Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den Schein einer solchen erwecken und den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten. Eine Gefährdung tritt dabei nicht nur ein, wenn eine alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllende Rechnung vorliegt. Der mit dieser Norm verfolgte Zweck, Missbräuche zu vereiteln und das Steueraufkommen zu sichern, könnte nicht erfüllt werden, wenn sich Rechnungsaussteller durch Weglassen auch nur eines Merkmals des § 14 Abs. 4 UStG ihrer Inanspruchnahme entziehen könnten. Auch ist wegen der Berichtigungsmöglichkeit nach § 14c Abs. 2 S. 2 UStG kein schutzwürdiges Interesse eines Rechnungsausstellers erkennbar, risikolos Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen, die als Abrechnungen über angebliche umsatzsteuerpflichtige Vorgänge erscheinen und dem Rechnungsempfänger einen unberechtigten Vorsteuerbetrug erst ermöglichen. Für die Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG reicht es deshalb aus, dass das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden. Danach reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist.

Betroffene Norm

§ 14 Abs. 4 UStG, § 14c Abs. 2 UStG idF des StÄndG 2003, § 15 Abs. 1 UStG
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 23.07.2009, 2 K 184/07, EFG 2009, S. 1684

Fundstelle

BFH, Urteil vom 17.02.2011, V R 39/09, BStBl II 2011, S. 734 

Weitere Fundstellen

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 30.07.2010, 16 K 55/10, UR 2011, S. 23
BFH, Urteil vom 27.01.1994, V R 113/91, BStBl II 1994, S. 342
BFH, Urteil vom 30.01.2003, V R 98/01, BStBl II 2003, S. 498
BFH, Urteil vom18.01.2001, V R 83/97, BFHE 194, S. 483

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