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18.02.2010
Internationales Steuerrecht

BFH: Sog. Hinzurechnungsbesteuerung verstößt gegen Gemeinschaftsrecht

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft belgischen Rechts (BVBA & Co CV) mit Sitz in Belgien. Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr acht in Deutschland ansässige Angehörige derselben Familie mit einem Anteil von jeweils 10 % und eine deutsche Personengesellschaft mit 20 %, deren Anteile ebenfalls Mitgliedern dieser Familie gehörten. Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe. Ihr Gesellschaftszweck war im Streitjahr die Koordinierung der Aktivitäten dieser Gruppe, u.a. die Zentralisierung der Buchführung, die Finanzierung der Liquidität der Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen, die elektronische Datenverarbeitung sowie Werbe- und Marketingaktivitäten. Ihre wirtschaftliche Tätigkeit bestand im Wesentlichen in der Verwaltung von Kapitalanlagen i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG i.d.F. des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, S. 2310, BStBl I 1994, S. 50) - AStG a.F. -. Durch diese Verwaltungstätigkeit erzielte sie im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie sonstige Einkünfte. Die belgische Steuerverwaltung besteuerte den von der Klägerin tatsächlich erzielten Gewinn im Streitjahr zu dem für Koordinationszentren geltenden Steuersatz, der sich konkret auf weniger als 30 % belief. Das Finanzamt stellte die Einkünfte der als Kapitalanlagegesellschaft i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F. behandelten Klägerin auf der Grundlage von § 20 Abs. 2 AStG a.F. gesondert und einheitlich fest. Er qualifizierte dabei die sonstigen Einkünfte der Klägerin als steuerfrei, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegend. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezog das Finanzamt - unter Anrechnung der darauf in Belgien erhobenen Steuer - in die Bemessungsgrundlage ein.

Entscheidung

Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG a.F. verstößt gegen Gemeinschaftsrecht. Von dieser Besteuerung werden im Inland ansässige Steuerpflichtige getroffen, die sich in einem sog. Niedrigsteuerland als Gesellschafter an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligen, welche als „Zwischengesellschaft“ keine oder nur ‚passive’ eigene Aktivität entwickelt. Für diesen Fall werden die Einkünfte der Gesellschaft den Einkünften der inländischen Gesellschafter hinzugerechnet. Wird der inländische Steuerpflichtige nicht durch eine solche Kapitalbeteiligung, sondern statt dessen unter entsprechenden Umständen in dem Niedrigsteuerland über eine Betriebsstätte tätig, wird ihm der Vorteil der Steuerfreistellung der Betriebsstätteneinkünfte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens versagt, und er muss die Betriebsstätteneinkünfte im Inland unter Anrechnung etwaiger Auslandssteuern versteuern. 

Der BFH erkennt in der versagten Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH kann eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Gebietsinländern und Gebietsausländern grundsätzlich zwar zulässig sein, um Gestaltungsmissbräuchen entgegenzuwirken. Werden nachteilige Steuerfolgen für Gebietsausländer aber - wie bei der Hinzurechnungsbesteuerung - in typisierender, verallgemeinernder Weise geregelt, muss es dem betroffenen Steuerpflichtigen möglich bleiben, den Gegennachweis dafür zu erbringen, dass in seinem Fall kein Gestaltungsmissbrauch gegeben ist. Fehlt es an einer solchen Möglichkeit („Motivtest“), steht der belastende Steuernachteil nur dann in Einklang mit Gemeinschaftsrecht, wenn der Gegennachweis nicht gelingt. Der Nachweis gelingt, wenn die Gesellschaft – wie im vorliegenden Streitfall - im Rahmen ihres Unternehmenszwecks über entsprechend qualifiziertes Personal und geeignete Geschäftsräume verfügt und ihre Einkünfte aus eigener Tätigkeit erzielt hat. Damit hat die Kommanditgesellschaft genügend wirtschaftliche Substanz und stellt keine ‚rein künstliche Gestaltung’ dar. 

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber für Veranlagungszeiträume ab 2008 zwar in § 8 Abs. 2 AStG die Möglichkeit des Gegennachweises geschaffen. Er hat dabei aber Kapitalanlagegesellschaften und auch die besondere Behandlung von Betriebsstätteneinkünften ausgespart. Es ist deswegen nach Ansicht des BFH nach wie vor zweifelhaft, ob die Neuregelung gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt.

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 11.11.2008, 15 K 1114/99 F, EW, EFG 2009, S. 309.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 21.10.2009, I R 114/08, BStBl II 2010, S. 774 (Schlussentscheidung zum Urteil des EuGH vom 06.12.2007, C-298/05, „Columbus Container Services").

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