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28.02.2019
Internationales Steuerrecht

EuGH: Keine Besteuerung des Vermögenszuwachses bei erwerbsbedingtem Wegzug einer natürlichen Person in die Schweiz

Aktuell: Das BMF kommt unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 26.02.2019 (C-581/17, Wächtler) zu dem Ergebnis, dass bei einem Wegzug einer natürlichen Person in die Schweiz eine Stundung der auf den Vermögenszuwachs (stille Reserven in Kapitalgesellschaftsbeteiligungen i.S.d. § 17 EStG) geschuldeten Steuer auf Antrag ohne Sicherheitsleistung in fünf gleichen verzinslichen Jahresraten vorzunehmen ist. Damit bleibt das BMF hinter der vom EuGH geforderten Stundung der Steuer bis zur tatsächlichen Veräußerung der Anteile zurück.
BMF, Schreiben vom 13.11.2019, siehe Deloitte Tax-News 
                                                                                                                                   

EuGH, Urteil vom 26.02.2019
Auch bei einem Wegzug in die Schweiz ist die geschuldete Steuer bis zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile iSd § 17 EStG - ggf. gegen Leistung einer Sicherheit - zu stunden (vgl. § 6 Abs. 5 AStG in EU/EWR-Fällen). Die sofortige Besteuerung des Vermögenszuwachses verstößt gegen EU-Recht.

Hintergrund

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, war seit 2008 Geschäftsführer einer Gesellschaft schweizerischen Rechts. Er übte in diesem Rahmen eine Tätigkeit im Bereich der IT‑Beratung aus und hielt 50% der Gesellschaftsanteile. In 2011 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz. In Folge dessen unterwarf das Finanzamt Konstanz die latenten Wertzuwächse seiner Anteile an dieser Gesellschaft der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG und § 17 EStG. Auf eine zinslose Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG könne sich der Kläger nicht berufen, da die Schweiz weder EU-Mitgliedstaat noch ein Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist.

Das FG teilte die Zweifel des Klägers, ob die sofortige Besteuerung von latenten, noch nicht realisierten Wertsteigerungen von Gesellschaftsrechten gegen die Vorschriften des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen - FZA) verstößt und hatte diese Frage dem EuGH vorgelegt. Mit Urteil vom 26.02.2019 hat der EuGH klargestellt, dass die sofortige Besteuerung des Vermögenszuwachses im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz eine ungerechtfertigte Beschränkung des vom FZA vorgesehenen Niederlassungsrechts darstellt.

Entscheidung des EuGH

Der Kläger war ein deutscher Staatsangehöriger, der sich in der Schweiz niedergelassen hatte, um dort im Rahmen einer Gesellschaft eine selbständige Tätigkeit auszuüben. Damit war der Anwendungsbereich von Art. 12 des Anhangs I des FZA eröffnet und der Kläger konnte sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 15 Abs. 2 des Anhangs I des FZA auch gegenüber Deutschland berufen. Der EuGH stellte fest, dass durch § 6 AStG der Kläger bei seinem erwerbsbedingten Wegzug in die Schweiz gegenüber einem in Deutschland bleibenden Steuerpflichtigen benachteiligt wurde, mithin § 6 AStG sein Niederlassungsrecht behindere.

Diese Ungleichbehandlung kann nur durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn diese den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten, d.h. nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist. Insoweit ist zwar die Steuerfestsetzung im Zeitpunkt des Wegzugs zulässig, jedoch nicht die sofortige Einziehung derselben. Insoweit weist der EuGH auf die bilaterale Möglichkeit des Austauschs von Steuerinformationen gemäß Art. 27 DBA-Schweiz (große Auskunftsklausel bzw. große Amtshilfe) hin, nach der Deutschland auch nach dem Wegzug die notwenigen Informationen über eine Veräußerung der Geschäftsanteile erhalten könne. Das Risiko der Nichteinziehung dieser Steuer könnte – als milderes Mittel – von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden. Dies ist insbesondere im Verhältnis zur Schweiz von Bedeutung, da hier Mechanismen der gegenseitigen Unterstützung bei der Beitreibung von Steuerforderungen fehlen.

Erfreulich ist hierbei, dass der EuGH ausdrücklich eine Stundung der Steuer bis zur tatsächlichen Veräußerung der Anteile nennt – dies steht im Widerspruch zu der 5-jährigen Zahlungsstreckung die von der ATAD für Entstrickungsfälle im betrieblichen Bereich vorgesehen wird. Durch dieses Urteil sollte die Diskussion, ob für natürliche Personen von der bisherigen Regelung einer dauerhaften Stundung abgewichen werden kann, entschieden worden sein.

In Fällen, in denen bislang die Stundung der Wegzugsbesteuerung entsprechend § 6 Abs. 5 AStG im Verhältnis zur Schweiz versagt wurde, sollten Bescheide offen gehalten werden und entsprechende Rechtsmittel geprüft werden, um – ggf. gegen Leistung einer Sicherheit – eine Stundung zu erwirken.

Fundstellen

BMF, Schreiben vom 13.11.2019, siehe Deloitte Tax-News 

EuGH, Urteil vom 26.02.2019, C‑581/17

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