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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/indirekte-steuern-zoll/vertragsverletzungsverfahren-gegen-deutschland-marktplatzhaftung-unionsrechtswidrig.html
25.10.2019
Indirekte Steuern/Zoll

Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland: Marktplatzhaftung unionsrechtswidrig?

Die EU-Kommission hat Deutschland aufgefordert, die zum 01.01.2019 in Kraft getretene Neuregelung zur Haftung beim Handel auf elektronischen Marktplätzen zu widerrufen. 

Hintergrund

Am 10.10.2019 hat die EU-Kommission beschlossen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten. Hintergrund ist die zum 01.01.2019 in Kraft getretene Neuregelung in den §§ 22f, 25e UStG (siehe Deloitte Tax-News). Seit dem 01.10.2019 gilt diese Regelung auch für EU Unternehmer. Hiernach haften der leistende Unternehmer und der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes (Betreiber) gesamtschuldnerisch, für die nicht entrichtete Steuer aus der Lieferung des Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist. Voraussetzung ist, dass die Waren von Deutschland aus verbracht oder dorthin geliefert werden.

Die Haftung entfällt, wenn der Betreiber eine dem Onlinehändler nach § 22f UStG erteilte Bescheinigung vorlegen kann. Durch diese Bescheinigung kann nachgewiesen werden, dass der Onlinehändler für steuerliche Zwecke erfasst ist. Die Bescheinigung nach § 22f UStG wird dem Onlinehändler vom zuständigen Finanzamt derzeit noch in Papierform erteilt.

Ansicht der EU-Kommission

Nach Ansicht der EU-Kommission ist die Verpflichtung, eine Bescheinigung in Papierform vorlegen zu müssen, ineffizient und unverhältnismäßig, da sie den Zugang europäischer Unternehmen zum deutschen Markt behindert. Die den Betreibern von elektronischen Marktplätzen zur Vermeidung einer gesamtschuldnerischen Haftung auferlegte Verpflichtung geht über das in den EU-Vorschriften vorgesehene Maß hinaus (EU-Richtlinie (EU) 2017/2455) und steht im Widerspruch zu den Zielen und der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt. Mit der EU-Richtlinie (EU) 2017/2455 haben sich die Mitgliedstaaten bereits auf eine gemeinsame und nach Ansicht der Kommission auch effizientere Maßnahme zur Bekämpfung des MwSt-Betrugs geeinigt. Diese sind von den Mitgliedstaaten bis zum 01.01.2021 in nationales Recht umzusetzen.

Folgen

Die EU-Kommission hat Deutschland aufgefordert, binnen zwei Monaten Abhilfe zu schaffen. Die zum 01.10.2019 in Kraft getretene Neuregelung der §§ 22f, 25e UStG müsste also widerrufen werden, da sie zulasten der EU-Onlinehändler geht. Die gegenwärtige Maßnahme der EU-Kommission stellt die erste von drei Stufen des Vertragsverletzungsverfahren dar. Schafft Deutschland innerhalb der gesetzten Frist keine Abhilfe, kann die EU-Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln. Auf der letzten Stufe erfolgt dann die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof.

Anmerkung

Die von den Mitgliedstaaten bis zum 01.01.2021 umzusetzende EU-Richtlinie bezieht sich inhaltlich auf innergemeinschaftliche Fernverkäufe und Fernverkäufe von aus Drittländern eingeführten Gegenständen. Danach wird eine umsatzsteuerliche Lieferkette fingiert, wenn ein innergemeinschaftlicher Verkauf von Gegenständen stattfindet, der liefernde Unternehmer im Drittland ansässig ist und der Abnehmer kein Unternehmer ist. Der Marktplatzbetreiber wird zum Steuerschuldner für die Lieferung an den Abnehmer. Gleichzeitig wird eine Eingangslieferung des ausländischen Unternehmers an den Betreiber des Marktplatzes im Zeitpunkt des Verkaufs an den Nutzer fingiert. Zu beachten ist, dass diese EU-Regelungen keine Haftungsnormen darstellen und keine Geltung für reine Inlandsfälle entfalten.

Vom Anwendungsbereich betrachtet ist die unionsrechtliche Regelung daher enger, als die bisherige deutsche Regelung. Die deutsche Regelung erfasst alle im Inland steuerbaren Lieferungen, die über einen elektronischen Marktplatz rechtlich begründet werden und alle liefernden Unternehmer, unabhängig von deren Ansässigkeit. Durch den weiten Anwendungsbereich schließt die deutsche Regelung „Lücken“, die durch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/2455 verbleiben. Denn steuerunehrliche Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder aus dem Drittland, die ein Lager in der EU errichten und keine grenzüberschreitenden Lieferungen ausführen, fallen nicht unter die Regelungen der EU-Richtlinie.

Ungeachtet eines drohenden Vertragsverletzungsverfahrens hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nahezu zeitgleich am 07.10.2019 drei Schreiben veröffentlicht, die den Finanzämtern Vordruckmuster für die Bescheidung verschiedener Sachverhalte im Rahmen der Marktplatzhaftung an die Hand geben.

Betroffene Normen

§§ 22f, 25e UStG

Fundstellen

Aufforderungsschreiben der EU-Kommission INF/19/5950;

BMF, Schreiben vom 07.10.2019, III C 5 – S 7420/19/10002 :002 (Vordruckmuster USt 1 TK)

BMF, Schreiben vom 07.10.2019, III C 5 – S 7420/19/10002 :002 (Vordruckmuster USt 1 TM)

BMF, Schreiben vom 07.10.2019, III C 5 – S 7420/19/10002 :002 (Vordruckmuster USt 1 TL)

 

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Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

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Christoph Alexander Gach
Manager

cgach@deloitte.de
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