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13.04.2023
Internationales Steuerrecht

FG Münster: Verrechnungspreiskorrektur und Hinzurechnungsbesteuerung beim gleichen Rechtssubjekt

Überlässt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger einer ausländischen Zwischengesellschaft unentgeltlich ein Darlehen und erzielt die ausländische Gesellschaft aus dem überlassenen Kapital Zinseinkünfte, hat § 7 AStG (Hinzurechnungsbesteuerung) Vorrang vor § 1 AStG (Verrechnungspreiskorrektur). Auch ein treuhänderischer Anteilseigner kann an einer ausländischen Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG beteiligt sein.

Sachverhalt

Strittig ist, ob und in welcher Höhe die Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG vorlagen.

Der Kläger war Alleingesellschafter der X-GmbH, der polnischen X Sp. z.o.o. und der italienischen S.s.r.l. E. Darüber hinaus war der Kläger auch als Direktor der schweizerischen X-AG beschäftigt. Die X-AG gewährte der S.s.r.l. E verzinste und der X Sp. z.o.o. zinslose Darlehen. Die Geldmittel wurden der X-AG vom Kläger unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Nach Auffassung von Steuerfahndung und Finanzamt handelte es sich bei der X-AG um eine Zwischengesellschaft, die niedrig besteuerte passive Einkünfte erzielte. Weiterhin sei davon auszugehen, dass der Kläger mindestens seit Übernahme des Direktorenamtes auch an ihr beteiligt war und ihm die Zinsansprüche der X-AG, abzüglich einer angemessenen Marge, nach § 1 Abs. 1 AStG entsprechend zuzurechnen seien.

Hingegen vertrat der Kläger die Auffassung, dass er zu keinem Zeitpunkt Anteilseigner oder Gesellschafter der X-AG gewesen sei. Außerdem wandte er sich gegen die für ihn zu hoch angesetzten Zinsbeträge, die Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz sowie die Höhe der errechneten Hinzurechnungsbeträge.

Entscheidung

Das FG schließt sich der Auffassung des Finanzamts an und geht davon aus, dass es sich bei der X-AG um eine niedrig besteuerte Zwischengesellschaft mit passiven Einkünften handelt. Nach dem FG ist im Streitfall die Korrektur nach § 7 AStG (Hinzurechnungsbesteuerung) vorrangig vor einer Berichtigung nach § 1 AStG (Verrechnungspreiskorrektur) anzuwenden.

Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung

Nach dem FG liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG vor.

Danach sind, wenn unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), zu mehr als der Hälfte beteiligt sind, die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem der Beteiligten mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt.

Bei der Schweizer X-AG handele es sich um eine ausländische Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG, da sowohl ihr Sitz als auch ihre Geschäftsleitung in der Schweiz ist. Das FG geht zwar nur von einer treuhänderischen Gesellschafterstellung des Klägers an der X-AG aus, hält diese für die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung dennoch für ausreichend. Ein Gegenbeweis gegen die Annahme einer rein künstlichen Gestaltung nach § 8 Abs. 2 AStG wurde nicht erbracht. Die Möglichkeit eines Gegenbeweises hätte dem Kläger für die Jahre ab 2011 zugestanden (vgl. BFH-Urteil vom 22.05.2019, I R 11/19).

Verhältnis der §§ 1 und 7 AStG

Das Verhältnis der §§ 1 und 7 AStG sei für die streitgegenständliche Konstellation, bei der Adressat der Einkünftekorrektur nach § 1 AStG und der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 AStG dieselbe steuerpflichtige Person (hier: der Kläger) ist, umstritten und höchstrichterlich nicht entschieden.

Mit Urteil vom 19.03.2002 (I R 4/01) hatte der BFH einen Anwendungsvorrang der §§ 7 ff. AStG vor § 1 AStG bei verschiedenen Rechtsträgern abgelehnt. Im damaligen Streitfall gewährt eine deutsche Gesellschaft ihrer ausländischen Enkelgesellschaft ein Darlehen zu einem unüblich niedrigen Zins. Die Einkünfte der darlehensgewährenden (deutschen) Gesellschaft sind nach dem BFH auch dann nach § 1 AStG zu berichtigen, wenn die Einkünfte der Enkelgesellschaft bei ihrer deutschen Muttergesellschaft nach §§ 7 ff. AStG hinzugerechnet werden.

Für den vorliegenden Streitfall, bei dem der Adressat der Einkünftekorrektur nach § 1 AStG und der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 AStG dieselbe steuerpflichtige Person (hier: der Kläger) ist, kommt jedoch das FG zu dem Ergebnis, dass § 7 AStG vorrangig anzuwenden ist. Für den Vorrang des § 7 AStG spreche, dass für eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG nur dann Anlass bestehe, wenn die Einkünfte nicht schon aus anderem Grund in der zutreffenden Höhe erfasst würden; § 1 AStG müsse insofern teleologisch reduziert ausgelegt werden. Dies gelte spätestens seit der Neufassung des § 1 Abs. 1 AStG nach Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, weil die Vorschrift seitdem als Auffangtatbestand normiert sei.

Nach dem FG ergäben sich auch dann keine niedrigeren als die in den Bescheiden festgestellten Hinzurechnungsbeträge, wenn (stattdessen oder zusätzlich) im Verhältnis zwischen dem Kläger und der S-AG eine Berichtigung nach § 1 AStG stattfinden müsste. Eine Anrechnung von Berichtigungsbeträgen nach § 1 AStG auf die Hinzurechnungsbeträge §§ 7, 18 AStG ist nach Auffassung des FG im Streitfall, in dem Adressat des § 1 AStG und des § 7 AStG dasselbe Steuersubjekt ist, nicht vorzunehmen.

Betroffene Normen

§ 1 AStG, § 7 AStG

Streitjahre 2007-2013

Anmerkung

Die Revision wurde vom FG zunächst nicht zugelassen, da die Frage, in welchem Vorrangverhältnis die §§ 1 und 7 AStG im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Der BFH hat der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers jedoch stattgegeben. Die Revision ist dort unter dem Az. I R 38/22 anhängig.

Fundstelle

FG Münster, Urteil vom 10.12.2020, 8 K 665/16 F; BFH-anhängig: I R 38/22  

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.05.2019, I R 11/19, BStBl. II 2021, S. 265, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 19.03.2002, I R 4/01, BStBl. II 2002, S. 644

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