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30.06.2022
Indirekte Steuern/Zoll

BMF: Steuerfreie Verwaltung von Wagniskapitalfonds

Im Rahmen der Zielsetzung des Fondsstandortgesetzes, den Fondstandort Deutschland auch durch steuerliche Maßnahmen attraktiver zu gestalten und insbesondere die „start-up Szene“ mit wettbewerbsfähigen Finanzierungsmöglichkeiten über Wagniskapitalbeteiligungen zu fördern, wurde die Steuerbefreiungsvorschrift in § 4 Nr. 8 h UStG punktuell erweitert. Das BMF äußert sich zur Unterscheidung der neu eingeführten steuerfreien Verwaltung von Wagniskapitalfonds und der weiterhin steuerpflichtigen Verwaltung anderer Fonds.​

Hintergrund

Bis Mitte 2021 war Deutschland als Fondsstandort, insbesondere für Investoren von Start-Up Unternehmen, aus steuerlichen Gründen wenig attraktiv. Zwar unterlag die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAWs) im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) und die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren Alternativen Investmentfonds (AIF) der Umsatzsteuerbefreiung, aber sowohl die management fees von private equity als auch von venture capital Fonds unterlagen der Steuerpflicht (vgl. Abschn. 4.8.13 UStAE a.F.). Sowohl venture capital als auch private equity fonds sind jedoch regelmäßig nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, so dass die Belastung mit Umsatzsteuer einen Nachteil im Rahmen der Finanzierung darstellte – insbesondere, da in anderen europäischen Mitgliedstaaten die Verwaltung von venture capital und private equity fonds bereits zu diesem Zeitpunkt steuerfrei war. Erst im Rahmen der Einführung des FoStoG (Gesetz zur Stärkung des Fondsstandortes Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb vonOrganismen für gemeinsame Anlagen vom 3. Juni 2021, in Kraft getreten am 01.07.2021) änderte sich das. Die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG (vgl. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) wurde auf die Verwaltung von Wagniskapitalfonds ausgedehnt.

Allerdings enthält weder das FoStoG noch die OGAW-Richtlinie eine Begriffsdefinition von Wagniskapitalfonds. In der Praxis führte das zu Rechtsunsicherheiten, da eine zu Unrecht angenommene Steuerbefreiung eine unzulässige Beihilfe darstellen kann (hierzu Bundesrat Drucksache 51/1/21 vom 22.01.2021). Diese Unsicherheit aufgreifend erläutert das vorliegende BMF-Schreiben den Begriff von Wagniskapitalfonds.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens finden Anwendung auf Umsätze, die nach dem 30.06.2021 ausgeführt werden. Für bis zum 30.06.2022 getätigte Umsätze, die nach den bisherigen Regelungen steuerpflichtig waren, wird es, auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs, nicht beanstandet, wenn diese von den Beteiligten übereinstimmend weiterhin als steuerpflichtig behandelt werden.

BMF-Schreiben

Das BMF Schreiben erläutert den Begriff des Wagniskapitalfonds. Dazu zählen auch qualifizierte Risikokapitalfonds im Sinne der EU-Verordnung Nr. 345/2013 (vom 17.04.2013 über Europäische Risikokapitalfonds, European Venture Capital – EuVECA-Funds, ABl. EU 25.04.2013) soweit sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Wagniskapitalfonds sind AIF im Sinne von § 1 Abs. 3 KAGB, die keine OGAW sind, wenn diese ganz oder überwiegend (zu mehr als 50% des aggregierten eingebrachten bzw. noch nicht eingeforderten, aber zugesagten Kapitals) zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung in Wachstumsunternehmen (Zielunternehmen) investieren.
  • Wagniskapitalfonds zielen durch eine Kapitalbeteiligung oder sonstige Risiko tragende Finanzierung regelmäßig nach Erreichen des durch die Finanzierung beabsichtigen Zwecks auf einen erheblichen Wertzuwachs des Zielunternehmens ab, der zum Zeitpunkt des Ausstiegs des Fonds maßgeblich dessen Investitionsertrag bestimmt.
  • Der Kapitalfluss der Investition erfolgt dabei direkt oder indirekt in das bzw. die Zielunternehmen.
  • Wagniskapitalfonds müssen den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen wie OGAW und einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstehen oder als „qualifizierte Risikokapitalfonds“ registriert sein.

Zielunternehmen müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Das Zielunternehmern ist zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung nicht älter als 12 Jahre seit Unternehmensgründung (Seed Stage, Early Stage, Expansion Stage),
  • Die Unternehmensgröße des Zielunternehmens entspricht zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalfinanzierung einem „qualifizierten Portfoliounternehmen“ nach Art. 3 Buchst. d, Unterbuchstabe i) im Sinne der EuVECA-Verordnung (siehe oben).
  • das Zielunternehmen hat seinen Sitz in einem Gebiet nach Art. 3 Buchst. d) Unterbuchstabe iv) im Sinne der EuVECA-Verordnung,
  • das Zielunternehmen ist fortlaufend wirtschaftlich (mit Gewinnerzielungsabsicht) aktiv.

Anmerkung

Das BMF-Schreiben unterscheidet sich an einigen Stellen vom Entwurf vom 02.03.2022. Das wird insbesondere im Rahmen der Definition, welche Voraussetzungen Zielunternehmen aufweisen müssen, deutlich. Nach dem Entwurf sollte bspw. die Unternehmensgröße des Zielunternehmens noch der Definition von KMU entsprechen. Durch die nunmehr eingefügten Verweisungen auf die EuVECA Verordnung (EU Nr. 345/2013 v. 17.02.2013; als EU-Verordnung gilt die EuVECA allgemein und in allen Teilen verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat) kommen die bereits bestehenden unionsrechtlichen Regelungen über europäische Risikokapitalfonds im Steuerrecht in den jetzigen Nummern 2 und 3 in Bezug auf die Voraussetzungen von Zielunternehmen, zur Anwendung. Danach sind die Voraussetzungen, die ein Wachstumsunternehmen im Hinblick auf die Unternehmensgröße erfüllen muss, um als Zielunternehmen zu gelten, enger als noch im Entwurf des Schreibens, da sie dem eines qualifizierten Portfoliounternehmens entsprechen müssen. Danach ist ein Zielunternehmen, dessen Unternehmensgröße zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalfinanzierung einem qualifizierten Portfoliounternehmen entspricht, ein Unternehmen, das zum Zeitpunkt einer Investition des qualifizierten Risikokapitalfonds zwar auch die Voraussetzungen eines KMU nach der Definition der EU-Kommission erfüllt, darüberhinausgehend, aber zusätzlich, in Form einer Negativabgrenzung, nicht für den Handel an einem geregelten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem (MTF) (iSd. Art. 4 Abs. 1 Nr. 14, 15 Richtlinie 2004/39/EG) zugelassen ist. In Bezug auf den Sitz des Zielunternehmens ist der Verweis auf Art. 3 Buchst. d) Unterbuchst. iv) ebenfalls wesentlich konkreter gefasst, wenn es dort heißt: „im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder in einem Drittland niedergelassen ist, sofern das Drittland

  • nicht auf der Liste der nicht-kooperativen Länder und Gebiete steht, die von der Arbeitsgruppe „Finanzielle Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ aufgestellt wurde,
  • mit dem Herkunftsmitgliedstaat des Verwalters eines qualifizierten Risikokapitalfonds vertreiben werden sollen, eine Vereinbarung unterzeichnet hat, damit sichergestellt werden kann, dass das Drittland den Standards des Art. 26 OECD Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen vollständig entspricht und einen wirksamen Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten, einschl. multilaterale Steuerabkommen, gewährleistet.“

Zu beachten ist, dass der Unternehmer das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen durch geeignete Belege (insbesondere anhand der vertraglichen Anlagebedingungen) gegenüber der Finanzbehörde nachzuweisen hat.

Da die Abgrenzung, ob es sich im Einzelfall um eine steuerfreie Verwaltung eines Wagniskapitalfonds handelt oder um die steuerpflichtige Verwaltung eines nicht begünstigten Fonds, nach wie vor wesentlich ist, weist das BMF am Ende seines Schreibens darauf hin, dass die Kriterien für die Qualifizierung als Wagniskapitalfonds insbesondere dann nicht eingehalten sind, wenn die Anlagebedingungen des Fonds dahingehend geändert werden, dass die Anlagestrategie dauerhaft nicht mehr auf eine Anlage in Zielunternehmen gerichtet ist, oder wenn dauerhaft die Zielunternehmen, in die der Fonds investiert, die Voraussetzungen eines Zielunternehmens nicht erfüllt.

Mit dem Schreiben greift die Finanzverwaltung den lang gehegten Wunsch von Rechtsanwendern auf, den Begriff von Wagniskapitalfonds zu definieren und im Bereich der Steuerbefreiung für mehr Rechtssicherheit im Rahmen der Anwendung zu sorgen. Das Schreiben und die damit einhergehenden Änderungen im UStAE erleichtern die Anwendung, auch wenn dem Wunsch nach einer Liste, die alle steuerfreien nationale Fondstypen enthält (ähnlich wie bspw. in Frankreich) nicht entsprochen wurde.

Betroffene Normen

​§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG; Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sowie EU VI Nr. 345/2013, ABl 115/1 vom 25.04.2013

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 24.06.2022, III C 3  -S 7160-h/20/10003 :026

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