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07.12.2021
Indirekte Steuern/Zoll

BMF: Vorsteuerabzug für Mitglieder einer nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft

Wer ist im Fall einer gemeinschaftlichen Bestellung durch die Gemeinschafter einer nicht rechtsfähigen Bruchteilsgemeinschaft der Leistungsempfänger?

Hintergrund

Erwerben Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft gemeinsam einen Gegenstand für ihr Unternehmen, ist die zutreffende Bestimmung des Leistungsempfängers insbesondere für den Vorsteuerabzug und die Rechnungsstellung relevant. Bei gemeinschaftlicher Auftragserteilung durch mehrere Personen ging die Finanzverwaltung bislang davon aus, dass es für die Annahme der „Leistungsempfängerschaft“ der Gemeinschaft ausreichend ist, dass die Gemeinschaft einem Gemeinschafter den Gegenstand unentgeltlich überlässt. Lediglich für Zwecke des Vorsteuerabzugs war nach der bisherigen Verwaltungsauffassung jeder unternehmerische Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen.

Nach gefestigter Rechtsprechung sind im Fall einer gemeinschaftlichen Bestellung durch eine nicht unternehmerisch tätige Bruchteilsgemeinschaft die einzelnen Gemeinschafter Leistungsempfänger (EuGH, Urt. v. 21.04.2005, C-25/03, HE). Die unentgeltliche Überlassung eines in Bruchteilsgemeinschaft erworbenen Gegenstands an einen Gemeinschafter begründet weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft (BFH, Urt. v. 28.08.2014, V R 49/13). Die Nutzungsüberlassung erfolgt nach dem BFH nicht im Rahmen eines Leistungsaus-tausches, da die Gemeinschafter aufgrund ihres originären Nutzungsrechts nach § 743 Abs. 2 BGB zum Gebrauch des Gemeinschaftseigentums berechtigt sind. Die Gemeinschafter können daher über ihren Anteil am Gegenstand ohne Zwischenerwerb durch die Gemeinschaft verfügen und ihn auch veräußern.

Für den Fall einer (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Lotsenbrüderschaft hatte der BFH entschieden, dass nicht der einzelne (vorsteuerabzugsberechtigte) Seelotse als Leistungsempfänger anzusehen ist, sondern die Lotsenbrüderschaft. Die anteilige Kostentragung durch die Seelotsen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung nach dem SeeLG führt nicht zum Vorsteuerabzug der Seelotsen, da sie die Leistungen nicht für ihr Unternehmen verwendeten. Vielmehr verwendete die Lotsenbrüderschaft die bezogenen Eingangsleistungen zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Selbstverwaltungsaufgaben (BFH, Urt. v. 31.05.2017, XI R 40/14).

Mit Schreiben vom 27.10.2021 schließt sich die Finanzverwaltung diesen Rechtsprechungsgrundsätzen an. Der Anwendungserlass wurde entsprechend geändert.

Verwaltungsanweisung

Gemeinschafter als Leistungsempfänger

Beim gemeinsamem Erwerb von Gegenständen bzw. gemeinsamen Leistungsbezug durch Mitglieder einer nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft sind die Gemeinschafter Leistungsempfänger (Abschn. 15.2b Abs. 1 Satz 7 und 8 UStAE).

Nach der Verwaltungsanweisung begründet allein die unentgeltliche Nutzung eines in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Wirtschaftsgutes durch einen Gemeinschafter keine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft (Abschn. 15.2b Abs. 1 Satz 9 UStAE).

Unter Bezugnahme auf das Seelotsen-Urteil des BFH begründet die Umlage der Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger auf sein unternehmerisch tätiges Mitglied nicht die Leistungsempfängereigenschaft des Mitgliedes (Abschn. 15.2b Abs. 1 Satz 3 UStAE).

Des Weiteren schließt sich das BMF der BFH-Rechtsprechung an, wonach die Gemeinschafter einer nicht selbst unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft über ihren Anteil ohne Zwischenerwerb der Gemeinschaft verfügen können (Abschn. 3.5 Abs. 2 Nr. 6 Satz 3 UStAE).

 Option gegenüber einem unternehmerischen tätigen Gemeinschafter

Die zutreffende Bestimmung des Leistungsempfängers ist auch für die Option nach § 9 Abs. 1 UStG relevant. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung setzt u.a. voraus, dass der Empfänger der optionsfähigen Leistung ein Unternehmer ist. In den UStAE wurde unter Aufgabe der bisherigen Verwaltungsauffassung die klarstellende Erläuterung aufgenommen, wonach der Vermieter zur Umsatzsteuer optieren kann, soweit der Vermietungsumsatz an einen unternehmerisch tätigen Gemeinschafter ausgeführt wird (Abschn. 9.1 Abs. 6 Satz 5 UStAE).

Rechnungsanforderungen bei gemeinsamen Leistungsbezug der Gemeinschafter

Im Hinblick auf die Rechnungsangaben bei gemeinsamen Leistungsbezug der Gemeinschafter sieht das BMF Erleichterungen vor. Sind mehrere Gemeinschafter Leistungsempfänger, ist das Rechnungsmerkmal des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des Leistungsempfängers erfüllt, wenn auf der Rechnung der Name und die Anschrift der Gemeinschaft angegeben sind (Abschnitt 15.2a Abs. 3 Satz 8 UStAE). Bei gemeinsamem Leistungsbezug muss ein Gemeinschafter die Rechnung im Original aufbewahren. Die anderen unternehmerisch tätigen Gemeinschafter sind zur Aufbewahrung einer Kopie verpflichtet (Abschn. 14b.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE).

 Anwendung

Die Verwaltungsgrundsätze gelten für alle offenen Fälle. Für bis zum 31.12.2021 verwirklichte Sachverhalte ist eine Nichtbeanstandungsregelung vorgesehen.

Anmerkung

In Abkehr vom strengen Rechnungsformalismus gelten nach der Verwaltungsanweisung erleichterte Anforderungen an die Rechnungstellung, wenn die Gemeinschafter der Bruchteilsgemeinschaft bei gemeinsamem Leistungsbezug als Leistungsempfänger anzusehen sind. Rechnungen müssen nicht an den jeweiligen Gemeinschafter unter Ausweis seiner Anschrift ausgestellt werden. Ausreichend ist vielmehr die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift der Gemeinschaft.

Die bislang bestehende Uneinigkeit zwischen BFH und Finanzverwaltung im Hinblick auf die Optionsausübung durch einen Unternehmer, der an eine nichtunternehmerische Gemeinschaft leistet, besteht nicht mehr. Das BMF hat sich der Rechtsprechung angeschlossen (Abschn. 9.1 Abs. 6 Satz 5 UStAE). Mieten Eheleute, darunter ein Unternehmer, ein Grundstück und verzichtet der Vermieter auf die Steuerfreiheit, gestattet der BFH den hälftigen Vorsteuerabzug (BFH, Urt. v. 01.02.2001, V R 79/99). Die Finanzverwaltung hielt bisher die Option für unwirksam mit der Begründung, dass Leistungsempfänger die Ehegattengemeinschaft sei (BMF, Schreiben v. 09.05.2008, BStBl. I 2008, 675). An dieser Rechtsauffassung hält die Finanzverwaltung nicht mehr fest. Nach der neuen Regelung im Anwendungserlass kann der Vermieter zur Umsatzsteuer optieren, soweit der Vermietungsumsatz an einen unternehmerisch tätigen Gemeinschafter ausgeführt wird.

Betroffene Normen

​§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 9 Abs. 1 UStG

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 27.10.2021, III C 2 - S 7300/19/10002 :005

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