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23.02.2016
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung - Schlussanträge des Generalanwalts

Aktuell: Zur Entscheidung des EuGH in den Deloitte Tax-News

Der Generalanwalt beim EuGH beurteilt das Verbot einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung als unionsrechtswidrig.

Sachverhalt

In dem Verfahren 5 K 40/14 vor dem Niedersächsischen Finanzgericht versagte das Finanzamt dem klagenden Textilgroßhändler (Senatex GmbH) bei einer Außenprüfung in 2013 für 2008 bis 2011 den Vorsteuerabzug aus erteilten Gutschriften der GmbH an ihre Handelsvertreter. Die Provisionsabrechnung wie auch deren Anlagen enthielten weder die Steuernummer noch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des leistenden Handelsvertreters (Gutschriftempfänger). Es wurde auch auf kein anderes Dokument verwiesen, aus dem sich die vorgenannten Angaben entnehmen lassen. Der Textilgroßhändler berichtigte daraufhin die Gutschriften für 2009 bis 2011 noch während der Außenprüfung im Mai 2013. Das Finanzamt ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug erst mit Rechnungsberichtigung (also in 2013) erfüllt sind. Damit verbunden wären dann zu zahlende Zinsen nach § 233a AO.

Hintergrund

Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann der Vorsteuerabzug bei Rechnungsberichtigungen erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem die Berichtigung erfolgte und diese dem Rechnungsempfänger übermittelt wurde (Abschn. 15.2 Abs. 5 UStAE). An dieser Beurteilung hält die Finanzverwaltung auch nach Ergehen der EuGH-Urteile in den Rechtssachen Pannon Gép (Rs. C-271/12) und Petroma Transports (Rs. C-271/12) fest (z.B. OFD Magdeburg v. 03.03.2014 - S 7300-123-St 244).

Vorlagefragen

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte Zweifel, ob dieses Vorgehen im Einklang mit dem Unionsrecht steht und hatte in 2014 den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung gebeten. Der 5. Senat bittet den EuGH zunächst um Klarstellung, ob die von ihm in der Rechtssache „Terra Baubedarf-Handel" (Urteil vom 29. April 2004 - C-152/02) getroffene Feststellung, dass der Vorsteuerabzug erst im Zeitpunkt der Erstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung vorzunehmen ist, auch für den Fall der Ergänzung einer unvollständigen Rechnung gelten soll oder ob in einem solchen Fall eine Rückwirkung zulässig ist (vgl. hierzu die EuGH Entscheidungen „Pannon Gép" und „Petroma Transport", Urteile vom 15. Juli 2010 - C-368/09 und vom 8. Mai 2013 - C-271/12). Sofern eine rückwirkende Rechnungsberichtigung möglich ist, wäre vom EuGH weiter zu klären, ob und ggf. welche Mindestanforderungen an eine rückwirkungsfähige Rechnung zu stellen sind, insbesondere ob die (ursprüngliche) Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers enthalten muss. Zuletzt stellt sich die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Berichtigung erfolgen kann, insbesondere ob die Rechnungsberichtigung noch rechtzeitig ist, wenn sie erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erfolgt.

Schlussanträge des Generalanwalts

Verstoß gegen den Grundsatz auf sofortigen Abzug der Steuer

Der Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass die MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, mit Wirkung für die Vergangenheit verbietet, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug erst für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem die ursprüngliche Rechnung berichtigt wurde.

Der Generalanwalt begründet seine Entscheidung mit dem unionsrechtlich normierten Grundprinzip, dass das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann und sofortige Wirkung haben muss, um den Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer zu entlasten. Mit dem sofortigen Abzug bezweckt die MwStSystRL, die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu wahren und zu verhindern, dass dem Steuerpflichtigen dadurch, dass er ganz oder teilweise mit dieser Steuer belastet wird, ein finanzielles Risiko entsteht. Die Berichtigung einer Rechnung, die dazu führt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug erst später ausgeübt werden kann und nicht schon für den Zeitraum der Rechnungsausstellung, würde gegen den besagten Grundsatz auf sofortigen Abzug der Steuer verstoßen.

Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung der formellen Anforderungen nur unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit

Darüber hinaus besteht ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko für den Steuerpflichtigen, denn er kann zur Zahlung von Nachzahlungszinsen verpflichtet werden, obwohl der betreffende Mitgliedstaat keine Steuereinbuße erleidet, da das Umsatzsteueraufkommen im Ergebnis gleichbleibe. Das Fehlen der USt-ID wurde in dem streitigen Fall korrigiert, somit wurden auch die unionsrechtlich vorgesehenen formellen Anforderungen letztlich eingehalten. Insoweit können die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Ahndung unvollständiger Rechnungen ebenso vorsehen wie Maßnahmen, die die Möglichkeit einer Rechnungsberichtigung zeitlich beschränken, falls diese die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Auferlegung von Nachzahlungszinsen ist nach Auffassung des Generalanwalts jedoch keine Maßnahme, die der gebotenen Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt. Die zwingenden Rechnungsangaben sollen nämlich den Finanzbehörden u. a. die Kontrolle zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen ermöglichen. Das könne dazu führen, dass ein gutgläubiger Steuerpflichtiger und ein Steuerhinterzieher in gleicher Weise mit Sanktionen belegt würden.

Korrektur auch nach Erlass des Änderungsbescheids möglich

Der Generalanwalt betont, dass im Einzelfall eine Korrektur auch nach Erlass des Änderungsbescheids möglich sein muss. Wäre jede Berichtigung nach einer behördlichen Entscheidung in einem Änderungsbescheid verboten, könnte dies dazu führen, dass im Ergebnis jede Berichtigung einer fehlerhaften oder unvollständigen Rechnung abgelehnt würde. Das hatte man in Deutschland letztlich schon so ausgelegt, indem man jedenfalls die Korrektur im Rahmen des Einspruchs gegen den Änderungsbescheid zulässt.

Handlungsbedarf

Die Rechtsprechung der Finanzgerichte ist uneinheitlich und der BFH hat sich zu der Problematik bisher nicht in einem Hauptsacheverfahren geäußert. Mit Urteil v. 19.06.13, XI R 41/10, hat er nur klargestellt, dass einer Erstrechnung keine Rückwirkung zukommt. Klärung in dieser für die Praxis so wichtigen Frage wird daher letztlich erst der EuGH bringen. Bis dahin empfiehlt es sich in derartigen Fällen Einspruch einzulegen und bis zur Entscheidung des EuGH das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.

Fundstellen

Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot v. 17.02.2016 – Rechtssache C‑518/14

Niedersächsisches Finanzgericht, Vorlage-Beschluss v. 03.07.2014 – 5 K 40/14

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