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30.06.2021
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Eine durch fremde Dritte bewirtschaftete Liegenschaft begründet keine feste Niederlassung – und was passiert jetzt mit den Windkraftanlagen?

„Eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie stellt keine feste Niederlassung dar, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt.“ Die Eindeutigkeit der Entscheidung hat nicht nur Auswirkungen auf im Ausland sitzende Unternehmer die lediglich steuerpflichtige Vermietungsumsätze in Deutschland erzielen und auf im Ausland sitzende Betreiber von Windkraftanlagen.

Hintergrund

Der Begriff der Betriebsstätte bzw. der festen Niederlassung ist durch die Rechtsprechung des EuGH geprägt und folgt unionsrechtlich aus Art. 11 MwStVO (aus deutscher Sicht siehe § 3a UStG sowie Abschn. 3a.1. Abs. 3 UStAE). Die Frage, ob eine Betriebsstätte/feste Niederlassung vorliegt, ist insbesondere für die Zuordnung von Besteuerungsrechten zwischen den Mitgliedstaaten von Relevanz. Unter welchen Kriterien eine Betriebsstätte/feste Niederlassung vorliegt und wie der Begriff unionsrechtskonform auszulegen ist, ist dennoch streitig (vgl. auch MwSt-Ausschuss Working-Paper No. 968). Zur Verunsicherung beigetragen haben aus deutscher Sicht auch die sogenannten „Windkraftanlagenurteile“, bei denen es an eigenem Personal des Betreibers vor Ort fehlte. So urteilten die Finanzgerichte Münster, Köln und Schleswig-Holstein (FG Münster v. 05.09.2013, 5 K 1768/10 U; FG Köln v.14.03.2017, 2 K 920/14), dass der Betrieb von Windkraftanlagen eine inländische Betriebsstätte begründet. Denn die Windkraftanlage bedarf zum Betrieb keine umfangreichen personellen Sachmittel und eine geringe oder sogar fehlende personelle Ausstattung könne durch eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte sachliche Ausstattung kompensiert werden. Diese Entscheidungen warfen weitere Fragen im Hinblick bspw. auf Server oder auch Piplines auf, die danach auch feste Niederlassungen begründen können. Ferner stellte sich bislang die Frage, ob das Vorliegen einer festen Niederlassung zwingend „eigenes“ Personal und eine „eigene“ technische Ausstattung erfordert, oder ob eine vergleichbare Verfügungsgewalt über Personal und Sachmittel genügt (so der BFH, Urt. v. 29.04.2020, XI R 3/18; ähnlich bereits BFH Beschl. v. 15.02.2017, XI R 21/15 n.v.). Diese Frage dürfte nun vom EuGH beantwortet worden sein.

Sachverhalt

Die Gesellschaft Titanium mit Sitz und Geschäftsleitung auf Jersey vermietete eine ihr gehörende Immobilie in Österreich steuerpflichtig an österreichische Unternehmer. Mit der Hausverwaltung beauftragte die Gesellschaft einen österreichischen Dienstleister, der u.a. die Vermittlung von Dienstleistern und Lieferanten, Abrechnung der Mieten und Betriebskosten, Dokumentation der Geschäftsaufzeichnungen, Vorbereitung der Umsatzsteuererklärungen übernahm. Der Dienstleister führte die Tätigkeiten in eigenen Räumlichkeiten und durch eigenes Personal aus. Titanium behielt die Entscheidungsgewalt über die Begründung und Auflösung der von Mietverhältnissen sowie aller wesentlichen Entscheidungen hinsichtlich der Erhaltung und Verwaltung der Immobilie. Titanium ging davon aus, dass sie in Österreich keine Umsatzsteuer schuldete, da sie in Österreich keine feste Niederlassung hatte und damit der Mieter Steuerschuldner war. Das FA ging von einer festen Niederlassung aus und setzte USt fest.

Entscheidung:

Eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie stellt keine feste Niederlassung dar, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt. Eine feste Niederlassung verlangt einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (EuGH Urt. v. 28.06.2007, C-73/065 Planzer Luxembourg). Insbesondere bei einer Struktur, bei der es an eigenem Personal fehlt, ist eine Subsumtion unter den Begriff feste Niederlassung nicht möglich.

Anmerkung

Während der EuGH dem Fall keine besondere Aufmerksamkeit schenkte und ohne Schlussanträge entschied, entfaltet das Urteil aus deutscher Sicht für Steuerpflichtige erhebliche Sprengkraft. Für die Begründung einer festen Niederlassung ist demnach eigenes Personal unerlässlich. In der EuGH Entscheidung DFDS (Urt. v. 20.02.1997, C-260/95) urteilte der EuGH, dass auch das Personal einer Tochtergesellschaft, die nach außen im Namen der Mutter auftrat, für die Begründung einer festen Niederlassung ausreichend ist. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Urteil folgt daraus, dass nicht nur das Dienstleistungsverhältnis selbst entscheidend ist, sondern es im Einzelfall auch darauf ankommen kann, in wessen Namen das Personal nach außen auftritt und welche Beziehungen (Konzerngesellschaft, nahestehende Person, fremder Dienstleister usw.) zueinander bestehen. Daneben wirft das Urteil die Frage auf, ob die Ausführungen allein auf das Merkmal der personellen Ausstattung zutreffen oder ob nicht gleiches für das Merkmal der technischen Ausstattung zutreffen muss.

Unabhängig davon könnten vor allem im Ausland sitzende Unternehmer, die lediglich steuerpflichtige Vermietungsumsätze in Deutschland haben, vom Urteil betroffen sein. Inwieweit die bislang von der Verwaltung vertretene Auffassung (Abschn. 13b.11. Abs. 2 S. 2 UStAE und in Abschn. 18.10. Abs. 1 S. 4 UStAE), nachdem Unternehmer als im Inland ansässig zu behandeln sind, soweit sie ein im Inland belegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, von der Verwaltung überdacht wird, bleibt abzuwarten. Ausländische Betreiber von Windkraftanlagen und anderen bautechnischen Anlagen sind auf das Vorsteuervergütungsverfahren im Hinblick auf die Geltendmachung ihrer Vorsteuerbeträge angewiesen, da nach § 18 Abs. 9 S. 3 UStG im Ausland ansässige Unternehmer das Regelsteuerverfahren nicht in Anspruch nehmen können, wenn sie ausschließlich Steuern nach § 14c UStG schulden.

Betroffene Normen

Art. 11 MwStVO; § 3a UStG; Abschn. 3a.1. Abs. 3 UStAE

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 03.06.2021, C-931/19

Weiterführende Literatur

MwStR 2014, 35 Pogodda-Grünwald zu Finanzgericht Münster, Urteil vom 05.09.2013, 5 K 1768/10 U
MwStR 2017, 889 Lembke zu Finanzgericht Köln, Urteil vom 14.03.2017, 2 K 920/14

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