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11.04.2025
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH/GA: (Mindest-)Bemessungsgrundlage bei Dienstleistungen einer Holding an ihre Tochtergesellschaften

​Die Generalanwältin beim EuGH ist der Auffassung, dass Verwaltungsdienstleistungen einer Holding an ihre Töchter nicht grundsätzlich als einzigartige (einheitliche) Leistung anzusehen sind. Eine Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage für diese Leistungen auf Basis von Vergleichspreisen kann damit nicht generell ausgeschlossen werden. 

EuGH, Schlussanträge vom 06.03.2025, C-808/23, ​Högkullen

Hintergrund

Zwischen Holdinggesellschaften und beherrschten Tochtergesellschaften werden regelmäßig entgeltliche Verwaltungsdienstleistungen vereinbart und erbracht. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind solche Leistungen grundsätzlich dazu geeignet, eine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft der Holding zu begründen und die Beteiligungen, an die solche Leistungen erbracht werden, dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen. Diese Vorgehensweise eröffnet der Holding – im Gegensatz zum bloßen Halten und Verwalten von Beteiligungen – den Vorsteuerabzug aus Aufwendungen im Zusammenhang mit der aktiven „entgeltlichen“ Verwaltung von Beteiligungen.

Aus Verrechnungspreissicht besteht grundsätzlich die Verpflichtung, Verwaltungsdienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen zu verrechnen, um den Fremdvergleichsgrundsatz zu erfüllen. Sind die Leistungen tatsächlich erbracht worden und konnte die beherrschte Tochtergesellschaft einen tatsächlichen Nutzen daraus ziehen, so ist typischerweise unter Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ein sachgerechter Anteil der entstandenen Kosten (unter Exklusion von sog. Gesellschafteraufwand) seitens der Holdinggesellschaften zzgl. eines angemessenen Gewinnaufschlags (Verrechnungspreis) an die leistungsempfangenden Tochtergesellschaften zu verrechnen. Die Festlegung und Beurteilung der Fremdüblichkeit des vorgenannten Verrechnungspreises erfolgt hier leistungs-/einzelfallspezifisch, folgt allerdings nicht zwingend der Ermittlung der umsatzsteuerlichen Mindestbemessungsgrundlage.

Neben der Frage, welche Leistungen (Art und Umfang) erforderlich sind, um eine aktive Verwaltung durch die Holdinggesellschaft begründen zu können, stellt sich in der Praxis, sowohl aus umsatzsteuerlicher Sicht als auch aus einer Verrechnungspreis-Perspektive, regelmäßig die Frage nach der „richtigen“ Höhe des Leistungsentgelts. Aus umsatzsteuerlicher Sicht schließt sich die Folgefrage an, ob der Anwendungsbereich der Mindestbemessungsgrundlage eröffnet ist.

In der Sache Högkullen soll der EuGH im Zusammenhang mit der Mindestbemessungsgrundlage nun die Frage klären, ob die gesamten Kosten einer Muttergesellschaft in die (Mindest-)Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, wenn die Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaften entgeltlich verwaltet und die Muttergesellschaft die gesamte Vorsteuer auf ihre Eingangsleistungen abgezogen hat. 

Sachverhalt

Die Högkullen AB (im Folgenden: Holding) ist eine schwedische Konzernmutter, deren Tätigkeit sich darauf beschränkt, konzerninterne Leistungen im Bereich Unternehmensführung, Finanzierung sowie Immobilien-, IT- und Personalverwaltung an ihre Tochtergesellschaften zu erbringen. Diese Leistungen sind unstreitig umsatzsteuerpflichtig. Die empfangenden Tochtergesellschaften erbringen hingegen teilweise auch umsatzsteuerfreie Leistungen, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

Die Holding stellte den Tochtergesellschaften die o.g. Leistungen nach eigenen Angaben auf Basis der Kostenaufschlagsmethode (“Cost-Plus-Methode") in Rechnung. Dabei wendete die Holding Verteilungsschlüssel für die Zuordnung angefallener Kosten zu den einzelnen Leistungen an die Tochtergesellschaften an und ließ mehrere Kostenpositionen (Revision, Hauptversammlung, Kapitalbeschaffung, Aktienausgabe, Börsenzulassung) unberücksichtigt. Auf dieser Basis stellte die Holding den Tochtergesellschaften im Streitjahr ca. 2,3 Mio. schwedische Kronen in Rechnung. Die Gesamtaufwendungen der Holding betrugen ca. 28 Mio. schwedische Kronen, wovon etwa die Hälfte aus vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen resultierte.

Das schwedische Finanzamt vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Leistungen der Holding an die Tochtergesellschaften um eine einheitliche sonstige Leistung handelt. Daher seien für die Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage für diese Leistung sämtliche Aufwendungen der Holding (mithin ca. 28 Mio. schwedische Kronen) zu Grunde zu legen.

Der EuGH soll im Vorabentscheidungsersuchen die Fragen klären, ob die Tätigkeiten der Holding eine einheitliche Leistung darstellen, sodass ein Rückgriff auf Vergleichspreise für die Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage ausgeschlossen ist und ob dabei eine Berücksichtigung sämtlicher Kosten (einschließlich Kapitalbeschaffungs- und Aktionärskosten) zulässig ist. 

Schlussanträge vom 6. März 2025

Die Generalanwältin kommt in ihren Schlussanträgen zum Ergebnis, dass es sich bei den Leistungen der Holding jeweils um fünf eigenständige Leistungen (Unternehmensführung, Finanzierung sowie Immobilien-, IT- und Personalverwaltung) handelt und keine einheitliche Leistung eigener Art vorliegt. Dementsprechend ist die Berücksichtigung eines Vergleichswerts für die Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage nicht bereits deswegen von vornherein ausgeschlossen.

Folglich können die Ausgaben der Holding zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Leistungen der Holding nur dann herangezogen werden, soweit keine Vergleichswerte auf dem freien Markt für die fünf getrennt zu beurteilenden Leistungen ermittelbar sind. Eine solche Ermittlung sei „wahrscheinlich möglich“. Bei Leistungen, welche die Holding von fremden Dritten eingekauft und an die Tochtergesellschaften weiterberechnet hat, seien zudem keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dagegensprächen, die an fremde Dritte gezahlten Einkaufspreise als Vergleichspreise anzusehen.

Auf die zweite Vorlagefrage bzgl. des Umfangs einzubeziehenden Ausgaben der Holding wird nur hilfsweise eingegangen, da sich diese Frage bei ermittelbaren Vergleichspreisen nicht mehr stellt. Ein pauschaler Einbezug sämtlicher Ausgaben der Holding – wie von dem schwedischen Finanzamt vorgesehen - ist nach Auffassung der Generalanwältin nicht zulässig. Es sind bei der Ermittlung lediglich die vorsteuerbelasteten Aufwendungen einzubeziehen und den jeweiligen Ausgangsleistungen zuzuordnen. Zudem können Kosten für Investitionsgüter auch auf Dienstleistungen kommender Jahre entfallen und sind daher nur anteilig einzubeziehen.  

Betroffene Normen

​Art. 72 MwStSystRL; Art. 80 MwStSystRL, § 10 Abs. 4 und Abs. 5 UStG

Anmerkung

Es ist bemerkenswert, dass die Generalanwältin ihren Ausführungen zu den spezifischen Vorlagefragen sowohl in der Einleitung als auch in der rechtlichen Würdigung eine grundsätzliche Kritik an der Holding-Rechtsprechung des EuGH voranstellt. Nach Ansicht der Generalanwältin führt diese Rechtsprechung dazu, dass in Konzernstrukturen entgeltliche Dienstleistungen zwischen Holding und Tochtergesellschaften „konstruiert“ (sic) werden, um die Mehrwertsteuerbelastung aus der Verwaltung zu neutralisieren. Ohne diese Rechtsprechung seien keine gesonderten Entgelte für Verwaltungsleistungen erforderlich, da ertragsteuerlich eine rein interne „Kostenumlage“ genüge.

Die vorliegenden Verwaltungsdienstleistungen stellen aus Verrechnungspreissicht eine Geschäftsbeziehung zwischen verbundenen Unternehmen dar, bei der dem Leistenden (hier: den Holdinggesellschaften) Kosten aufgrund der Leistungserbringung entstehen und ein Nutzen seitens der Leistungsempfänger (hier: beherrschte Tochtergesellschaften) generiert (z.B. muss kein eigenes oder weniger Personal eingestellt werden) wird. Würden etwaige Leistungen nicht durch die Holdinggesellschaften erbracht, müssten solche Leistungen von fremden Dritten am Markt eingekauft werden oder aber eigenes Personal dafür eingestellt werden. Entsprechend handelt es sich um eine am Markt übliche konzerninterne Leistungsbeziehung. Auch fremde Dritte würden für die hier betrachteten Leistungen ein Entgelt verlangen bzw. auch gewillt sein dieses zu zahlen.

Sofern belegbar ist, dass die Leistungen tatsächlich erbracht wurden, diese notwendig gewesen sind, ein tatsächlicher Nutzen für den Leistungsempfänger bestand (sog. Benefit Test) und ein Entgelt unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes festgelegt wurde, kann rein sachlogisch schon nicht von einer “konstruierten Leistung" ausgegangen werden. Unabhängige fremde Dritte würden nicht fremdunüblich handeln, um einem anderen fremden Dritten einen Vorteil zu verschaffen. Vielmehr sind solche Leistungen erforderlich, um den Tochtergesellschaften zu ermöglichen ihren operativen Geschäftszweck ausüben zu können.

Bei der Vereinbarung und Abrechnung von Verwaltungsdienstleistungen im Konzern sind daher sowohl umsatzsteuerliche als auch ertragsteuerliche Aspekte zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen. Sowohl eine bloße „Konstruktion“ als auch eine zu niedrige Berechnung solcher Leistungen bergen steuerartenübergreifende Risiken, die sich durch eine ganzheitliche Betrachtung minimieren lassen.

Die Absage der Generalanwältin an eine pauschale Umsatzbesteuerung von Verwaltungsleistungen in Höhe sämtlicher Kosten der Holding ist aus Neutralitätsgesichtspunkten zu begrüßen. Gleichwohl müssen sich Steuerpflichtige den Herausforderungen bewusst sein, die eine Ermittlung und Dokumentation von Vergleichspreisen für sämtliche Einzelleistungen der Holding mit sich bringt. Die Entscheidung des EuGH in dieser Rechtssache bleibt abzuwarten.

Fundstelle

EuGH, Schlussanträge vom 06.03.2025, C-808/23, ​Högkullen

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