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05.10.2016
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Vorsteueraufteilung bei Eingangsleistungen für ein gemischt genutztes Gebäude und Vorsteuerberichtigung

Bei der Herstellung eines gemischt genutzt Gebäudes kommt es für den Vorsteuerabzug auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an. Dabei ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig eine sachgerechte und präzisere Berechnung des Vorsteuerabzugs als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel. Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes werden nicht dadurch verletzt, dass eine Änderung der Vorsteueraufteilungsmethode zu einer Änderung im Hinblick auf den Umfang des Vorsteuerabzugs führt.

Sachverhalt

Streitig war die Höhe des Vorsteuerabzugs aus Baukosten und laufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze ausführte. Für das Streitjahr 2004 ermittelte die Klägerin die abziehbaren Vorsteuern nach wie vor nach dem für sie günstigeren Umsatzschlüssel. Das Finanzamt legte sowohl bei der Vorsteueraufteilung als auch für eine spätere Vorsteuerberichtigung den Flächenschlüssel zugrunde. Im Hinblick auf die Vorsteuerberichtigung führte das Finanzamt aus, dass mit Wirkung vom 01.01.2004 eine Aufteilung nach dem Verhältnis der (voraussichtlichen) steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen (Umsatzschlüssel) gesetzlich nur noch nachrangig zulässig sei, § 15 Abs. 4 S. 3 UStG.

Im Verfahrensverlauf legte der XI. Senat des BFH dem EuGH die Fragen vor, ob bei gemischt genutzten Gebäuden die Vorsteuern auf Eingangsleistungen (wie bspw. Baumaterial, Handwerkerleistungen usw.), die die Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes betreffen, zunächst den Ausgangsumsätzen (Vermietungsumsätze) zugeordnet werden müssen und lediglich die danach verbleibenden Vorsteuern nach einem weniger präzisen Flächen- oder Umsatzschlüssel aufzuteilen sind und ob dies entsprechend auch für Vorsteuern aus laufenden Kosten gilt. Ferner wollte der BFH wissen, ob eine gesetzliche Neureglung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse bewirken kann.

Entscheidung

Der EuGH urteilte, dass bei der Anschaffung oder Herstellung von gemischt genutzten Gebäuden die Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht zwingend einzeln den jeweiligen Ausgangsumsätzen zugeordnet werden müssen, wenn diese Zuordnung zu komplex und praktisch kaum durchführbar ist. In diesen Fällen soll die Vorsteuer nach einem Schlüssel aufgeteilt werden. Entsprechend der unionsrechtlichen Vorgabe in Art. 173 MwStSystRL finde dabei regelmäßig der Umsatzschlüssel Anwendung, es sei denn ein anderer, wie bspw. der Flächenschlüssel, ist präziser/wirtschaftlich sinnvoller.

Damit bestätigte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung aus BLC-Baumarkt, C-511/10. Offen blieb jedoch die Frage, ob der subsidiäre Charakter den der deutsche Gesetzgeber dem Umsatzschlüssel mit Wirkung vom 01.01.2004 in § 15 Abs. 4 S. 3 UStG beigemessen hat, mit Unionsrecht vereinbar ist.

Klarheit verschafft die EuGH Entscheidung im Hinblick auf die laufenden Erhaltungsaufwendungen. Nach Ansicht des EuGH ist im Gegensatz zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten bei laufenden Erhaltungsaufwendungen eine direkte Zuordnung zu Ausgangsumsätzen ohne größere Schwierigkeiten möglich und damit vorzunehmen.

Weiterhin stellte der EuGH klar, dass sofern die Methode der Vorsteueraufteilung gewechselt wird, zwingend eine vorher abgezogene Vorsteuer berichtigt werden muss. Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes werden nicht dadurch verletzt, dass eine Änderung der Vorsteueraufteilungsmethode zu einer Änderung im Hinblick auf den Umfang des Vorsteuerabzugs führt.

In seiner Nachfolgeentscheidung schließt sich der XI. Senat den Ausführungen des EuGH an. Danach

  1. sind grundsätzlich alle Eingangsleistungen, die die Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes betreffen, dem gemischt genutzten Gebäude zuzuordnen, bevor eine Vorsteueraufteilung erfolgen kann
  2. hat die Vorsteueraufteilung grundsätzlich nach dem Umsatzschlüssel zu erfolgen. Ausnahmsweise ist eine Aufteilung nach einem anderen, wie dem Flächenschlüssel, möglich, sofern dieser präziser als die Anwendung des Umsatzschlüssels ist
  3. kann eine Neuregelung der Aufteilungsmethode für den Vorsteuerabzug durch § 15 Abs. 4 S. 3 UStG eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebende Verhältnisse im Sinne des § 15a Abs. 1 UStG bewirken. Eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes liegt insoweit jedoch nicht vor

Für die Zukunft und für alle noch offenen Fälle gilt demnach, dass nach wie vor die Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel erfolgen kann, sofern dieser präziser ist, als ein möglicher Flächenschlüssel. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen. Das in § 15 Abs. 4 S. 3 UStG festgelegte Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen Umsatzschlüssel und Flächenschlüssel entspricht gerade nicht dem aus Art. 173 MwStSystRL fließenden europäischen Verständnis. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang eine gesetzliche Klarstellung durch den deutschen Gesetzgeber, zumindest aber eine Aussage der Finanzverwaltung, wie sie mit dem offensichtlichen Widerspruch in der Praxis umgehen wird. Ein erster Ansatzpunkt könnte die Veröffentlichung eines entsprechenden BMF-Schreibens sowie die Aufnahme der aktuellen EuGH und BFH Rechtsprechung in 15.17 Abs. 7 UStAE sein.

Betroffene Normen

§ 15 UStG; § 15 Abs. 4 UStG; § 15a UStG
Streitjahr 2004

Vorinstanzen

EuGH, Urteil vom 09.06.2016, C-332/14
BFH, Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 05.06.2014, XI R 31/09 (s. auch Deloitte Tax-News, German Tax & Legal News)
Pressemitteilung 50/14 vom 09.07.2014

Fundstellen

BFH, Urteil vom 10.08.2016, XI R 31/09
Pressemitteilung 63/16 vom 28.09.2016

Weitere Beiträge

MwStR 2016, 117 (m. Anm. Grünwald)

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