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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/internationales-steuerrecht/europaeische-kommission-kommissionsvorschlag-zur-besteuerung-der-digitalen-wirtschaft.html
22.03.2018
Internationales Steuerrecht

Europäische Kommission: Kommissionsvorschlag zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft

 Aktuell: Bundesrat nimmt zum Richtlinienentwurf Stellung

Die EU-Kommission stellt in ihrem Vorschlag zur Besteuerung von digitalen Aktivitäten im Binnenmarkt mögliche kurz- und langfristige Lösungen vor, um den Besteuerungsproblemen im Zusammenhang mit der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft entgegenzutreten. Der vorliegende Artikel fasst den Inhalt dieser ersten Fassung des von der EU-Kommission entworfenen Konzepts zusammen.

Hintergrund

Die zunehmende Digitalisierung und die damit verbundene Vielfalt der Geschäftsmodelle, die durch die Technologie und Auswertung großer Datenmengen möglich werden, stellen die Steuerpolitik vor große Herausforderungen. Die EU-Kommission hat dem Europäischen Parlament deshalb am 21.09.2017 eine Mitteilung über ein faires und effizientes Steuersystem für den digitalen Binnenmarkt in der Europäischen Union vorgelegt (siehe Deloitte Tax-News). Sie fordert darin eine grundlegende Reform der Besteuerung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft. Mit einem Steuersystem, das für „konventionelle Geschäftsmodelle“ konzipiert wurde, können keine Tätigkeiten erfasst werden, die zunehmend auf immateriellen Vermögenswerten, Daten und Automatisierung beruhen. In ihrem Vorschlag zur Besteuerung digitaler Aktivitäten im Binnenmarkt vom 21.03.2018 stellt die EU-Kommission nun mögliche kurz- und langfristige Lösungen vor, um diesen Herausforderungen entgegenzutreten.

Inhalt des Vorschlags für einen Richtlinienentwurf

Die Unternehmensbesteuerung folgt bisher dem Grundsatz, dass Gewinne am Ort der Wertschöpfung besteuert werden sollen. Digitale Unternehmen können ihre überwiegend online basierten Produkte allerdings grenzüberschreitend anbieten und Wertschöpfung erzielen, ohne im betreffenden Land eine physische Präsenz zu haben. In einer digitalisierten Welt stellt sich deshalb die Frage, wie der Ort, an dem eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, und der Wert, der geschaffen wird, zu Steuerzwecken bestimmt werden können.

Langfristige Lösung

Die EU-Kommission will idealerweise eine grundlegende Reform der Besteuerung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft auf internationaler Ebene erarbeiten. Langfristig lässt sich dem Vorschlag zudem eine neue Definition der Betriebsstätte (Einführung einer signifikanten digitalen Präsenz oder virtuellen Betriebsstätte, engl. digital presence / virtual permanent establishment) sowie neue Regeln für die Gewinnverteilung (z.B. unter Bezugnahme auf die Ansässigkeit der Nutzer im Zeitpunkt der Nutzung) entnehmen. Diese beiden neuen Regelungen sollen schließlich auch Eingang in die Vorschläge für eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB, engl. Common Consolidated Corporate Tax Base, CCCBT) finden.

Die signifikante digitale Präsenz wird in der EU in dem Richtlinienentwurf definiert, wodurch die Mitgliedstaaten verpflichtet würden, ihre nationalen Betriebsstättendefinitionen zu erweitern. Im Verhältnis zu Drittstaaten würde dies nur gelten, soweit die erweiterte Definition auch in dem jeweiligen bilateralen DBA enthalten ist (Art. 2 des Richtlinienentwurfs). Durch diese Richtlinie sollen Besteuerungsrechte in einem Land begründet und geschützt werden, in dem Unternehmen mit bedeutender kommerzieller (- wenngleich auch ohne physische -) Präsenz ihre Dienstleistungen auf digitalem Wege anbieten. Eine signifikante digitale Präsenz soll dann begründet werden, wenn einer oder alle der nachfolgenden Aspekte erfüllt sind:

  • das Unternehmen erzielt – allein oder zusammen mit seinen verbundenen Unternehmen – Umsatzerlöse aus digitalen Leistungen in einem Mitgliedsstaat, die 7.000.000 EUR pro Jahr übersteigen;
  • die Anzahl der Nutzer der digitalen Leistungen in einem Mitgliedsstaat übersteigt 100.000 pro Jahr; oder
  • die Anzahl an abgeschlossenen Onlineverträgen übersteigt 3.000.

In Hinblick auf die Gewinnzurechnung soll der Grundsatz, Gewinne am Ort der Wertschöpfung zu besteuern, beibehalten werden. Neben den bisherigen Kriterien für die Allokation von Gewinnen sollen nun zusätzliche Kriterien („wirtschaftlich signifikante Tätigkeiten, die die signifikante digitale Präsenz über eine digitale Schnittstelle ausübt“) berücksichtigt werden, wie zum Beispiel:

  • Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Analyse, Bereitstellung und Verkauf von Daten auf Nutzerebene;
  • Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Anzeige nutzergenerierter Inhalte;
  • Verkauf von Online-Werbeflächen;
  • Bereitstellung von Inhalten Dritter über einen digitalen Marktplatz;
  • andere digitale Leistungen.

Da eine solche Reform der Unternehmensbesteuerung erst sehr langfristig erreichbar ist und ein erheblicher politischer Druck auf die Mitgliedsstaaten ausgeübt wird, kurzfristig Maßnahmen gegen die Besteuerungsproblematik zu ergreifen, strebt die Kommission eine Zwischenlösung an.

Kurzfristige Lösung

Die Zwischenlösung soll auf Geschäftsmodelle Anwendung finden, bei denen die Nutzer einer Plattform in besonders intensiver Weise an der Wertschöpfung beteiligt sind.

Kurzfristig wird eine Steuer auf Umsätze aus Geschäftsmodellen vorgeschlagen, bei denen Nutzer eine wichtige Rolle bei der Wertschöpfung spielen, wie z.B.:

  • die Platzierung von Werbung auf einer digitalen Schnittstelle, die sich an die Nutzer dieser Schnittstelle richtet;
  • die Bereitstellung einer mehrseitigen digitalen Schnittstelle für Nutzer, die es diesen ermöglicht, andere Nutzer zu finden und mit ihnen zu interagieren, und die darüber hinaus die Lieferung zugrundeliegender Gegenstände oder Dienstleistungen unmittelbar zwischen Nutzern ermöglichen kann;
  • die Übermittlung gesammelter Nutzerdaten, die aus den Aktivitäten der Nutzer auf digitalen Schnittstellen generiert werden.

Die Steuer soll bei Unternehmen erhoben werden, die Umsätze aus in den Bereich der Steuer fallenden Geschäftsmodellen erzielen und über den beiden nachfolgenden Schwellenwerten liegen:

  • globaler Umsatz von mindestens 750 Millionen EUR pro Jahr
  • Umsatz aus steuerpflichtigen digitalen Leistungen von mehr als 50 Millionen EUR pro Jahr in der EU.

Um den Compliance Aufwand zu minimieren, wird für die Erklärung und Erhebung von Steuern auf Ebene der EU ein Vereinfachungsmechanismus vorgeschlagen, der auf dem sogenannten „One-Stop-Shop“-Modell basiert. Das Besteuerungsrecht soll dabei den Staaten zustehen, aus denen die kommerzialisierten Daten stammen bzw. in denen die Nutzer ansässig sind, die für die Plattformnutzung zahlen.

Die Steuer soll EU-weit 3% des Jahresumsatzes betragen. Man verspricht sich hiervon Steuereinnahmen von ca. 5 Milliarden EUR jährlich.

Ausblick

Das Inkrafttreten beider Richtlinienvorschläge ist für 2020 vorgesehen, was allerdings angesichts der nun stattfindenden Diskussionen zumindest als völlig offen bezeichnet werden muss. Auch die Frage, ob die Mitgliedstaaten überhaupt eine politische Einigung erzielen werden, kann noch nicht beantwortet werden.

Fundstellen

Europäische Kommission, Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES zur Regelung der Unternehmensbesteuerung bei signifikanter digitaler Präsenz
Anhänge des Vorschlags 
Europäische Kommission, Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES für das gemeinsame Besteuerungssystem für digitale Dienstleistungen betreffend Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen 

Weitere Fundstellen

Europäische Kommission: Besteuerung digitaler Wirtschaft, siehe Deloitte Tax-News  
OECD: Zwischenbericht zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, siehe Deloitte Tax-News 

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