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01.07.2016
Indirekte Steuern/Zoll

Energiesteuer: Hydrierte Pflanzenöle (HVO) werden zwar thermochemisch hergestellt, stellen aber trotzdem keine besonders förderungswürdigen Biokraftstoffe dar

Der BFH hat klargestellt, dass die thermochemische Umwandlung im Sinne des Energiesteuergesetzes nicht auf Biomass-to-Liquid-Kraftstoffe beschränkt ist. Allerdings stellen HVO-Kraftstoffe auf Basis von Ölsaaten in Ermangelung der notwendigen breiteren biogenen Rohstoffgrundlage keine besonders förderungswürdigen Biokraftstoffe für eine Steuerentlastung dar.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall erwarb die Klägerin, die mit Mineralöl handelt, von einem Mineralölunternehmen einen Biokraftstoff. Bei diesem Biokraftstoff handelte es sich um sog. hydriertes Pflanzenöl (Hydrotreated Vegetable Oil, kurz HVO). Die Klägerin mischte das Pflanzenöl den von ihr vertriebenen Dieselkraftstoffen bei. Für 2007 beantragte sie, den Biokraftstoff von der Energiesteuer zu entlasten, da es sich um einen „besonders förderungswürdigen“ Biokraftstoff im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 (mittlerweile 4) Nr. 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) handele: Nämlich um synthetische Kohlenwasserstoffe, die durch die thermochemische Umwandlung von Biomasse entstanden seien.

Hergestellt wurde der fragliche Biokraftstoff aus Pflanzenölen aus Ölsaaten, vor allem Palm(kern)öl, sowie einem geringen Anteil tierischer Fette. Beim Herstellungsprozess (HVO-Verfahren) reagieren die im Pflanzenöl enthaltenen Triglyceride nach einer Vorbehandlung in Anwesenheit eines Katalysators mit Wasserstoff (Hydrierung). Bei Temperaturen von 320 bis 360°C und einem Druck von bis zu 80 bar spalten sich die Fettsäureglyceride auf und wandeln sich in Kohlenwasserstoffmoleküle verschiedener Länge um. Die Endprodukte dieses Umwandlungsprozesses sind einerseits der streitgegenständliche Biodieselkraftstoff und andererseits sonstige Bioprodukte wie Wasser, Wasserstoff und flüchtige Kohlenwasserstoffe.

Das zuständige Hauptzollamt und ebenso im späteren Klageverfahren das Finanzgericht Hamburg lehnten den Antrag auf Entlastung als unbegründet ab. Sie argumentierten im Wesentlichen, dass der Kraftstoff nicht „besonders förderungswürdig“ sei, weil das HVO-Verfahren keine „thermochemische“ Umwandlung der Biomasse darstellen würde. Denn in Fachkreisen verlange der Wortsinn zwingend den Zwischenschritt einer Vergasung bzw. Pyrolyse (also die rein thermische Aufspaltung langer Molekülketten).

Der Begriff sei eng auszulegen und umfasse nur das Verfahren der sog. Biomasseverflüssigung (Biomass to Liquid, kurz BtL), in dem ein solcher Zwischenschritt abläuft. Im HVO-Verfahren jedenfalls sei nicht die Wärmezufuhr das wesentliche Merkmal gewesen, sondern die Zufuhr des Wasserstoffs und dessen chemische Reaktion mit den Molekülen der Triglyceride.

Außerdem, so HZA und FG, sei gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 11 lit. e EnergieStG, der eine Rechtsgrundlage für weitere Steuerentlastungen für Biokraftstoffe darstellt, der Biokraftstoff nur dann „besonders förderungswürdig“, wenn er ein hohes CO2-Verminderungspotenzial aufweist und bei seiner Herstellung auf eine breitere biogene Rohstoffgrundlage zurückgegriffen werden kann als bei herkömmlichen Biokraftstoffen. Beides sei hier nicht gegeben gewesen. Der CO2-Ausstoß war 40 bis 60 % geringer als bei fossilen Kraftstoffen; und die Biomasse, aus der der Kraftstoff hergestellt wurde, bestand hauptsächlich aus Ölsaaten, nicht aus ganzen Pflanzen bzw. -teilen, und umfasste daher dieselbe Rohstoffgrundlage wie bei üblichen Biokraftstoffen.

Entscheidung

Der BFH hatte also zu entscheiden, ob hydriertes Pflanzenöl (HVO) die Voraussetzungen der „besonderen Förderungswürdigkeit“ im Sinne der Entlastungsnorm der § 50 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 (mittlerweile 4) Nr. 1 und § 66 Abs. 1 Nr. 11a lit. e EnergieStG erfüllt. Er verneinte dies im Ergebnis.

Zwar bejahte der Senat, dass nach dem bloßen Wortlaut der Entlastungsnorm, der Tatbestand erfüllt ist. Denn er stellte fest, dass der Formulierung der Normen und dem Wortsinn des Begriffes „thermochemisch“ nicht entnommen werden kann, dass der Herstellungsprozess zwingend eine Vergasung bzw. Pyrolyse enthalten muss.

Allerdings schränkte er die Auslegung des Begriffes der „besonderen Förderungswürdigkeit“ im Hinblick auf den strittigen HVO-Biokraftstoff aus systematischen und historisch-teleologischen Erwägungen ein.

HVO-Biokraftstoffe werden sowohl in § 37b S. 8 Alt. 1 BImSchG als auch in Anhang III zur RL 2009/28/EG ausdrücklich erwähnt. Dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass § 50 EnergieStG entsprechend weit ausgelegt werden muss. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung des Biokraftstoffquotengesetzes vom 18. Dezember 2006 der Wille des Gesetzgebers, Biokraftstoffe nicht mehr langfristig zu fördern, indem sie von der Energiesteuer befreit werden, sondern dadurch, dass sie den fossilen Kraftstoffen beigemischt werden müssen. Nur in besonderen Fällen ist eine doppelte Förderung gewollt. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis der Förderungsformen entnahm der BFH das Gebot einer restriktiven Auslegung.

Offen ließ der BFH, ob im Hinblick auf § 66 Abs. 1 Nr. 11a lit. e EnergieStG das CO2-Verminderungspotenzial des HVO-Biokraftstoffs von 40 bis 60 % ausreichend sei. Denn im Ergebnis verneinte er die „besondere Förderungswürdigkeit“ jedenfalls schon deswegen, weil beim HVO-Verfahren als Rohstoff hauptsächlich Ölsaaten verwendet werden. Dies entspricht jedoch der Rohstoffgrundlage herkömmlicher Biokraftstoffe (z.B. von Biodiesel, der ebenfalls nur aus Ölsaaten und anderen ölhaltigen Teilen der Pflanze gewonnen wird). Die restriktive Auslegung gebietet es aber, dem Gesetzeszweck entsprechend nur Biokraftstoffe miteinzubeziehen, bei deren Herstellung möglichst die gesamte Pflanze verwendet wird.

Fazit

Mit dem Urteil trägt der BFH zur Präzisierung der Entlastungsnorm bei. Er stellt klar, dass entgegen der weitverbreiteten Auffassung in der Literatur ein „thermochemisches“ Verfahren keine Vergasung bzw. Pyrolyse erfordert und daher nicht auf BtL-Kraftstoffe beschränkt ist, sondern auch das HVO-Verfahren umfasst. Da jedoch die Verfahrenstechnik in dieser Hinsicht keine Fortschritte gemacht hat und hydrierte Pflanzenöle nicht auch aus anderen Pflanzen oder Pflanzenteilen gewonnen werden können als den üblichen Ölsaaten, kann die Energiesteuerentlastung für diese Biokraftstoffe nicht gewährt werden. Die Bedeutung des Urteils ist jedoch in praktischer Hinsicht auf Altfälle begrenzt. Denn wie oben beschrieben sollen Biokraftstoffe nicht mehr steuerlich, sondern durch die Beimischungspflicht nach dem Biokraftstoffquotengesetz gefördert werden. Die steuerliche Entlastung nach § 50 EnergieStG lief zum 31.12.2015 aus.

In diesem Zusammenhang bleibt jedoch auch weiterhin offen, wann genau ein ausreichend hohes CO2-Verminderungspotenzial gegeben ist. Dies betrifft insbesondere relativ neue Formen von Biokraftstoffen, die noch nicht marktreif sind. Zu denken ist dabei beispielsweise an HVO-Verfahren, bei denen auch ölhaltige Algen verwendet werden können. Würden diese Arten von Algen „biogen“ im Sinne des § 37b Abs. 5 BImSchG sein, müsste die Frage nach der CO2-Bilanz erneut gestellt und beantwortet werden. Denn § 8 Abs. 1 Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung schreibt zwar eine feste CO2-Minderungsgröße vor. Allerdings sieht die Anlage 2 der Verordnung nur für einige wenige künftige, noch nicht marktreife Biokraftstoffe geschätzte Standardwerte für die CO2-Berechnung vor. Insofern bestünde also im Einzelfall zumindest keine rechtliche Unsicherheit mehr, sondern nur noch eine tatsächliche.
 

Betroffene Norm

§ 50 Absatz 1 Nr. 3 EnergieStG
§ 50 Absatz 4 Nr. 1 EnergieStG
§ 66 Absatz 1 Nr. 11a Buchstabe e EnergieStG

Vorinstanz

FG Hamburg, Urteil vom 24. Oktober 2013, 4 K 38/11, openJur 2014, 1261

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12. April 2016, VII R 56/13

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