Für die Anwendung der gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG bestimmt sich der Begriff der Betriebsstätte nicht nach der Definition des jeweils einschlägigen DBA, sondern nach innerstaatlichem Recht (möglicherweise entgegen BMF-Schreiben vom 21.01.2014).
Die Klägerin ist eine GmbH, die zum Zweck der Warenvermittlung für eine andere GmbH in den Streitjahren 2004 bis 2010 ein Einkaufsbüro in der Türkei unterhielt. Basierend auf der Annahme, dass das Einkaufsbüro den Betriebsstättenbegriff des § 12 AO erfüllt, hatte die Klägerin dieses in ihrer Steuererklärung als nicht im Inland ansässige Betriebsstätte i.S. des § 9 Nr. 3 GewStG angesehen und entsprechend den Gewerbeertrag um das Ergebnis des Einkaufsbüros in der Türkei gekürzt. Das Finanzamt gewährte diese Kürzung jedoch nicht, da das Einkaufsbüro in der Türkei auf ausdrückliche Anordnung in Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985 nicht als Betriebsstätte gemäß § 9 Nr. 3 GewStG anzusehen sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das FG habe die von der Klägerin beanspruchte Kürzung gem. § 7 S. 1 i.V.m. § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG für den Teil des Gewerbeertrags, der auf die in der Türkei belegene Betriebsstätte entfällt, zu Unrecht abgelehnt.
Das Einkaufsbüro in der Türkei erfülle zweifellos die Voraussetzungen des Betriebsstättenbegriffs des § 12 S. 2 Nr. 6 AO, wonach insbesondere auch Ein- oder Verkaufsstellen als Betriebsstätte anzusehen sind. Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985 ordnet hingegen ausdrücklich an, dass "eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen", nicht als Betriebsstätte gilt. Dieser Betriebsstättenbegriff des DBA-Türkei verdränge aber keinesfalls den nationalen des § 12 AO. Gemäß der ständigen Rechtsprechung dienen DBA lediglich der Festlegung, in welchem Umfang die nach innerstaatlichem Recht bestehende Steuerpflicht entfallen soll, sodass die im DBA vorgenommene Definition des Betriebsstättenbegriffs grundsätzlich nur im Rahmen der DBA anwendbar sei (vgl. u.a. BFH- Urteil vom 05.06.1986). Im DBA definierte Begriffe seien also abkommensautonom auszulegen. Ob im Ausland erzielte Einnahmen bei der Einkünfteermittlung zu kürzen seien und auf welche Fälle sich diese Kürzung erstecken soll, sei dagegen eine Angelegenheit des innerstaatlichen Rechts.
Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Regelung des § 9 Nr. 3 GewStG allein den innerstaatlich definierten Begriff zugrunde legen wollte. Denn durch diese Kürzungsvorschrift solle letztendlich die Konsequenz daraus gezogen werden, dass ein Gewerbebetrieb nur insoweit der Gewerbesteuer unterliegt, als er im Inland und eben nicht soweit er im Ausland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 S. 1 und 3 GewStG). Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bei der hierdurch bedingten Kürzung von einem einheitlichen Verständnis der ausländischen Betriebsstätte abweichen und eine Unterscheidung zwischen DBA- und Nicht-DBA-Fällen vornehmen wollte. Folglich bestehe keine Normenkonkurrenz zwischen § 12 AO und den jeweiligen abkommensrechtlichen Bestimmungen.
§ 9 Nr. 3 GewStG, § 12 AO
Streitjahre 2004 bis 2010
BMF-Schreiben vom 07.08.2017
Die Finanzverwaltung übernimmt das Verständnis des BFH in ihren AEAO: Soweit Steuergesetze den Begriff „Betriebsstätte“ ohne eigene Definition verwenden, bestimme sich dieser Begriff grundsätzlich nicht nach der Definition in den DBA, sondern nach innerstaatlichem Recht (BMF-Schreiben vom 07.08.2017).
FG Münster, Urteil vom 17.06.2016
Das FG Münster kam in seinem Urteil vom 17.06.2016 zum selben Ergebnis wie der BFH. Da das Urteil des FG Münster der Entscheidung des BFH voraus ging, hatte das FG Münster allerdings im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des FG Köln vom 07.05.2015 (Vorinstanz zum vorliegenden BFH-Urteil) die Revision zugelassen.
FG Köln, Urteil vom 07.05.2015, 10 K 73/13, EFG 2015, S. 1558
BFH, Urteil vom 20.07.2016, I R 50/15, BStBl II 2017 Seite 230
BMF-Schreiben vom 07.08.2017
Finanzgericht Münster, Urteil vom 17.06.2016, 9 K 593/13 K,G,F, Revision zugelassen
BFH, Urteil vom 05.06.1986, IV R 268/82, BStBl. II 1986, S. 659
BMF, Schreiben vom 31.01.2014, IV A 3 - S 0062/14/10002, BStBl. I 2014, S. 290
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