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30.03.2012
Internationales Steuerrecht

BFH: Arbeitslöhne von Piloten irischer Fluggesellschaften sind steuerfrei

Der Arbeitslohn, den ein in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiger und im internationalen Flugverkehr tätiger Pilot von seinem irischen Arbeitgeber bezieht, ist grds. von der deutschen Besteuerung freigestellt (DBA Irland). Verzichtet Irland auf sein Besteuerungsrecht, da der Pilot seinen Wohnsitz in Deutschland hat, so muss der Steuerpflichtige dies nachweisen, um die inländische Freistellung zu erhalten. Die eigentliche Streitfrage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit von sog. treaty override bleibt unbeantwortet.

Sachverhalt

Der Kläger ist als Pilot im internationalen Luftverkehr bei einer in Irland ansässigen Gesellschaft beschäftigt und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seinen Wohnsitz hat der Kläger in Deutschland. Irland hat sein Besteuerungsrecht für diese Einkünfte nicht ausgeübt. Die vom irischen Arbeitgeber einbehaltene und abgeführte irische Steuer wurde auf Antrag des Klägers in voller Höhe von der irischen Finanzbehörde erstattet. Das deutsche Finanzamt unterwarf seinen Bruttoarbeitslohn der inländischen Besteuerung mit der Begründung, § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG sei anwendbar, da die Vergütungen aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens überhaupt keiner Besteuerung unterliegen würden. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Die in Rede stehenden Einkünfte sind im Ergebnis und im Einklang mit dem DBA Irland antragsgemäß steuerfrei zu belassen, jedoch dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen. § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 ist im Ergebnis entgegen der Auffassung der Vorinstanz für die im Streitfall zu beurteilende Konstellation nicht anwendbar; die Regelung wird durch die insoweit vorrangige Vorschrift des § 50d Abs. 8 EStG 2002 i.d.F. Steueränderungsgesetz 2003 verdrängt.

Der Kläger ist unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Aufgrund des DBA Irland steht Irland das Besteuerungsrecht für seinen Arbeitslohn zu, weil es sich um Einkünfte aus Quellen innerhalb Irlands handelt. In Deutschland verbleibt die Möglichkeit, die Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen (§ 32b EStG). Die Freistellung dieser Einkünfte wird jedoch nicht gewährt, wenn die Einkünfte in Irland nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007). Das Besteuerungsrecht fällt an Deutschland zurück, falls der andere Vertragsstaat als Quellenstaat von dem ihm abkommensrechtlich zugestandenen Besteuerungsrecht an bestimmten Einkünften im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht rechtlich keinen Gebrauch macht. Eine derartige Situation ist im Streitfall gegeben. § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 ist damit als solcher erfüllt, seine Anwendbarkeit wird jedoch ausgeschlossen (§ 50d Abs. 8 EStG).

Gem. § 50d Abs. 8 EStG fällt das Besteuerungsrecht - unbeschadet einer völkerrechtlich vereinbarten Freistellung - an Deutschland zurück, soweit der unbeschränkt Steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt und nicht nachweist, dass der andere Vertragsstaat (hier: Irland), dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Irland hat die in Rede stehenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Flugpersonals nicht in den Katalog beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte aufgenommen und insofern auf den ihm eingeräumten Besteuerungszugriff nach seinem innerstaatlichen Recht verzichtet; der (vorübergehende) Lohnsteuereinbehalt widerspricht dem nicht. Das erhellt zugleich, dass der Kläger den erforderlichen Nachweis über den irischen Besteuerungsverzicht erbracht hat: Was ohnehin feststeht, muss nicht gesondert nachgewiesen werden. Es verbleibt deswegen bei der Einkommensfreistellung.

Gem. § 50d Abs. 9 S. 3 EStG 2002/2007 bleibt Abs. 8 unberührt. Das Gesetz akzeptiert insofern mit § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 den einseitigen Besteuerungsverzicht des anderen Staates als Ausübung der zwischenstaatlich vereinbarten Besteuerungszuordnung. § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 hat als die speziellere Vorschrift sowohl inhaltlich als auch in seiner gesetzessystematischen Stellung gegenüber Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG Vorrang. § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007, der allein auf das Fehlen einer spezifischen beschränkten Steuerpflicht in dem anderen Staat abhebt, läuft damit für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Ergebnis weitgehend leer. Der entgegenstehenden - die Frage des Anwendungsvorrangs von § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 aber möglicherweise nicht erkennenden - Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 12.11.2008 und Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 08.06.2011) ist nicht beizupflichten. Es bedarf keiner weiteren Überlegungen dazu, ob die Regelung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007 - ebenso wie jene des § 50d Abs. 8 EStG 2002/2004 - gegen das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Rechtsstaatsgebot verstoßen, weil sie als sog. treaty override völker- und verfassungsrechtswidrig sein könnten (s. z.B. Senatsbeschluss vom 19.05.2010).

Betroffene Norm

§ 50d Abs. 8 S. 1 1. Alternative EStG 2002/2004, § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/JStG 2007
Streitjahr 2007

Anmerkungen

Anmerkungen
In der Zukunft dürften die Arbeitslöhne der Piloten hingegen steuerpflichtig sein: Deutschland hat die Möglichkeit, sein Besteuerungsrecht im Abkommen selbst zu verankern, in dem neuen am 28.11.2012 in Kraft getretenen DBA-Irland vom 30.03.2011 genutzt und darin eine entsprechende sog. Rückfallklausel vereinbart.
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Mit seinem Beschluss vom 19.12.2013 hat der BFH die Anwendbarkeit des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 auch dann ausgeschlossen, wenn Irland die Arbeitslöhne eines Piloten nicht gar nicht, sondern nur teilweise besteuert. Er begründet dies mit dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem der Tatbestand nur erfüllt ist „wenn“, aber nicht „soweit“ die betreffenden Einkünfte im anderen Vertragsstaat nicht steuerpflichtig sind. Im Streitfall sei die Freistellung der Einkünfte unbeschadet des in § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F./2009 angeordneten Besteuerungsrückfalls somit auch dann zu gewähren, wenn der andere Vertragsstaat (hier Irland) das ihm abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht an den Einkünften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Flugzeugführers nur für einen Teil der Einkünfte wahrnimmt (entgegen BMF-Schreiben vom 12.11.2008). Aufgrund einer Änderung des irischen Steuerrechts dürfte sich diese Thematik aber ab dem Veranlagungszeitraum 2011 erledigt haben (vgl. BMF-Schreiben vom 05.12.2012).
BFH, Beschluss vom 19.12.2013, I B 109/13

Vorinstanz

Finanzgericht Bremen, Urteil vom 10.02.2011, 1 K 20/10 3, DStRE 2011, S. 679, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 11.01.2012, I R 27/11

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 12.11.2008, IV B 5 - S 1300/07/10080, BStBl I 2008, S. 988 
Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung vom 08.06.2011, DStR 2011, S. 1714 
BFH, Beschluss vom 19.05.2010, I B 191/09, BStBl II 2011, S. 156, siehe Deloitte Tax-News

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