Setzt die Anwendung der TOMS-Regelungen voraus, dass ein Konsolidierer von Hoteldienstleistungen, der diese kauft und an Geschäftskunden weiterverkauft, zusätzliche Leistungen erbringt?
Der Anwendungsbereich der Vorschriften zur Margenbesteuerung in § 25 UStG (Art. 306 MwStSystRL), ist nach wie vor Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Im Rahmen der EuGH-Urteile (EuGH Urt. v. 19.12.2018, C-552/17, Alpenchalets, Deloitte Tax-News) stellte der EuGH zunächst fest, dass auch Reiseleistungen an Unternehmer der Margenbesteuerung zu unterwerfen sind und klärte tatbestandliche Voraussetzungen der Margenbesteuerung sowie Fragen zum Steuersatz von Reiseleistungen. Danach ist die Margenbesteuerung auch auf eine Dienstleistung anwendbar, die in der Erbringung einer zugekauften Leistung besteht, sofern es sich bei ihr um Unterbringung oder Beförderung handelt. Im JStG 2019 erfolgte die gesetzliche Anpassung von § 25 UStG, der seitdem auch B2B-Leistungen umfasst. Höchstrichterlich nicht geklärt blieb hingegen die Frage, ob die Anwendung der für Reisebüros geltenden Sonderregelung voraussetzt, dass neben der Erbringung einer zugekauften Leistung weitere Leistungen erbracht werden. Mit dieser Frage setzte sich der EuGH in dem vorliegenden polnischen Vorabentscheidungsersuchen auseinander.
Die Klägerin ist als Konsolidierer von Hoteldienstleistungen tätig und bietet die Möglichkeit an, Beherbergungsleistungen in Hotels und anderen Einrichtungen mit ähnlicher Funktion im In- und Ausland zu reservieren. Da die Klägerin nicht über eigene Beherbergungsbetriebe verfügt, kauft sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Beherbergungsleistungen von anderen Steuerpflichtigen, die sie dann an ihre Kunden weiterverkauft. Die Kunden der Klägerin sind Steuerpflichtige, die keine Beherbergungsleistungen an Einzelhandelskunden verkaufen. Je nach den Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden berät die Klägerin auch bei der Wahl der Unterkunft und ist bei der Reiseplanung behilflich. In den meisten Fällen bietet die Klägerin bei der Buchung und dem Weiterverkauf von Beherbergungsleistungen dem Kunden jedoch keine Zusatzleistungen in Form von Reiseinformationsdiensten oder Reiseberatung an. Der Kunde ist regelmäßig nur am Erwerb einer Beherbergungsleistung interessiert. Der Preis, zu dem die Klägerin einzelne Beherbergungsleistungen weiterverkauft, umfasst die Kosten für den Erwerb der Beherbergungsleistung und die Einnahmen aus einer Transaktionsgebühr für die Durchführung der Buchung.
Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Leistung eines Steuerpflichtigen, die darin besteht, Beherbergungsdienstleistungen bei anderen Steuerpflichtigen zu kaufen und sie an andere Wirtschaftsteilnehmer weiterzuverkaufen, auch dann unter die für Reisebüros geltende Sonderregelung der Mehrwertsteuer fällt, wenn diese Dienstleistungen nicht mit zusätzlichen Leistungen verbunden sind.
Art. 306 MwStSystRl; § 25 UStG
Die EuGH-Entscheidung bestätigt die bereits bestehende Rechtsprechung zum Anwendungsbereich der Margenbesteuerung und führt diese fort. Da es für die Anwendung der Sonderregelung ausreichend ist, dass Ferienunterkünfte durch das Reisebüro bereitgestellt werden und es gerade nicht darauf ankommt, welche Bestandteile, die dem Reisenden angebotenen Leistungen umfassen, haben etwaige andere Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen, die zu dieser Bereitstellung von Unterkünften hinzutreten, keine weiteren Auswirkungen. Andernfalls liefen Sinn und Zweck der Vorschrift, die Besteuerung zu vereinfachen, leer. Diese Rechtsgrundsätze aus dem EuGH Urt. Alpenchalets (a.a.O.) überträgt der EuGH auf den vorliegenden Fall und kommt damit zum Ergebnis, dass keine zusätzlichen Leistungen neben der Erbringung der eingekauften und anschließend weiterverkauften Beherbergungsdienstleistung erforderlich sind, damit die Sonderregelung Anwendung findet.
Die Entscheidung steht im Einklang mit der deutschen Rechtslage. Die nationale Auslegung und Anwendung der Norm entspricht dem unionsrechtlichen Verständnis, ist jedoch in der Praxis und der Literatur nicht unumstritten, da das angestrebte Ziel der Vereinfachung in der Praxis oftmals nicht erreicht wird. Im Rahmen des EU-Konsultationsverfahrens zur Anwendung der TOMS-Regelung ist daher zu erwarten, dass die Diskussion erneut aufflammt, ob die Anwendung der Sonderregelung für Reisebüros auf „echte Reisepakete“ und B2C-Leistungen zu beschränken ist.m Hinblick auf die Besteuerung von Reiseleistungen von Unternehmen mit Sitz im Drittland hat das BMF erst kürzlich mit Schreiben vom 29. Januar 2021 den Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder veröffentlicht, dass § 25 UStG bei Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland und ohne feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet nicht anwendbar ist. Aus Gründen des Vertrauensschutzes beanstandete die Finanzverwaltung die Anwendung von § 25 UStG zunächst auf bis zum 31.12.2020 ausgeführte Reiseleistungen solcher Unternehmen nicht. Diese Nichtbeanstandungsregelung hat das BMF mit zwei weiteren Schreiben bis zum Jahresende verlängert. Mit dem Schreiben vom 27.6.23 verlängert das BMF nun die Nichtbeanstandungsregelung um weitere drei Jahre, bis zum 31.12.2026.
EuGH, Urteil vom 29.06.2023, C‑108/22
BMF, Schreiben vom 29.01.2021, III C 2-S 7419/19/10002:004
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