Das Bundeskabinett hat den Regierungsentwurf des JStG 2024 beschlossen – Was ändert sich aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht?
Der Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 vom 5. Juni 2024 enthält umfangreiche steuerrechtliche Anpassungen. Der Gesetzgebungsbedarf folgt insbesondere aus der Notwendigkeit der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der normativen Verankerung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Auf die Veröffentlichung des Referentenentwurfs im Mai 2024 (vgl. Deloitte Tax News) folgte am 5. Juni 2024 der Regierungsentwurf. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht entspricht der Regierungsentwurf im Wesentlichen dem Referentenentwurf vom 8. Mai 2024. Neu, und in Abweichung zum Referentenwurf im Regierungsentwurf vorgesehen, sind eine redaktionelle Anpassung der Übergangsvorschrift für E-Rechnungen sowie die Wiedereinführung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % für den Kunsthandel. Neben der Verlängerung der für juristische Personen des öffentlichen Rechts maßgeblichen Übergangsfrist für die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG bis zum 31. Dezember 2026 (§ 27 Abs. 22a Satz 1 UStG-E), der Einführung der Steuerbefreiungen für Leistungen von Konsortialführern (§ 4 Nr. 8 Buchst. a, g UStG-E, ab 1. Januar 2025) sowie der Neufassung der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG-E, ab 1. Januar 2025) sind aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht insbesondere die folgenden Gesetzesänderungen wesentlich.
Vorsteuerabzug
Mit Wirkung zum 1. Januar 2026 wird gesetzlich zwischen den verschiedenen Zeitpunkten des Vorsteuerabzugs differenziert (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG-E):
Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG-E ist bei der Vorsteueraufteilung die Berechnung der nicht abzugsfähigen Vorsteuern nach dem Gesamtumsatzschlüssel nur dann möglich, wenn dieser der einzig mögliche Aufteilungsmaßstab ist. Der Gesamtumsatzschlüssels ist nachrangig zu anderen präziseren Aufteilungsmethoden. Die Neuregelung soll ab dem Tag nach der Verkündung in Kraft treten.
Neue Rechnungspflichtangabe für Rechnungen von Ist-Versteuerern
Flankierend zur gesetzlichen Klarstellung des Zeitpunkts des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen von Ist-Versteuerern wird eine neue Rechnungspflichtangabe für Rechnungsaussteller, die der Ist-Versteuerung unterliegen, mit Wirkung zum 1. Januar 2026 eingeführt (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStG-E). Damit wird der Rechnungsempfänger über die Besteuerungsart des Leistenden in Kenntnis gesetzt, so dass er den Zeitpunkt seines Vorsteuerabzugs rechtssicher bestimmen kann. Die Neuregelung soll erstmals für Rechnungen gelten, die nach dem 31. Dezember 2025 ausgestellt werden (§ 27 Abs. 38 UStG-E).
Redaktionelle Anpassung der Übergangsvorschrift für E-Rechnungen
Bis zum 31. Dezember 2027 können E-Rechnungen für nach dem 31. Dezember 2026 (statt bisher: 31. Dezember 2025) und vor dem 1. Januar 2028 ausgeführte Umsätze vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers in einem von der europäischen Norm EN 16391 abweichenden, elektronischen Format ausgestellt werden, wenn die Rechnung mittels elektronischem Datenaustausch (EDI) übermittelt wird (§ 27 Abs. 38 Satz 1 Nr. 3 UStG-E). Bei der Neufassung der Übergangsregelung handelt es sich um eine redaktionelle Änderung. Die neugefasste Übergangsvorschrift schließt damit an die mit dem Wachstumschancengesetz eingeführte Übergangsfrist nach § 27 Abs. 38 Satz 1 Nr. 1 UStG an (vgl. Deloitte Tax News).
Leistungsort virtueller Veranstaltungen und Tätigkeiten: Empfängerort
Werden B2C-Leistungen per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht, ist der Besteuerungsort der Ort, an dem der Empfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 UStG-E. Die Neuregelung soll ab 1. Januar 2025 gelten.
Wird einem unternehmerischen Leistungsempfänger mit einer Eintrittsberechtigung ermöglicht, an einer Veranstaltung virtuell teilzunehmen, ist der Empfängerort nach der allgemeinen Ortsvorschrift i.S.d. § 3a Abs. 2 UStG der Leistungsort (§ 3a Abs. 2 UStG i.V.m. § 3a Abs. 3 Nr. 5 Satz 2 UStG-E). Der klarstellende, neue Ausnahmetatbestand (§ 3a Abs. 3 Nr. 5 Satz 2 UStG-E) wird ab 1. Januar 2025 gelten, sofern der Gesetzesentwurf nicht in geänderter Fassung verabschiedet wird.
Ermäßigter Steuersatz von 7 % für den Kunsthandel
In Ausübung des unionsrechtlich eingeräumten mitgliedstaatlichen Ermessens wird ab 1. Januar 2025 der ermäßigte Steuersatz für die Lieferung, den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Einfuhr von Kunstgegenständen und Sammlungstücke eingeführt. In § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird der im Ausnahmetatbestand geregelte Verweis auf die Nummern 49 Buchst. f, 53 und 54 der Anlage 2 gestrichen. § 12 Abs. 2 Nr. 12, 13 UStG werden aufgehoben. Für die Vermietung von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken findet die Steuersatzermäßigung hingegen mangels unionsrechtlicher Grundlage keine Anwendung. Wird das JStG 2024, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, verabschiedet, gilt ab 1. Januar 2025 im Hinblick auf den für den Kunsthandel maßgeblichen Umsatzsteuersatz wieder die bis zum 31. Dezember 2013 maßgebliche Rechtslage.
Kleinunternehmer
Die Grenzwerte für Kleinunternehmer werden mit Wirkung zum 1. Januar 2025 neugefasst (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG-E). Der untere inländische Grenzwert für das vorangegangene Kalenderjahr wird auf 25.000 EUR (bislang 22.000 EUR) angehoben. Der obere inländische Grenzwert für das laufende Kalenderjahr wird auf 100.000 Euro (bislang: 50.000 Euro) festgesetzt. In einem § 19a UStG wird das besondere Meldeverfahren geregelt, mit dem es inländischen Unternehmern ab 1. Januar 2025 ermöglicht wird, die Kleinunternehmerregelung unionsweit anzuwenden. Hierzu wird dem grenzüberschreitend tätigen inländischen Kleinunternehmer eine besondere Identifikationsnummer durch das BZSt erteilt. Steuerpflichtigen, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen in Anspruch nehmen, wird es gestattet, vereinfachte Rechnungen auszustellen (§ 34a UStDV-E).
Mit der gesetzlichen Differenzierung zwischen den verschiedenen Zeitpunkten für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug werden die vom EuGH formulierten Grundsätze (EuGH, Urteil vom 10.02.2022, C-9/20, Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136, Deloitte Tax News) im innerstaatlichen Recht verankert und damit eine eindeutige normative Anknpüfung im UStG geschaffen. Die neue Rechnungspflichtangabe für leistende Ist-Versteuerer wird zur Rechtssicherheit beitragen, da Leistungsempfänger, die Eingangsleistungen von Ist-Versteuerern beziehen, aufgrund der neuen Pflichtangabe in Rechnungen den für die Ausübung ihres Rechts auf Vorsteuerabzugs maßgeblichen Zeitpunkt verlässlich bestimmen können.
Ebenso ist die für virtuelle Veranstaltungen im Gesetzesentwurf vorgesehene Neuregelung der Ortsvorschrift für virtuell erbrachte B2C-Leistungen zu begrüßen, da sie der konsequenten Umsetzung des Unionsrechts dient und die rechtssichere Lokalisierung der Leistungen am Empfängerort ermöglicht. In Widerspruch zu der im BMF-Schreiben vom 29. April 2024 einerseits vorgesehenen Verweisung auf den nach der aktuellen Rechtslage in § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG normierten Tätigkeitsort des Leistenden stellt das BMF für den B2C-Bereich andererseits mit derselben Verwaltungsanweisung (BMF, Schreiben vom 29.04.2024, III C 3 - S 7117-j/21/10002 :004) gleichzeitig bereits in allen offenen Fällen grundsätzlich auf den Empfängerort ab, der nach dem Regierungsentwurf des JStG 2024 erst ab 1. Januar 2025 für virtuelle B2C-Leistungen gelten soll. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit wird mit der gesetzlichen Neuregelung obsolet.
§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2, Nr. 5 Satz 2 UStG-E, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStG-E, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG-E, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG-E, §§ 19, 19a UStG-E
Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 (Stand: 04.06.2024)
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Ulrich Gruenwald
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