Zurück zur Übersicht
URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/internationales-steuerrecht/eugh-fondsbesteuerung-nach-dem-invstg-2004-unionsrechtswidrig.html
22.05.2023
Internationales Steuerrecht

EuGH: Fondsbesteuerung nach dem InvStG 2004 unionsrechtswidrig

Aktuell:

  • Der BFH schließt sich mit Urteil vom 11.10.2023 (I R 23/23 (I R 33/17)) der Auffassung des EuGH an. Aus unionsrechtlichen Gründen ist die Steuerbefreiung gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F. (InvStG 2004) auch für gebietsfremde Spezialimmobilienfonds zu gewähren.

BFH, Urteil vom 11.10.2023 (I R 23/23 (I R 33/17))

EuGH:​

Die Besteuerung gebietsfremder Spezialimmobilienfonds nach dem bis zur Investmentsteuerreform 2018 geltenden alten Investmentsteuerrecht (InvStG 2004) ist europarechtswidrig. 

Sachverhalt

Der L Fund (Kläger) ist ein nach Luxemburger Recht errichteter, geschlossener Immobilienfonds mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland. Der L Fund erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus der Vermietung und aus dem Verkauf seiner in Deutschland belegenen Immobilien.

Der L Fund vertrat die Auffassung, dass er in Deutschland nicht der Körperschaftsteuer unterlag. Im Gegensatz dazu bejahte das Finanzamt die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht des L Funds.

Auch der BFH kam zu dem Ergebnis, dass der L Fund gemäß § 2 Nr. 1 KStG mit seinen gesamten in Deutschland erzielten Einkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt. Steuerbefreiungen persönlicher oder sachlicher Natur kommen nach dem BFH nicht zur Anwendung.
Im Gegensatz zu vom nationalen Recht geregelten offenen Investmentfonds könne der L Fund nicht in den Genuss der in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. vorgesehenen Befreiung von der Körperschaftsteuer kommen, da der L Fund nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG a.F. in Verbindung mit § 2 Abs. 8 InvG a.F. ein ausländischer Fonds sei.

Der BFH hatte dem EuGH folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht der Kapitalverkehrsfreiheit die Regelung eines Mitgliedstaats (§ 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F.) entgegen, der zufolge inländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern von der Körperschaftsteuer befreit sind, während ausländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern hinsichtlich ihrer im Inland erzielten Vermietungseinkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen?

Entscheidung

Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die in den Streitjahren bestehende deutsche Regelung (§ 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F.), die gebietsfremde Spezialimmobilienfonds gegenüber gebietsansässige Spezialimmobilienfonds nachteilig behandelt, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Es liegt eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vor.

Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Nach dem EuGH stellen die relevanten deutschen Vorschriften des Investmentsteuergesetz eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, da gebietsansässige Spezialimmobilienfonds von der Körperschaftsteuer befreit sind, gebietsfremde hingegen nicht. Gebietsfremde Spezialimmobilienfonds werden gegenüber gebietsansässigen Fonds benachteiligt.

Eine solche Ungleichbehandlung sei geeignet, gebietsfremde Spezialimmobilienfonds von Investitionen in in Deutschland belegene Immobilien abzuhalten und halte darüber hinaus in Deutschland ansässige Anleger davon ab, für solche Investitionen gebietsfremde Spezialimmobilienfonds in Anspruch zu nehmen.

Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Die deutsche Regelung könne dennoch als mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar angesehen werden, wenn die sich aus ihr ergebende Ungleichbehandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Vorliegen objektiv vergleichbarer Situationen

Der EuGH beruft sich auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 17.03.2022, C-545/19 „AllianzGI-Fonds“) und folgert, dass ein gebietsfremder Spezialimmobilienfonds, der auch in Deutschland ansässige Anleger haben kann, sich in einer Situation befindet, die mit der eines gebietsansässigen Spezialimmobilienfonds objektiv vergleichbar ist.

Zwingende Gründe des Allgemeininteresses

Nach dem EuGH lasse sich die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen.

Der EuGH vertritt die Auffassung, dass die Kohärenz des Steuersystems mit Hilfe von verhältnismäßigeren Alternativen (z.B. wenn die gebietsfremden Spezialimmobilienfonds von der Körperschaftsteuer befreit werden könnten, sofern sich die deutschen Steuerbehörden unter voller Zusammenarbeit dieser Fonds vergewissern, dass die Anleger dieser Fonds eine Steuer entrichten, die derjenigen entspricht, der die Anleger eines gebietsansässigen Spezialimmobilienfonds unterliegen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 21.06.2018, C-480/16, „Fidelity Funds“) hätte gewahrt werden können.

Auch der Rechtfertigungsgrund einer Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten liege nicht vor. Denn ein Mitgliedstaat, der sich dafür entscheidet, die inländischen Einkünfte gebietsansässiger Fonds nicht zu besteuern, könne sich nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um die Besteuerung gebietsfremder Fonds zu rechtfertigen (vgl. auch EuGH-Urteil vom 17.03.2022, C-545/19, „AllianzGI-Fonds“).

Betroffene Normen

§ 11 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F., § 15 Abs. 2 S. 2 InvStG a.F.

Streitjahre: 2008-2010

Anmerkungen

Hintergrund: Regelungen des InvStG 2004

Das o.g. EuGH-Urteil betrifft noch das bis zur Investmentsteuerreform 2018 geltende alte Investmentsteuerrecht (InvStG 2004). Mit Einführung des neuen InvStG 2018 unterliegen sowohl inländische als auch ausländische Fonds gemäß § 6 InvStG 2018 grundsätzlich gleichermaßen der Körperschaftsteuerpflicht.

Vorinstanz

BFH, EuGH-Vorlage vom 18.12.2019, I R 33/17, siehe unter Anmerkungen Deloitte Tax News

Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.10.2023, I R 23/23 (I R 33/17)

EuGH, Urteil vom 27.04.2023, C-537/20 

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 17.03.2022, C-545/19, „AllianzGI-Fonds“, siehe Deloitte Tax News

EuGH, Urteil vom 21.06.2018, C 480/16, Fidelity Funds

 

Englischsprachiger Beitrag

Für weitere Informationen, siehe auch den englischsprachigen Beitrag zum Urteil.

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.