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09.03.2012
Internationales Steuerrecht

BFH: Unionsrechtmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Darlehenszinsen

Die hälftige Hinzurechnung der Zinsen aus Darlehen einer in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft zum Gewinn einer Kapitalgesellschaft (§ 8 Nr. 1 GewStG 2002) verstößt weder gegen die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie noch gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleinige Anteilseignerin die S-B.V. mit Sitz in den Niederlanden ist. Die S-B.V. gewährte der Klägerin mehrere Darlehen, für die die Klägerin im Streitjahr 2004 Zinsen an die S-B.V. zahlte. Das Finanzamt rechnete für das Streitjahr unter Berufung auf § 8 Nr. 1 GewStG 2002 die Hälfte des Zinsbetrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu. Die deswegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Der BFH hat dem EuGH mit Beschluss vom 27.05.2009 das Revisionsverfahren zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Darlehenszinsen mit der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie vereinbar ist. Mit Urteil vom 21.07.2011 hat der EuGH entschieden, dass die EU-Zins- und Lizenzrichtlinie einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts nicht entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt.

Entscheidung

Das Finanzamt hat die Zinszahlungen an die S-B.V. zu Recht zur Hälfte dem Gewinn der Klägerin hinzugerechnet. 

Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der bei seiner Ermittlung abgezogenen Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die (u.a.) der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 2002 verstößt nicht gegen Art. 1 Abs. 1 ZLR. Das ergibt sich aus der für den BFH verbindlichen Auslegung dieser Vorschrift durch das EuGH-Urteil vom 21.07.2011. 

Die Klägerin verweist darauf, dass es nicht zu einer Hinzurechnung gekommen wäre, wenn sie (als Organgesellschaft) mit der S-B.V. (als Organträgerin) eine sog. gewerbesteuerrechtliche Organschaft hätte bilden können. Denn im Organschaftsfall unterbleibe die Hinzurechnung von Zinsen aus Gesellschafterdarlehen zum Gewerbeertrag der Organgesellschaft (Abschn. 41 Abs. 1 S. 5 und 6 GewStR 1998). Dass die Bildung einer ertragsteuerlichen Organschaft zwischen der Klägerin und der in den Niederlanden ansässigen S-B.V. selbst dann nicht steuerlich anerkannt worden wäre, wenn die Gesellschaften einen Gewinnabführungsvertrag (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 17 KStG 2002) abgeschlossen hätten, verletze nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 13.12.2005 die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit mit der Folge, dass der nach nationalem Recht auf inländische Organschaftskreise beschränkte Wegfall der Hinzurechnung auch im Streitfall gewährt werden müsse. 

Der BFH pflichtet dem nicht bei. In der gegenüber der Klägerin vorzunehmenden Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG 2002 liegt weder eine unionsrechtswidrige Diskriminierung im Vergleich zu einer Kapitalgesellschaft mit im Inland ansässiger Muttergesellschaft noch eine unionsrechtswidrige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. 

In seinem Urteil zur Verlustverrechnung bei der niederländischen Gruppenbesteuerung vom 25.02.2010 hat der EuGH unter dem Aspekt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten eine Regelung eines Mitgliedstaats als gerechtfertigt angesehen, nach der Muttergesellschaften steuerliche Einheiten nur mit gebietsansässigen, nicht aber mit gebietsfremden Tochtergesellschaften bilden können. Auch wenn dieses EuGH-Urteil mit der Verlustverrechnung nur einen einzelnen Aspekt der laufenden Ergebniskonsolidierung zwischen Konzernunternehmen betrifft, ist daraus nach Dafürhalten des BFH auch abzuleiten, dass andere Aspekte der Ergebniskonsolidierung ebenfalls von der Rechtfertigung umfasst sind (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.2010). Die Klägerin dürfte deshalb gehindert sein, sich den Hinzurechnungsverzicht zur Vermeidung einer steuerlichen Doppelbelastung als einzelnes Element des Konsolidierungsprozesses herauszugreifen und dessen Nichtanwendung außerhalb eines Organkreises als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu kritisieren.  

Jedenfalls aber kann sich die Klägerin deshalb nicht auf einen etwaigen Verstoß des für die Bildung einer ertragsteuerlichen Organschaft erforderlichen Inlandsbezugs gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit berufen, weil es außer an dem Inlandsbezug noch an einer weiteren Voraussetzung der Organschaft fehlt, nämlich dem Abschluss und der Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags und der Vereinbarung einer Verlustausgleichspflicht durch die Muttergesellschaft entsprechend § 302 AktG (§ 17 S. 2 Nr. 2 KStG 2002). Ein Gewinnabführungsvertrag mit einer deutschen Tochter-GmbH kann zivilrechtlich auch mit einem ausländischen Unternehmen als beherrschendem Gesellschafter abgeschlossen werden. Nach dem Vorbringen der Klägerin hätten dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags auch keine Vorschriften des niederländischen Rechts entgegengestanden.

Betroffene Norm

§ 8 Nr. 1 GewStG 2002
Streitjahr 2004

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 22.02.2008, 9 K 5143/06 G, EFG 2008, S. 968

Fundstelle

BFH, Urteil vom 07.12.2011, I R 30/08, BStBl II 2012, S. 507

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 27.05.2009, I R 30/08, BFHE 226, S. 357
EuGH, Urteil vom 21.07.2011, C-397/09, „Scheuten Solar Technology“, IStR 2011, S. 590, siehe Deloitte Tax-News
Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 03.06.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (EU-Zins- und Lizenzrichtlinie, ZLR), Amtsblatt der Europäischen Union 2003, Nr. L 157, S. 49
EuGH, Urteil vom 13.12.2005, C-446/03, "Marks & Spencer", Slg. 2005, I-10837
EuGH, Urteil vom 25.02.2010, C-337/08, "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 13.10.2010, I R 79/09, BFHE 231, S. 529

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