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14.09.2020
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Gedanken sind nicht immer zollfrei

Der EuGH hat mit Urteil vom 10.09.2020 Rs. C-509/19 entschieden, dass der wirtschaftliche Wert von in der EU entwickelter Software, die dem im Drittland ansässigen Verkäufer unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, zum Transaktionswert der eingeführten Waren hinzuzurechnen ist.

Sachverhalt

In dem Verfahren geht es um die Einfuhr von Steuergeräten aus dem Drittland. Im Rahmen der Produktion dieser Steuergeräte wurde dem drittländischen Produzenten und Verkäufer durch die Klägerin eine von ihr selbst entwickelte Software übermittelt, die durch den Produzenten der Steuergeräte auf diese aufgespielt wurde. Diese benutzen sie, um vor der Auslieferung der Steuergeräte Funktionstests durchzuführen. Das Testprotokoll dokumentiert, dass die Zusammenarbeit von Steuergerät und Software reibungslos funktioniert. Mit ihm lässt sich auch feststellen, ob auftretende Fehler bei der Auslieferung, beim Transport oder im Zuge der Implementierung der Software verursacht werden. Anschließend wurden die Steuergeräte von der Klägerin zur weiteren Verarbeitung, zum Einbau oder als Ersatzteil in den freien Verkehr der EU eingeführt.

Im Rahmen einer Zollprüfung hob die deutsche Zollverwaltung Einfuhrabgaben nach, weil sie der Auffassung ist, dass der Wert der Software als Beistellung gemäß Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) i) dem Zollwert hinzuzurechnen ist.

Hiergegen erhob die Klägerin Sprungklage beim Finanzgericht München, welches Zweifel an der Auffassung der deutschen Zollverwaltung hatte und den EuGH um Vorabentscheidung bat.

Entscheidung

Das Urteil des EuGHs enthält folgende Kernaussagen:

  • Immaterielle Güter können sowohl unter Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) i) als auch unter Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) iv) des UZK fallen.
  • Die für die Herstellung der Ware erforderlichen geistigen Leistungen fallen unter Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) iv) UZK.
  • Immaterielle Bestandteile, die im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der eingeführten Waren in ihnen enthalten und nicht für ihre Herstellung erforderlich sind, fallen unter Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) i) UZK.

Anmerkung

Das Urteil ist von weitreichender Bedeutung, da in der heutigen digitalen Welt viele Unternehmen eigene Software entwickeln und diese drittländischen Herstellern zur Verfügung stellen. Der EuGH folgt im Ergebnis sowohl der Auffassung der deutschen Zollverwaltung als auch des Ausschusses für den Zollkodex, Fachbereich Zollwert. Software, die für die Herstellung der eingeführten Ware erforderlich ist, fällt unter Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) iv) UZK und ist nicht zollwertrelevant, wenn sie innerhalb der EU entwickelt wurde.
Software, die zur Funktionsfähigkeit der eingeführten Ware in diese eingebaut oder aufgebracht wird, ist als immaterieller Bestandteil nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) i) UZK bei der Zollwertermittlung auch dann hinzuzurechnen, wenn sie innerhalb der EU entwickelt wurde.
Fraglich ist, ob und wie sich eine Hinzurechnung des Wertes von in der EU entwickelter Software, die zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der eingeführten Waren dient, vermeiden lässt.
Grundsätzlich können die unter Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) i) UZK fallenden Materialien und Bestandteile im Rahmen eines passiven Veredelungsverkehrs ausgeführt werden. Ins zollrechtliche Ausfuhrverfahren können jedoch nur Waren überführt werden. Ihr Wert würde dann bei der Einfuhr der Veredelungserzeugnisse unberücksichtigt bleiben. Der Begriff „Waren“ ist im Zollrecht nicht spezifisch definiert. Nach allgemeinem Verständnis schließt der Begriff „Waren“ alle Waren, einschließlich elektrischen Strom ein. Immaterielle Güter sind von dem Begriff nicht erfasst, was der Idee folgt, dass „konzeptionelle Gedanken“ oder „Ideen“ zollfrei sind.
Im vorliegenden Fall hätte die Software als immaterielles Gut und nach bisheriger Praxis nicht zu einem passiven Veredelungsverfahren angemeldet werden können.
In konsequenter Auslegung des Zollrechtssollte dies aber nun gelten, wenn die Software nicht elektronisch, sondern auf einem Datenträger zur Verfügung gestellt wird und mit diesem zur Ausfuhr angemeldet wird.
In diesem Fall könnte der die Software enthaltende Datenträger im Rahmen eines passiven Veredelungsverkehrs ausgeführt werden und dann, wie bei einer materiellen Beistellung, der Wert der beigestellten Software bei der Verzollung des Endproduktes unberücksichtigt bleiben
Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Software vom Produzenten zu Funktionstest benutzt wurde, kann alternativ überlegt werden, die Software vor Lieferung der Geräte wieder zu deinstallieren und für den eigentlichen Gebrauch der Geräte nach der Einfuhr erneut zu installieren.

Es ist davon auszugehen, dass das Finanzgericht dem Urteil des EuGHs folgen wird und die Zollverwaltung mit dem Wissen um die Rechtssicherheit der eigenen Auffassung Software-Beistellungen verstärkt in den Fokus zollrechtlicher Prüfungen nehmen wird.

Bei Fragen zu diesem Newsletter oder bei allgemeinem Beratungsbedarf zu zoll- oder speziell zollwertrechtlichen Fragen steht Ihnen unser Global Trade Advisory Team zur Verfügung.

Betroffene Normen

Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) i) UZK, Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) iv) UZK

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 10.09.2020, C-509/19 

Ihr Ansprechpartner

Michael Schäfer

micschaefer@deloitte.de
Tel.: +4962115901869

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