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15.04.2011
Internationales Steuerrecht

BFH: Wirtschaftliche Eingliederung in eine britische Kapitalgesellschaft

Die wirtschaftliche Eingliederung kann auch dadurch begründet werden, dass die Beteiligung im Rahmen einer Organkette über die Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden Holdinggesellschaft gehalten wird. Alleinige Organträgerin ist dann aber das herrschende Unternehmen und nicht (auch) die zwischengeschaltete Holdinggesellschaft. Die Beschränkung, dass der Organträger Geschäftsleitung und Sitz im Inland haben muss, ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot des DBA-Großbritannien vereinbar.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine vermögensverwaltende Holdinggesellschaft, die im Streitjahr 96,5 % der Anteile an der C-GmbH hielt. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts (public limited company, C-plc), die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Großbritannien hatte. In den Vorjahren hatte die C-GmbH Darlehen bei der C-plc aufgenommen, die die Klägerin zum 01.01.1999 als Darlehensgeberin übernahm. Die Klägerin rechnete aufgrund der gewerbesteuerlichen Organschaft die Darlehenszinsen nicht als Dauerschuldzinsen dem Gewerbeertrag hinzu. Das Finanzamt erkannte die gewerbesteuerliche Organschaft wegen fehlender wirtschaftlicher Eingliederung der Klägerin in die C-plc nicht an. Die dagegen gerichteten Klagen blieben erfolglos.

Entscheidung

Die gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der C-plc ist im Ergebnis anzuerkennen. Die wirtschaftliche Eingliederung kann auch dadurch begründet werden, dass die Beteiligung im Rahmen einer Organkette über die Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden Holdinggesellschaft gehalten wird. Alleinige Organträgerin ist dann aber das herrschende Unternehmen und nicht (auch) die zwischengeschaltete Holdinggesellschaft. Die Vorinstanz hat zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Nichtanerkennung eines sog. gewerbesteuerlichen Organschaftsverhältnisses abkommensrechtlichen Anforderungen standhalte.

Eine gewerbesteuerliche Organschaft nach altem Recht setzt voraus, dass eine Kapitalgesellschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in eine nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S. des § 1 KStG 1999 mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (§ 14 Nr. 3 S. 1 KStG 1999) als Organträger finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich eingegliedert ist. Im Streitfall steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass die C-GmbH finanziell wie organisatorisch unmittelbar in die Klägerin (und zugleich mittelbar in das Unternehmen der C-plc) eingegliedert war. Das FG hat zutreffend die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen der C-plc. verneint.

Wirtschaftlich eingegliedert ist die Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (z.B. Urteile vom 17.09.2003, 07.08.2002), wenn das herrschende Unternehmen (Organträger) eigene gewerbliche Zwecke verfolgt, denen sich das beherrschte Unternehmen im Sinne einer Zweckabhängigkeit unterordnen kann. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn das beherrschende Unternehmen eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet, die durch den Betrieb der Organgesellschaft gefördert wird und die im Rahmen des Organkreises nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Eine eigene gewerbliche Tätigkeit der Organträgergesellschaft kann auch darin bestehen, dass sie als sog. geschäftsleitende Holding die einheitliche Leitung über mehrere Organgesellschaften ausübt und diese damit zu einer wirtschaftlichen Einheit, die neben die einzelnen Unternehmen tritt, zusammenfasst. Zu der Klägerin als zwischengeschalteter (inländischer) Holdinggesellschaft bestand kein Organschaftsverhältnis, weil die Klägerin als nicht geschäftsleitende Holding ihrer Betätigung nach im Streitjahr kein gewerbliches Unternehmen betrieb und die bloße Rechtsform der Kapitalgesellschaft nicht zur Annahme eines gewerblichen Unternehmens gereicht (vgl. BFH-Urteile vom 22.04.1998, 17.09.2003). Die dafür erforderlichen Feststellungen wurden vom FG tatrichterlich bindend getroffen und wird von der Klägerin auch (nicht mehr) beanstandet.

Es stellt sich das Problem der Anerkennung einer grenzüberschreitenden Organschaft zu der britischen C-plc. Tatbestandlich ist eine solche ausgeschlossen; die C-plc ist als britische Kapitalgesellschaft keine nicht steuerbefreite Körperschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland. Das nimmt ihr die Fähigkeit, Organträgerin im steuerlichen Sinne zu sein. Der Revision ist dennoch zu entsprechen, weil durch die in § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG 1999 i.V.m. § 14 Nr. 3 S. 1 KStG 1999 angeordnete Verengung der sog. gewerbesteuerlichen Organschaft auf ein anderes "inländisches" gewerbliches Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland gegen das Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 und Abs. 5 DBA Großbritannien verstoßen wird. Indem die Klägerin nicht Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG 1999 der C-plc sein kann, wird sie damit steuerlich wegen der Ansässigkeit der C-plc abweichend von einem inländischen Unternehmen behandelt, das nicht von einer in Großbritannien, sondern von einer im Inland ansässigen Person beherrscht wird. Diese steuerliche Andersbehandlung betrifft sowohl die gewerbesteuerliche Behandlung als (fiktive) Betriebsstätte der C-plc als auch die daraus abzuleitenden steuerlichen Folgen (vgl. auch Senatsurteil vom 29.01.2003). Unter den Gegebenheiten des Streitfalls sind dies die gewerbesteuerliche Erfassung des Einkommens der Klägerin bei dieser und die daraus abgeleitete Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages (§ 14 GewStG 1999) bzw. die Feststellung des verbleibenden Gewerbeverlustes (§ 10a GewStG 1999), jeweils mit hälftiger Hinzurechnung der von der C-GmbH zunächst an die C-plc und sodann im Streitjahr an die Klägerin abgeführten Darlehenszinsen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb als sog. Dauerschuldzinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 1999. Da die Beschränkung der Organträger-Eigenschaft auf ein Unternehmen mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland nicht mit dem Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 und 5 DBA-Großbritannien 1964/1970 vereinbar ist (entgegen BMF-Schreiben vom 08.12.2004), kann eine inländische Kapitalgesellschaft gewerbesteuerliche Organgesellschaft eines in Großbritannien ansässigen gewerblichen Unternehmens sein. Die gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der C-plc ist damit im Ergebnis anzuerkennen. Das führt dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaft für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird.

Betroffene Norm

§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG 1999, § 8 Nr. 1 GewStG 1999, § 10a GewStG 1999, § 14 GewStG 1999, § 14 KStG 1999
Streitjahr 1999

Vorinstanzen

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.05.2010, 8 K 3137/06, EFG 2010, S. 2024 (Gewerbesteuermessbetrag)
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 18.05.2010, 8 K 1160/10, EFG, 2010, S. 2026 (vortragsfähiger Gewerbeverlust), siehe ausführlicher in den Deloitte Tax-News

Fundstellen

BMF: Nichtanwendung der Urteilsgrundsätze in vergleichbaren Fällen, Schreiben vom 27.12.2011, IV C 2 - S 2770/11/10002
BFH, Urteil vom 09.02.2011, I R 54/10 und I R 55/10, BStBl II 2012, S. 106

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 17.09.2003, I R 98/01, BFH/NV 2004, S. 808
BFH, Urteil vom 07.08.2002, I R 83/01, BFH/NV 2003, S. 345
BFH, Urteil vom 22.04.1998, I R 132/97, BStBl II 1998, S. 687
BFH, Urteil vom 29.01.2003, I R 6/99, BStBl II 2004, S. 1043
BMF, Schreiben vom 08.12.2004, IV B 4 - S-1301 USA - 12/04, BStBl I 2004, S. 1181

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