Aktuell:
Model Rules vom 20.12.2021:
Die OECD hat am 20.12.2021 die Model Rules zur globalen Mindestbesteuerung („Pillar 2“) veröffentlicht, die ab 2023 (bzw. die sog. Undertaxed-Payment-Rule ab 2024) zur Anwendung kommen sollen. Nach den Regelungen müssen multinationale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro ihre Gewinne weltweit mit einem effektiven Steuersatz von mindestens 15% besteuern. Die Model Rules sollen den Staaten als Umsetzungshilfe in deren nationales Recht dienen. Bereits am 22.12.2021 hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag zur einheitlichen Umsetzung der OECD-Vorgaben in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht (siehe Deloitte Tax-News).
Vor dem Hintergrund, dass das derzeitige internationale Steuerrecht auf die „physische Präsenz“ der Unternehmen abstellt und einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft nicht gerecht wird, hat die OECD im Auftrag der G20 das sog. Zwei-Säulen-Modell erarbeitet. Das Zwei-Säulen-Konzept hat zum Ziel die steuerlichen Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft zu lösen:
Die letzte Erklärung der OECD hinsichtlich des sog. Zwei-Säulen-Konzepts datierte vom 08.10.2021 (siehe Deloitte Tax-News) und ergänzte die Stellungnahme der OECD vom 01.07.2021 um weitere Details und einen Umsetzungsplan. 137 Staaten und Gebiete des OECD/G20 Frameworks haben sich der o.g. Erklärung angeschlossen. Die Regelungen sollen ab 2023 (bzw. die sog. Undertaxed Payment Rule der Säule 2 ab 2024) zur Anwendung kommen.
Am 20.12.2021 hat die OECD nun detaillierte Musterregeln (sog. Model Rules) zur zweiten Säule („Pillar 2“) für deren Umsetzung in nationales Recht veröffentlicht. Anhand dieser Mustervorschriften soll es den Staaten möglich sein, die Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung (auch „Global Anti-Base Erosion (GloBE)-Regeln“ genannt) fristgerecht (bis 31.12.2022) und einheitlich in nationales Recht umzusetzen.
Bereits am 22.12.2021 veröffentlichte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf zur globalen Mindestbesteuerung. Dieser orientiert sich sehr eng an den Model Rules der OECD und bezweckt wiederum eine einheitlichen Umsetzung in das nationale Recht der EU-Mitgliedstaaten sicherzustellen (siehe Deloitte Tax News).
Überblick
Die Model Rules umfassen zehn Kapitel über insgesamt 70 Seiten. Das Kernstück der Regelungen findet sich in den Kapiteln 1 bis 5. Die Model Rules sind - wie folgt - gegliedert:
Neben den Model Rules veröffentlichte die OECD eine Kurzbeschreibung der Regelungen (siehe OECD, Zusammenfassung vom 20.12.2021 - "Summary: Pillar Two Modul Rules in a nutshell") sowie ein Dokument mit Fact Sheets (OECD, "Fact Sheets" vom 20.12.2021), welches die Prüfungsschritte zum Anwendungsbereich der Mindestbesteuerung und der Ermittlung der Top-Up Tax veranschaulicht.
Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte der einzelnen Kapitel der OECD-Model Rules dargestellt.
Kapitel 1: Anwendungsbereich
Nach den Model Rules sollen multinationale Konzerne (sog. MNE Groups) mit ihren einbezogenen Gesellschaften (sog. Constituent Entities) in den Anwendungsbereich der globalen Mindestbesteuerung fallen, die in mindestens zwei der vier vorangehenden Wirtschaftsjahren einen Jahresumsatz in Höhe von mindestens 750 Millionen Euro nach dem Konzernabschluss der obersten Muttergesellschaft erzielt haben.
Definition „MNE Group“: Eine MNE Group stellt eine Unternehmensgruppe dar, zu der mindestens eine im Rahmen des Konzernabschlusses einbezogene Gesellschaft (sog. Constituent Entity) gehört, die nicht im Hoheitsgebiet der obersten Muttergesellschaft ansässig ist oder eine Gesellschaft gehört, die in einem anderen Staat eine Betriebsstätte unterhält.
Definition „Constituent Entity“: Grundsätzlich gehören zu den sog. Constituent Entities alle Gesellschaften sowie Betriebsstätten, die in den Konzernabschluss einer „MNE Group“ einbezogen werden.
Nicht in den Anwendungsbereich der Global Anti-Base Erosion (GloBE)-Regeln fallen grundsätzlich:
Kapitel 2: Zurechnung der Top-Up Tax zu einer bestimmten Gesellschaft
Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Frage, welche Konzerngesellschaft die Top-Up Tax im Falle eines niedrig besteuerten Gewinns zu versteuern hat. Die Beantwortung der Frage ist davon abhängig, ob die Income-Inclusion-Rule (IIR) und der Undertaxed-Payment-Rule (UTPR) zur Anwendung kommt.
a) Income-Inclusion-Rule (IIR):
Nach der IIR, die vorrangig zur Anwendung kommt, soll die oberste Muttergesellschaft, die zu irgendeinem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres an einer niedrig besteuerten Gesellschaft beteiligt ist, einem ihr zurechenbaren Anteil an der Top-Up Tax für das Wirtschaftsjahr unterliegen (sog. "Top-Down-Approach"). Sofern die oberste Muttergesellschaft nicht in einem Staat ansässig ist, der die IIR eingeführt hat, unterliegt die nächsthöchste übergeordnete Gesellschaft in der Beteiligungskette, die in einem Staat ansässig ist, der die IIR eingeführt hat, mit ihrem Anteil der Top-Up Tax.
b) Undertaxed-Payment-Rule (UTPR):
Wird die IIR von einem Staat, in dem eine Konzernobergesellschaft ansässig ist, nicht angewendet, kommt die UTPR auf Ebene der jeweiligen Konzernobergesellschaft zur Anwendung. Bei der UTPR handelt es sich demnach um eine sekundäre Regelung, die als ein Auffangmechanismus zur IIR dient. Gemäß den Model Rules wird im Rahmen der UTPR den Konzerngesellschaften einer MNE Group, die in einem Staat ansässig sind, der die UTPR implementiert hat, der Betriebsausgabenabzug verweigert bzw. begrenzt. Dies führt dazu, dass diese Gesellschaften einen zusätzlichen Steueraufwand in Höhe der Top-Up Tax haben, die dem Staat zugewiesen wurde.
Zurechenbarer Anteil der Top-Up Tax eines Staates: Sofern mehrere Staaten eine UTPR anwenden, wird der Gesamtbetrag der Top-Up Tax auf diese Staaten nach der Anzahl der Arbeitnehmer und materieller Wirtschaftsgüter zugewiesen:
Kapitel 3: Ermittlung des relevanten Einkommens
Um feststellen zu können, ob eine niedrige Besteuerung (d.h. unter 15% besteuerte Gewinne) vorliegt, muss in einem ersten Schritt das relevante Einkommen ermittelt werden und in einem nächsten Schritt die Ermittlung der Steuern auf dieses Einkommen festgelegt werden (siehe Kapitel 4). Kapitel 3 enthält Regelungen, wie das relevante Einkommen zu ermitteln ist.
Der Ausgangspunkt für die Ermittlung des relevanten Einkommens ist das nach den nationalen Rechnungslegungsstandards ermittelte Ergebnis jeder Gesellschaft, das bei der Erstellung des Konzernabschlusses der obersten Muttergesellschaft vor etwaigen Konsolidierungsanpassungen verwendet wird (sog. Handelsbilanz II).
Gemäß den Model Rules werden bei dem Ergebnis jeder Gesellschaft Berichtigungen im Rahmen von Kürzungen und Hinzurechnungen vorgenommen. Zu diesen Berichtigungen gehören unter anderem
Die Model Rules sehen für die Behandlung und Aufteilung des Ergebnisses einer Betriebsstätte und Personengesellschaften besondere Regelungen in Kapitel 3.4. und 3.5. vor.
Kapitel 4: Ermittlung der Steuern auf das relevante Einkommen
Der Ausgangspunkt für die Ermittlung der Steuern auf das relevante Einkommen soll der im Jahresabschluss der Gesellschaft ausgewiesene laufende (Ertrag-)Steueraufwand sein, der durch weitere Hinzurechnungen und Kürzungen angepasst werden muss.
Bestimmte Regelungen hinsichtlich temporärer Differenzen bezwecken, dass es nicht wegen temporärer Differenzen zu der Erhebung einer Top-Up Tax kommt. Folglich werden temporäre Differenzen durch die Berücksichtigung latenter Steuern geglättet. Solche latenten Steuern werden grundsätzlich im 5. Folgejahr rückwirkend aufgelöst, wenn sich diese nicht bis dahin umgekehrt haben. Für Unternehmen, die die Regeln für die Bilanzierung latenter Steuern in einem Land nicht anwenden wollen, besteht die Möglichkeit stattdessen eine vereinfachte Methode anzuwenden, bei der Verluste effektiv vorgetragen werden (sog. GloBE Loss Election).
In bestimmten Fällen werden die ermittelten Steuern einer anderen Konzerngesellschaft zugerechnet. Beispielsweise werden im Fall einer hybriden Gesellschaft dieser auch die Steuern auf ihr Einkommen zugerechnet, die beim Gesellschafter im Jahresabschluss ausgewiesen werden; entsprechendes gilt im Fall von Betriebsstätten, Personengesellschaften und Gesellschaften, die einer Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen.
Weitere Regelungen betreffen den Umgang mit (nachträglichen) Anpassungen der Steuerzahlungen für Vorjahre (z.B. aufgrund einer Betriebsprüfung).
Kapitel 5: Ermittlung des effektiven Steuersatzes und der Top-Up Tax:
Die Berechnung des effektiven Steuersatzes der Konzerngesellschaften soll grundsätzlich staatenbezogen berechnet werden (sog. Jurisdictional Blending) und ergibt sich aus der Summe der erfassten Steuern (siehe Kapitel 4) der in dem Staat ansässigen einbezogenen Gesellschaften, geteilt durch die Summe der relevanten (Netto-)Einkommen (siehe Kapitel 3) der in dem Staat ansässigen einbezogenen Gesellschaften für das maßgebende Wirtschaftsjahr.
Neben der Berechnung des effektiven Steuersatzes eines Staates wird in Kapitel 5 auch die Ermittlung der Top-Up Tax erläutert. Der Steuersatz der Top-Up Tax ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz von 15 % und dem staatenbezogenen effektiven Steuersatz. Die Top-Up Tax berechnet sich dann aus dem Steuersatz der Top-Up Tax multipliziert mit dem staatenbezogenen Gewinnüberschuss. Der Gewinnüberschuss eines Staates ergibt sich aus der Summe der Steuerbemessungsgrundlagen der in dem Staat ansässigen einbezogenen Gesellschaften (d.h. der Summe der relevanten Einkommen (siehe Kapitel 3)) abzüglich einer Substanzausnahme. Die Substanzausnahme begünstigt Konzerne mit echter wirtschaftlicher Tätigkeit, in dem sie die Steuerbemessungsgrundlage der Top-Up Tax mindert. Die Substanzausnahme hat zwei Komponenten:
Die Model Rules sehen darüber hinaus eine de minimis Regelung vor, nach der eine Top-Up Tax für eine einbezogene Gesellschaft fiktiv mit Null berücksichtigt werden kann, sofern der durchschnittliche Umsatz in dem Staat weniger als 10 Millionen Euro und das durchschnittliche Einkommen weniger als 1 Million Euro in dem Staat beträgt (berechnet auf der Basis eines Dreijahresdurchschnitts).
Die sich ergebende Top-Up Tax wird dann im Rahmen der Income-Inclusion-Rule regelmäßig der Muttergesellschaft oder in Ausnahmefällen im Rahmen der Undertaxed-Payment-Rule einer anderen Konzerngesellschaft (siehe Kapitel 2) zugerechnet.
Kapitel 6: Umstrukturierungen und Holding-Strukturen
Kapitel 6 enthält ergänzende Regelungen zu den Bestimmungen zum Anwendungsbereich in Kapitel 1, wenn (i) Verschmelzungen und Spaltungen im vorangegangenen 4-Jahres-Zeitraum stattgefunden haben, wenn (ii) einzubeziehende Gesellschaften im Wirtschaftsjahr erworben oder veräußert wurden, wenn (iii) Vermögensgegenstände und Schulden im Rahmen einer Reorganisation übertragen wurden, (iv) für Joint-Ventures und (v) im Fall sog. Multi-Parented „MNE-Groups“.
Die Regelungen erläutern beispielsweise wie der Schwellenwert (d.h. 750 Millionen Euro) für die konsolidierten Umsätze bei Verschmelzungen und Spaltungen zu berechnen ist oder mit welchen Wertansätzen Vermögensgegenstände und Schulden bei Reorganisationsmaßnahmen oder einer Sitzverlegung einer einbezogenen Gesellschaft bei der Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind.
Kapitel 7: Sonderregelungen für bestimmte Besteuerungssysteme
Das Kapitel 7 enthält Sonderregelungen für bestimmte Besteuerungssysteme, z.B. wenn die oberste Muttergesellschaft in ihrem Sitzstaat steuerlich als transparent behandelt wird, Ausschüttungen steuerlich abzugsfähig sind oder eine Körperschaftsbesteuerung nur erfolgt, wenn Gewinne ausgeschüttet werden.
Weitere Sonderregelungen gibt es auch für bestimmte Investmentgesellschaften.
Kapitel 8: Steuererklärungs- und Anzeigepflichten
Die Model Rules sehen vor, dass grundsätzlich jede einbezogene Gesellschaft einer „MNE Group“ dazu verpflichtet ist, eine standardisierte Steuererklärung (sog. "GloBE information return") innerhalb von 15 Monaten nach Ende des Wirtschaftsjahres abzugeben. Die Steuererklärung enthält u.a. Informationen über die einbezogenen Gesellschaften der „MNE Group“, die Beteiligungsstruktur, Berechnungsgrundlagen für den effektiven Steuersatz in jedem Staat und für die Top-Up Tax jeder einbezogenen Gesellschaft.
Die Verpflichtung für die einzelne Gesellschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen entfallen, wenn beispielsweise die oberste Muttergesellschaft der Erklärungspflicht nachkommt und mit dem Ansässigkeitsstaat der obersten Muttergesellschaft eine Vereinbarung zum qualifizierten Austausch (sog. "Qualifying Competent Authority Agreement") besteht.
Darüber hinaus bestehen Anzeigepflichten zu erklären, welche Gesellschaft der Erklärungspflicht nachkommt und in welchem Staat die erklärende Gesellschaft ansässig ist.
Kapitel 9: Übergangsbestimmungen
Das Kapitel 9 enthält Übergangsbestimmungen, z.B. für „MNE Groups“, die zum ersten Mal in den Anwendungsbereich der Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung fallen. Darüber hinaus ist eine schrittweise Verringerung der substanzbezogenen Einkommensbefreiung (zur „Substanzausnahme“, siehe auch Kapitel 5) in den ersten zehn Jahren der Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung vorgesehen. Weitere Ausnahmeregelungen von der Undertaxed-Payment-Rule gibt es für „MNE Groups“, die sich in der Anfangsphase ihrer internationalen Tätigkeit befinden.
Außerdem ist für das (erste) Übergangsjahr eine Verlängerung der Fristen zur Einreichung der Steuererklärung und den Anzeigepflichten von 15 auf 18 Monate nach Ende des Übergangsjahres vorgesehen.
Kapitel 10: Definitionen
Das Kapitel 10 enthält Definitionen wichtiger Begriffe, die in den Regelungen enthalten sind. Unter anderem finden sich auch Definitionen hinsichtlich transparenter Gesellschaften und auch Definitionen, die zur Bestimmung des Ansässigkeitsstaates einer Gesellschaft für Zwecke der Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung heranzuziehen sind.
Für Anfang 2022 ist die Veröffentlichung eines Kommentars zu den Model Rules angekündigt, welcher unter anderem auf das Zusammenspiel mit den US-Regeln für globale immaterielle niedrig besteuerte Einkünfte (Global Intangible Low-Taxed Income (GILTI)) eingehen soll. Anschließend wird ein Umsetzungsrahmen entwickelt, der sich mit Verwaltungs-, Einhaltungs- und Koordinierungsfragen im Zusammenhang mit der zweiten Säule beschäftigt. Das Inclusive Framework erarbeitet zudem die Musterregelungen für eine Subject-to-Tax Rule, zusammen mit einem multilateralen Instrument für deren Umsetzung, die beide Anfang 2022 veröffentlicht werden sollen. Eine öffentliche Konsultation zum Umsetzungsrahmen wird im Februar stattfinden und eine weitere zur Subject-to-Tax Rule im März.
Für weitere Informationen, siehe auch den englischsprachigen Beitrag von Deloitte UK.
OECD, Pressemitteilung vom 20.12.2021
OECD, Bericht vom 20.12.2021 - "Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy - Global Anti-Base Erosion Modul Rules (Pillar Two)"
OECD, Zusammenfassung vom 20.12.2021 - "Summary: Pillar Two Modul Rules in a nutshell"
OECD, "Fact Sheets" vom 20.12.2021
OECD, "FAQs" vom 20.12.2021
EU-Kommission: Richtlinienentwurf zur globalen Mindestbesteuerung („Pillar 2“), siehe Deloitte Tax-News
OECD veröffentlicht Model-Rules zu Pillar 2, siehe Deloitte Tax-News (Kurzinfo)
EU Kommission: Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert, siehe Deloitte Tax-News
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Dr. Alexander Linn
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