Zurück zur Übersicht
URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/indirekte-steuern-zoll/eugh-anwendbarkeit-der-steuerbefreiung-fuer-finanztransaktionen-auf-die-vermittlung-von-garantieverlaengerungen.html
03.08.2021
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Anwendbarkeit der Steuerbefreiung für Finanztransaktionen auf die Vermittlung von Garantieverlängerungen

​Stellen Umsätze betreffend die Vermittlung des Verkaufs von Garantieverlängerungen für Elektrogeräte durch einen Steuerpflichtigen, dessen Haupttätigkeit im Verkauf von Elektrogeräten an Verbraucher besteht, für den Ausschluss der entsprechenden Beträge von der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs Finanzumsätze dar bzw. sind sie diesen gleichzustellen?

Sachverhalt

Rádio Popular (RP) ist eine Aktiengesellschaft, die elektrische Haushaltsgeräte und andere Computer- und Telekommunikationsgeräte vertreibt. Beim Verkauf dieser Artikel bot RP den Kunden eine Garantieverlängerung gegen Zahlung eines Aufpreises an. Dabei vermittelte RP den Verkauf der Versicherungsprodukte durch ein Versicherungsunternehmen. RP behandelte die Vermittlung der Garantieverlängerungen als steuerfreien Versicherungsumsatz, zog jedoch für ihre gesamte Tätigkeit die entrichtete Vorsteuer in voller Höhe ab.

Die portugiesische Steuerbehörde vertrat die Auffassung, dass RP sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Leistungen erbrachte und teilte die Vorsteuerbeträge entsprechend auf. Das vorlegende, Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten zweifelte daran, dass der Verkauf der Garantieverlängerungen durch RP Finanzumsätze darstellte und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung des EuGH

Bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs ist der Betrag der Umsätze, die ein Steuerpflichtiger im Rahmen seiner Haupttätigkeit, die im Verkauf von Haushaltsgeräten sowie Informatik- und Telekommunikationsartikeln an Verbraucher besteht, mit der Vermittlung des Verkaufs von Garantieverlängerungen erzielt, nicht außer Acht zu lassen. Der Betrag dieser Umsätze darf im Nenner des Bruchs für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs daher nicht unberücksichtigt bleiben.

Anmerkung

Nach dem EuGH sind die Umsätze der RP im Hinblick auf die Vermittlung des Verkaufs von Garantieverlängerungen als zu Versicherungsumsätzen „dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und –vertretern erbracht werden“ (Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) anzusehen. Unter Bezugnahme auf die Rechtssache Aspiro (EuGH, Urteil vom 17.03.2016, Aspiro, C‑40/15) führt der EuGH aus, dass das Merkmal „dazugehörig“ weit auszulegen ist, so dass sämtliche Dienstleistungen erfasst werden, die zur Bewirkung von Versicherungsumsätzen beitragen. Des Weiteren müssen die Dienstleistungen von einem Versicherungsmakler oder –vertreter erbracht werden. Das ist der Fall, wenn der Leistende mit dem Versicherer und dem Versicherten zumindest mittelbar in Verbindung steht (EuGH, Urteil vom 25.03.2021, Q‑GmbH, C‑907/19, vgl. Deloitte Tax-News). Wesentlich für die Versicherungsvermittlung ist die Kundensuche und die Herstellung des Kontakts zwischen den Kunden und dem Versicherer zum Abschluss von Versicherungsverträgen. RP, die einerseits Beziehungen zum Versicherer und andererseits zum Versicherten hat, erbringt mit der Vermittlung der Garantieverlängerung daher einen steuerfreien Versicherungsvermittlungsumsatz. Diese Umsätze fallen jedoch nicht unter die Abweichung der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs (Art. 174 Abs. 2 MwStSystRL). Nach Wortlaut und Systematik differenziert die MwStSystRL ausdrücklich zwischen Versicherungsumsätzen i.S.d Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL und Finanzumsätzen i.S.d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g MwStSystRL. Zwar verbietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gleichartige, im Wettbewerb stehende Umsätze unterschiedlich zu behandeln. Der EuGH verneint jedoch bereits das Vorliegen gleichartiger Umsätze. Die Vorsteuerbeträge waren daher in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Betrag aufzuteilen.

Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung des EuGH und ist relevant für sämtliche Händler, die Garantien vermitteln. Für die umsatz- und versicherungssteuerrechtliche Behandlung von Garantien ist aufgrund der Vielzahl möglicher Fallkonstellationen stets die konkrete vertragliche Ausgestaltung maßgeblich. Im Rahmen der verschiedenen Geschäftsmodelle oder geplanten Umstellungen, sollten Unternehmen insbesondere die beiden aktuellen BMF-Schreiben vom 11.05.2021 und 18.06.2021 beachtet. Denn die Finanzverwaltung hat ihre Rechtsauffassung zur umsatz- und versicherungsteuerrechtlichen Beurteilung von Garantiezusagen geändert (vgl. Deloitte Tax-News).

Betroffene Normen

Art. 135 Abs.1 Buchst. a MwStSystRL; Art. 174 Abs. 2 MwStSystRL

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 08.07.2021, C‑695/19

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.