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15.02.2023
Indirekte Steuern/Zoll

BMF: Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft

Das BMF hat das Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft aktualisiert. Werden damit die Erwartungen betroffener Unternehmer an eine einheitliche Verwaltungspraxis erfüllt? 

Hintergrund

Das BMF hat mit Schreiben vom 27. Januar 2023 ein aktualisiertes Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft veröffentlicht. Das Merkblatt soll Unternehmer über die Grundsätze zur Umsatzbesteuerung von Bauleistungen informieren.

Grundsätzlich ist der leistende Unternehmer Schuldner der Umsatzsteuer. In § 13b UStG sind Ausnahmetatbestände geregelt, wonach die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger übergeht. Für die Bauwirtschaft ist insbesondere die Steuerschuldumkehr nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 UStG relevant. Danach können steuerpflichtige Bauleistungen, die von einem im Inland ansässigen Unternehmer ausgeführt werden, die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger begründen. Voraussetzung ist, dass der Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen erbringt. Sind die personen- und leistungsbezogenen Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt, kommt es nicht zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 UStG. Werden Werklieferungen oder sonstige Leistungen von einem im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht, hat die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG Vorrang. Das Merkblatt ist in erster Linie für Bauunternehmer bestimmt, die Umsätze ausführen, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nicht nach § 13b Abs. 2 UStG schuldet. 

Neues Merkblatt USt M2: inhaltliche Änderungen

Das neue Merkblatt enthält eine dem UStAE entsprechende Definition der Werklieferung und der Teilleistung. Die weiteren Änderungen betreffen im Wesentlichen Erläuterungen zum Leistungszeitpunkt in der Insolvenz und allgemeine Ausführungen zur Istversteuerung sowie zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers. Im Übrigen wurde das Merkblatt an den UStAE und die VOB/A redaktionell angepasst.

Im Einzelnen:

Werklieferung

Die Definition der Werklieferung wird im Merkblatt USt M2 neu gefasst und an Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE angepasst. Eine Werklieferung liegt danach vor, wenn der Unternehmer für das Werk einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet und dafür selbstbeschaffte Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind. Bereits im Jahr 2020 hat sich das BMF der Rechtsprechung des BFH angeschlossen, wonach eine Werklieferung nur bei Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstands vorliegt (BFH, Urt. v. 22.08.2013, V R 37/10, BStBl. II 2014, 128; BMF, Schreiben v. 01.10.2020, vgl. Deloitte Tax News). Zudem stellt das BMF klar, dass Beistellungen des Auftraggebers nicht am Leistungsaustausch teilnehmen; dies gilt jedoch nicht für die Bauleistungsversicherung. Der im Merkblatt von 2009 enthaltene Begriff der Bauwesenversicherung wird durch die Bauleistungsversicherung ersetzt. Insofern entspricht das Merkblatt Abschn. 3.8 Abs. 2 Satz 3 UStAE.

Teilleistung

Das Merkblatt enthält eine aktualisierte Begriffsbestimmung der Teilleistung. Das BMF führt hierzu aus, dass Teile einer Leistung mit kontinuierlichem, sich fortsetzendem Charakter, für die das Entgelt gesondert vereinbart und abgerechnet wird, wie Werklieferungen bzw. Werkleistungen zu behandeln sind. Diese Definition entspricht Abschn. 13.4 Satz 4 UStAE. Zuvor hatte der BFH entschieden, dass eine Teilleistung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG eine Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter voraussetzt und eine einmalige Leistung gegen bloße Ratenzahlung keine Teilleistung darstellt (BFH, Urt. v. 01.02.2022, V R 37/21 (V R 16/19), BStBl. II 2022, 860). Das BMF hat sich dieser Rechtsprechung mit Schreiben vom 14. Dezember 2022 angeschlossen.

Leistungszeitpunkt im Fall des § 103 InsO

Im Fall des Insolvenzverfahrens und der Ablehnung weiterer Erfüllung durch den Insolvenzverwalter bestimmt sich der Leistungsgegenstand grundsätzlich nach dem bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich Geleisteten. Die Lieferung wird im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ausgeführt. Wählt der Insolvenzverwalter hingegen die Erfüllung eines bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht (vollständig) erfüllten Werkvertrags, wird die Werklieferung, wenn keine Teilleistungen gesondert vereinbart wurden, mit der Leistungserbringung nach Verfahrenseröffnung bewirkt. Insofern hat sich das BMF der Ansicht des BFH angeschlossen (BFH, Urt. v. 30.04.2009, V R 1/06, BStBl. II 2010 S. 138). Die Ausführungen entsprechen Abschn. 13.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sätze 7 bis 10 UStAE.

Leistungszeitpunkt im Fall der Kündigung des Werkvertrags

Für den Fall der Kündigung des Werkvertrags stellt das BMF klar, dass die Leistung mit dem Tag des Zugangs der Kündigung ausgeführt wird.

Istversteuerung

In einem neuen Abschn. III. 3 führt das BMF aus, dass die Umsatzsteuer bei Berechnung nach vereinnahmten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist.

Sicherungseinbehalte für Baumängel

Vertragliche Einbehalte zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen berechtigen zur Steuerberichtigung, soweit dem Unternehmer die Absicherung der Gewährleistungsansprüche durch Gestellung von Bankbürgschaften nicht möglich war und er dadurch das Entgelt für einen Zeitraum von über zwei bis fünf Jahren nicht vereinnahmen kann (Abschn. 17.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE).

Voranmeldung und Vorauszahlung der Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 und 4 UStG bis zum 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums anzumelden und zu entrichten, in dem die (Teil-)Leistungen ausgeführt wurden (Sollversteuerung) bzw. das (Teil-)Entgelt (Istversteuerung) vereinnahmt wurde. Im Falle der Dauerfristverlängerung verlängert sich die Frist um einen Monat.

Ausstellung von Rechnungen

Für steuerpflichtige Werklieferungen oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück ist der Auftragnehmer verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Bauleistung eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer auszustellen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 bis 4 UStG).

Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die von im Ausland ansässigen Unternehmen steuerpflichtige Werklieferungen oder sonstige Leistungen beziehen, schulden die Umsatzsteuer. Dies gilt auch, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Für weitere Einzelheiten enthält das Merkblatt einen Verweis auf Abschn. 13b.1 UStAE. Im Hinblick auf die Steuerschuldumkehr für Bauleistungen nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG i.V.m. Abs. 5 Satz 2 UStG ergänzt das BMF das Merkblatt um das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit der Erbringung der Bauleistung durch den Leistungsempfänger sowie um die Unbeachtlichkeit der Verwendung der bezogenen Leistung für eine Bauleistung. Des Weiteren informiert das BMF über die Vermutungswirkung der Bescheinigung USt 1 TG. Im Übrigen verweist das BMF auf Abschn. 13b.3 UStAE. Das BMF betont, dass in diesem Fall die Rechnungstellung ohne USt-Ausweis zu erfolgen hat. Zudem wurde die gesetzliche Rechnungsangabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ i.S.d. § 14a Abs. 5 Satz 1 UStG in das Merkblatt aufgenommen. Für den Fall, dass die Umsatzsteuer, für die der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, in einer Rechnung des Leistenden gesondert ausgewiesen ist, stellt das BMF im Merkblatt klar, dass der Leistende den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet.

Berichtigungspflicht

Abschließend weist das BMF darauf hin, dass eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO umgehend zu prüfen ist, wenn Umsätze, für die die Umsatzsteuer bereits entstanden ist, nicht versteuert wurden. 

Betroffene Normen

§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG; § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG; § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG; § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 UStG; § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG; § 14a Abs. 5 Satz 1 UStG; § 14c Abs. 1 UStG; § 18 Abs. 1 Satz 1 und 4 UStG; § 153 AO

Anmerkung

Die Aktualisierung des Merkblatts USt M2 ist zu begrüßen, zumal die mit Schreiben vom 27.01.2023 aufgehobene Fassung des Merkblatts aus dem Jahr 2009 stammt und damit ein dringender Anpassungsbedarf bestand. Inhaltlich entsprechen die Ausführungen überwiegend den im UStAE enthaltenen Grundsätzen der Finanzverwaltung. Das Merkblatt kann betroffenen Unternehmern der Bauwirtschaft als erste Orientierungshilfe dienen. 

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 27.01.2023, III C 2 - S 7270/20/10002 :001 

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