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21.03.2023
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Influencer, Online-Plattformen und die Erhebung der Mehrwertsteuer - wer erbringt die Dienstleistung an wen?

In welchen Fällen ist die Vermittlerstellung einer digitalen Plattform für umsatzsteuerliche Zwecke zu negieren und stattdessen eine Leistungskette zwischen Leistungsanbieter, Plattformbetreiber und Nutzer anzunehmen?

​Hintergrund

Der Influencer und Streaming Markt, der auf Social-Media-Plattformen stattfindet, ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Fans können die von Influencern auf solchen Plattformen hochgeladenen und geposteten Fotos/Videos kostenpflichtig im Rahmen von punktuellen Zahlungen oder durch Abschluss von Abos erwerben, dem Influencer Profil „folgen“, Videos in Echtzeit streamen oder/und auch Trinkgelder, für die sie im Gegenzug keine Leistung in Form von Inhalten erhalten, geben. Aus umsatzsteuerlicher Sicht stellt sich die Frage, wer an den Fan leistet und damit die Umsatzsteuer schuldet: Der Influencer selbst oder die Plattform im Rahmen einer Dienstleistungskommission? Mit dieser Frage hat sich der EuGH in der Rechtssache Fenix International Ltd. (Urt. v. 28.02.2023, C-695/20), die im Internet die Social-Media-Plattform „Only Fans“ betreibt, auseinandergesetzt.

Im Hinblick auf das Vorliegen einer Dienstleistungskommission gilt nach der MwStSystRL ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen von Dienstleistungen als Vermittler im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen handelt, als Erbringer der Dienstleistungen (Art. 9a MwStVO; Art. 397, 28 MwStSystRL). In Anbetracht der Entwicklung des Mehrwertsteuersystems und zur Sicherstellung einer unionsweiten, einheitlichen Anwendung der Regelung, ist nach der Durchführungsverordnung des Rates „davon auszugehen…, dass ein an dieser Erbringung beteiligter Steuerpflichtiger im eigenen Namen, aber für Rechnung des Anbieters dieser Dienstleistung tätig ist“, wenn elektronische Dienstleistungen über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal, wie einen Appstore, erbracht werden. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn der Anbieter von dem Steuerpflichtigen ausdrücklich als Leistungserbringer genannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Dagegen wird stets davon ausgegangen, dass ein an der Erbringung beteiligter Steuerpflichtiger im eigenen Namen, aber für Rechnung des Anbieters dieser Dienstleistungen tätig ist, so dass er selbst als Erbringer dieser Dienstleistungen gilt, wenn er die Abrechnung mit dem Dienstleistungsempfänger autorisiert, ihre Erbringung genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Erbringung festlegt.

Sachverhalt

Fenix International, eine für Mehrwertsteuerzwecke im Vereinigten Königreich registrierte Gesellschaft, betreibt die Social-Media-Plattform „Only Fans“, die weltweit angeboten wird. Fenix stellt nicht nur die Only-Fans-Plattform bereit, sondern auch die Anwendung, die den Einzug und die Verteilung der von den Fans geleisteten Zahlungen an die Influencer ermöglicht. Dafür nutzt sie einen Dritten als Zahlungsdienstleister. Fenix behält 20 % aller an einen Influencer gezahlten Beträge für die Dienstleistung des Portals ein und stellt diesem den entsprechenden Betrag in Rechnung. Auf diesen Betrag erhebt sie Mehrwertsteuer zu einem Satz von 20 %, die in den von ihr ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist.

Only Fans ging von einer Leistung an die Influencer aus. Die Influencer würden eine Dienstleistung unmittelbar an die Fans erbringen, die mit der gesamten Abogebühr vergütet werde.

Die Steuer- und Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs vertrat die Auffassung, dass Fenix im Sinne von Art. 9a Abs. 1 MwStVO im eigenen Namen tätig sei und sie folglich Mehrwertsteuer auf den gesamten von einem Fan erhaltenen Betrag abführen müsse und nicht nur auf die 20 % dieses Betrags, den sie als Vergütung einbehalte und stellte entsprechende Steuerbescheide aus. In der von Fenix erhobenen Klage, stellt diese die Gültigkeit der Rechtsgrundlage der Steuerbescheide (Art. 9a Abs. 1 MwStVO i.V.m. Art. 28 MwStSystRL) in Frage, mit der die MwStSystRL präzisiert werden soll. Das von Fenix angerufene Gericht, das noch vor dem Ende des Übergangszeitraums, der auf den Brexit folgte, die Vorlagefrage an den Gerichtshof richtete, möchte wissen, ob Art. 9a MwStVO ungültig ist, weil der Rat die MwStSystRL ergänzt oder geändert und damit die ihm übertragenen Durchführungsbefugnisse überschritten hat.

EuGH-Entscheidung

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 9a Abs. 1 MwStVO im Hinblick auf Art. 28 und 397 MwStSystRL berühren könnte.

Der Rat hat sich, indem er die Bestimmung erlassen hat, darauf beschränkt, die MwStSystRL zu präzisieren, ohne sie zu ergänzen oder zu ändern. Ferner stellt der EuGH fest, dass unter den vorliegenden Umständen und in Anbetracht der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität, der Steuerpflichtige (Fenix) mit Recht als Dienstleistungserbringer im Sinne der MwStSystRL anzusehen ist und die Leistungskettenfiktion des Art. 9a Abs.1 MwStVO i.V.m. Art. 28 MwStSystRL anzuwenden ist. Ein Steuerpflichtiger, der sich an der Erbringung einer elektronischen Dienstleistung beteiligt (indem er beispielsweise eine Online-Plattform für ein soziales Netzwerke betreibt) und dem es dabei gestattet ist, die Erbringung der Dienstleistungen zu genehmigen oder ihre Abrechnung zu autorisieren oder auch die allgemeinen Bedingungen ihrer Erbringung festzulegen, hat die Möglichkeit, einseitig wesentliche Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Dienstleistung festzulegen, und zwar ihre Durchführung und den Zeitpunkt, zu dem sie stattfindet, oder die Bedingungen, unter denen die Gegenleistung fällig wird, oder auch die Regeln, die den allgemeinen Rahmen für diese Dienstleistung bilden.

Anmerkung

Die Entscheidung ist auch aus deutscher Sicht von unmittelbarer Bedeutung, da § 3 Abs. 11a UStG dem Art. 9a MwStVO nachgebildet ist. Aufgrund dessen, dass der EuGH nun die Gültigkeit von Art. 9a MwStVO nicht in Zweifel gezogen hat, ist auch aus deutscher Sicht keine Gesetzesänderung geboten. Darüber hinaus hat die Entscheidungen Auswirkungen auf die Plattformen, denen ähnliche Geschäftsmodelle zu Grunde liegen und die diese typische Sachverhaltskonstellation aufweisen. Nach der vorliegenden Entscheidung sollten diese Plattformen prüfen, ob sie ebenfalls als Dienstleistungskommissionär im B2C Bereich tätig werden und ihre Rechnungsstellung entsprechend angepasst werden muss. Dazu ist erforderlich zu wissen, wo der jeweilige Kunde (Fan) ansässig ist und wo die Leistung konsumiert wird (Art. 24a, 24b MwStVO), nur dann kann die Umsatzsteuer gesetzmäßig abgeführt werden. Zu beachten ist, dass die Umsatzsteuer auf den gesamten von einem „Fan“ erhaltenen Betrag abzuführen ist und nicht etwa nur auf den Betrag, der als Vergütung einbehalten wurde. Darüber hinaus müssen Plattformbetreiber die neuen Aufzeichnungs- und Meldepflichten im Bereich der Umsetzung der DAC7 Richtlinie mit dem seit dem 01.01.23 geltenden Plattformen-Steuertransparenzgesetz beachten. Influencer, die in der Vergangenheit Umsatzsteuer abgeführt haben oder über den One-Stop-Shop (OSS) gemeldet haben, sollten prüfen, ob sie Umsatzsteuer erstattet bekommen.

Betroffene Normen

Art. 9a Abs. 1, 24a, 25b MwStVO; Art. 397, 28 MwStSystRL; § 3 Abs. 11a, 3a Abs. 5 UStG

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 28.02.2023, C-695/20

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